Lenz, Jakob Michael Reinhold: Die Soldaten. Leipzig, 1776. Gräfin. Jch selbst habe ihn zu Bette geschickt. Jsts nicht genug, daß der Kerl den ganzen Tag auf dich passen muß, soll er sich auch die Nachtruhe entziehen um deinetwillen. Jch glaube, du willst mich lehren die Bedienten anzusehen wie die Bestien. Junge Graf (küßt ihr die Hand.) Gnädi- ge Mutter! Gräfin. Jch muß ernsthaft mit dir re- den, junger Mensch! Du fängst an mir trübe Tage zu machen. Du weißt, ich habe dich nie eingeschränkt, mich in alle deine Sachen gemischt, als deine Freun- din, nie als Mutter. Warum fängst du mir denn jetzt an, ein Geheimniß aus deinen Herzensangelegenheiten zu machen, da du doch sonst keine deiner jugendlichen Thorheiten vor mir geheim hieltest, und ich, weil ich selbst ein Frauenzimmer bin, dir allezeit den besten Rath zu geben wußte. (sieht ihn steif an) Du fängst an lüderlich zu werden, mein Sohn. Junge Graf (ihr die Hand mit Thränen küssend.) Gnädige Mutter, ich schwöre Jhnen, ich habe
Graͤfin. Jch ſelbſt habe ihn zu Bette geſchickt. Jſts nicht genug, daß der Kerl den ganzen Tag auf dich paſſen muß, ſoll er ſich auch die Nachtruhe entziehen um deinetwillen. Jch glaube, du willſt mich lehren die Bedienten anzuſehen wie die Beſtien. Junge Graf (kuͤßt ihr die Hand.) Gnaͤdi- ge Mutter! Graͤfin. Jch muß ernſthaft mit dir re- den, junger Menſch! Du faͤngſt an mir truͤbe Tage zu machen. Du weißt, ich habe dich nie eingeſchraͤnkt, mich in alle deine Sachen gemiſcht, als deine Freun- din, nie als Mutter. Warum faͤngſt du mir denn jetzt an, ein Geheimniß aus deinen Herzensangelegenheiten zu machen, da du doch ſonſt keine deiner jugendlichen Thorheiten vor mir geheim hielteſt, und ich, weil ich ſelbſt ein Frauenzimmer bin, dir allezeit den beſten Rath zu geben wußte. (ſieht ihn ſteif an) Du faͤngſt an luͤderlich zu werden, mein Sohn. Junge Graf (ihr die Hand mit Thraͤnen kuͤſſend.) Gnaͤdige Mutter, ich ſchwoͤre Jhnen, ich habe
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Graͤfin. Jch ſelbſt habe ihn zu Bette
geſchickt. Jſts nicht genug, daß der Kerl
den ganzen Tag auf dich paſſen muß, ſoll
er ſich auch die Nachtruhe entziehen um
deinetwillen. Jch glaube, du willſt mich
lehren die Bedienten anzuſehen wie die
Beſtien.
Junge Graf (kuͤßt ihr die Hand.) Gnaͤdi-
ge Mutter!
Graͤfin. Jch muß ernſthaft mit dir re-
den, junger Menſch! Du faͤngſt an mir
truͤbe Tage zu machen. Du weißt, ich
habe dich nie eingeſchraͤnkt, mich in alle
deine Sachen gemiſcht, als deine Freun-
din, nie als Mutter. Warum faͤngſt du
mir denn jetzt an, ein Geheimniß aus
deinen Herzensangelegenheiten zu machen,
da du doch ſonſt keine deiner jugendlichen
Thorheiten vor mir geheim hielteſt, und
ich, weil ich ſelbſt ein Frauenzimmer bin,
dir allezeit den beſten Rath zu geben wußte.
(ſieht ihn ſteif an) Du faͤngſt an luͤderlich zu
werden, mein Sohn.
Junge Graf (ihr die Hand mit Thraͤnen kuͤſſend.)
Gnaͤdige Mutter, ich ſchwoͤre Jhnen, ich
habe
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