Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lenz, Jakob Michael Reinhold: Anmerkungen übers Theater, nebst angehängten übersetzten Stück Shakespears. Leipzig, 1774.

Bild:
<< vorherige Seite


Dümain. Wie verschlagen gegen die
Beschlagenheit!
Longaville. Er will einen Acker
besäen und doch läßt er das Unkraut
wachsen.
Biron. Die Gesselchen haben keine Fe-
dern, doch müssen sie schon gacksen.
Dümain. Wie paßt das hieher?
Longaville. Jch sehe keinen Sinn
drin.
Biron. So hör ich einen Reim drin.
Longaville. Biron ist wie ein neidi-
scher, beissender Frost, der die neuaufgekeim-
ten Kinder des Frühlings tödtet.
Biron. Warum prahlt ihr dann mit
Blüthen, eh noch die Vögel angefangen zu
singen? Soll ich eurer Fehlgeburten scho-
nen? Jch verlange so wenig um Weihnach-
ten eine Rose aufblühen zu sehen als in May-
blumen schneyen. Jedes Ding für seine Jahrs-
zeit, so ihr, jetzt ists für euch zu spät, das
heißt übers Haus steigen um ein Fenster
aufzumachen.
König. Gut, so bleibt draussen. Geht
heim Biron! Adieu.
Biron. Nein, mein Fürst! ich habe ge-
schworen. Obschon ich für die Barbarey ge-
sprochen, so will ich doch halten was ich schwur.
Reicht mir euren Zettel, ich will ihn durch-
gehen und dann meinen Namen unterschrei-
ben.
König.


Duͤmain. Wie verſchlagen gegen die
Beſchlagenheit!
Longaville. Er will einen Acker
beſaͤen und doch laͤßt er das Unkraut
wachſen.
Biron. Die Geſſelchen haben keine Fe-
dern, doch muͤſſen ſie ſchon gackſen.
Duͤmain. Wie paßt das hieher?
Longaville. Jch ſehe keinen Sinn
drin.
Biron. So hoͤr ich einen Reim drin.
Longaville. Biron iſt wie ein neidi-
ſcher, beiſſender Froſt, der die neuaufgekeim-
ten Kinder des Fruͤhlings toͤdtet.
Biron. Warum prahlt ihr dann mit
Bluͤthen, eh noch die Voͤgel angefangen zu
ſingen? Soll ich eurer Fehlgeburten ſcho-
nen? Jch verlange ſo wenig um Weihnach-
ten eine Roſe aufbluͤhen zu ſehen als in May-
blumen ſchneyen. Jedes Ding fuͤr ſeine Jahrs-
zeit, ſo ihr, jetzt iſts fuͤr euch zu ſpaͤt, das
heißt uͤbers Haus ſteigen um ein Fenſter
aufzumachen.
Koͤnig. Gut, ſo bleibt drauſſen. Geht
heim Biron! Adieu.
Biron. Nein, mein Fuͤrſt! ich habe ge-
ſchworen. Obſchon ich fuͤr die Barbarey ge-
ſprochen, ſo will ich doch halten was ich ſchwur.
Reicht mir euren Zettel, ich will ihn durch-
gehen und dann meinen Namen unterſchrei-
ben.
Koͤnig.
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <div n="3">
            <pb facs="#f0069" n="63"/>
            <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/>
            <sp>
              <speaker><hi rendition="#g">Du&#x0364;main</hi>.</speaker>
              <p>Wie ver&#x017F;chlagen gegen die<lb/>
Be&#x017F;chlagenheit!</p>
            </sp><lb/>
            <sp>
              <speaker><hi rendition="#g">Longaville</hi>.</speaker>
              <p>Er will einen Acker<lb/>
be&#x017F;a&#x0364;en und doch la&#x0364;ßt er das Unkraut<lb/>
wach&#x017F;en.</p>
            </sp><lb/>
            <sp>
              <speaker><hi rendition="#g">Biron</hi>.</speaker>
              <p>Die Ge&#x017F;&#x017F;elchen haben keine Fe-<lb/>
dern, doch mu&#x0364;&#x017F;&#x017F;en &#x017F;ie &#x017F;chon gack&#x017F;en.</p>
            </sp><lb/>
            <sp>
              <speaker><hi rendition="#g">Du&#x0364;main</hi>.</speaker>
              <p>Wie paßt das hieher?</p>
            </sp><lb/>
            <sp>
              <speaker><hi rendition="#g">Longaville</hi>.</speaker>
              <p>Jch &#x017F;ehe keinen Sinn<lb/>
drin.</p>
            </sp><lb/>
            <sp>
              <speaker><hi rendition="#g">Biron</hi>.</speaker>
              <p>So ho&#x0364;r ich einen Reim drin.</p>
            </sp><lb/>
            <sp>
              <speaker><hi rendition="#g">Longaville</hi>.</speaker>
              <p>Biron i&#x017F;t wie ein neidi-<lb/>
&#x017F;cher, bei&#x017F;&#x017F;ender Fro&#x017F;t, der die neuaufgekeim-<lb/>
ten Kinder des Fru&#x0364;hlings to&#x0364;dtet.</p>
            </sp><lb/>
            <sp>
              <speaker><hi rendition="#g">Biron</hi>.</speaker>
              <p>Warum prahlt ihr dann mit<lb/>
Blu&#x0364;then, eh noch die Vo&#x0364;gel angefangen zu<lb/>
&#x017F;ingen? Soll ich eurer Fehlgeburten &#x017F;cho-<lb/>
nen? Jch verlange &#x017F;o wenig um Weihnach-<lb/>
ten eine Ro&#x017F;e aufblu&#x0364;hen zu &#x017F;ehen als in May-<lb/>
blumen &#x017F;chneyen. Jedes Ding fu&#x0364;r &#x017F;eine Jahrs-<lb/>
zeit, &#x017F;o ihr, jetzt i&#x017F;ts fu&#x0364;r euch zu &#x017F;pa&#x0364;t, das<lb/>
heißt u&#x0364;bers Haus &#x017F;teigen um ein Fen&#x017F;ter<lb/>
aufzumachen.</p>
            </sp><lb/>
            <sp>
              <speaker><hi rendition="#g">Ko&#x0364;nig</hi>.</speaker>
              <p>Gut, &#x017F;o bleibt drau&#x017F;&#x017F;en. Geht<lb/>
heim Biron! Adieu.</p>
            </sp><lb/>
            <sp>
              <speaker><hi rendition="#g">Biron</hi>.</speaker>
              <p>Nein, mein Fu&#x0364;r&#x017F;t! ich habe ge-<lb/>
&#x017F;chworen. Ob&#x017F;chon ich fu&#x0364;r die Barbarey ge-<lb/>
&#x017F;prochen, &#x017F;o will ich doch halten was ich &#x017F;chwur.<lb/>
Reicht mir euren Zettel, ich will ihn durch-<lb/>
gehen und dann meinen Namen unter&#x017F;chrei-<lb/>
ben.</p>
            </sp><lb/>
            <fw place="bottom" type="catch"><hi rendition="#g">Ko&#x0364;nig</hi>.</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[63/0069] Duͤmain. Wie verſchlagen gegen die Beſchlagenheit! Longaville. Er will einen Acker beſaͤen und doch laͤßt er das Unkraut wachſen. Biron. Die Geſſelchen haben keine Fe- dern, doch muͤſſen ſie ſchon gackſen. Duͤmain. Wie paßt das hieher? Longaville. Jch ſehe keinen Sinn drin. Biron. So hoͤr ich einen Reim drin. Longaville. Biron iſt wie ein neidi- ſcher, beiſſender Froſt, der die neuaufgekeim- ten Kinder des Fruͤhlings toͤdtet. Biron. Warum prahlt ihr dann mit Bluͤthen, eh noch die Voͤgel angefangen zu ſingen? Soll ich eurer Fehlgeburten ſcho- nen? Jch verlange ſo wenig um Weihnach- ten eine Roſe aufbluͤhen zu ſehen als in May- blumen ſchneyen. Jedes Ding fuͤr ſeine Jahrs- zeit, ſo ihr, jetzt iſts fuͤr euch zu ſpaͤt, das heißt uͤbers Haus ſteigen um ein Fenſter aufzumachen. Koͤnig. Gut, ſo bleibt drauſſen. Geht heim Biron! Adieu. Biron. Nein, mein Fuͤrſt! ich habe ge- ſchworen. Obſchon ich fuͤr die Barbarey ge- ſprochen, ſo will ich doch halten was ich ſchwur. Reicht mir euren Zettel, ich will ihn durch- gehen und dann meinen Namen unterſchrei- ben. Koͤnig.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lenz_anmerkungen_1774
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lenz_anmerkungen_1774/69
Zitationshilfe: Lenz, Jakob Michael Reinhold: Anmerkungen übers Theater, nebst angehängten übersetzten Stück Shakespears. Leipzig, 1774, S. 63. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lenz_anmerkungen_1774/69>, abgerufen am 26.11.2024.