Lenz, Jakob Michael Reinhold: Anmerkungen übers Theater, nebst angehängten übersetzten Stück Shakespears. Leipzig, 1774. Biron. O werthe Gesellen! laßt uns einander umarmen. Wir sind so brav ge- wesen, als Fleisch und Blut es nur immer seyn kann. Die See will ebben und flu- then, der Himmel heitern und regnen, so kann auch junges Blut alten Gesetzen nicht gehorchen, so können wir die Ursache nicht auswurzeln, durch die wir existiren, und daher war es leicht voraus zu sehn, daß wir meineidig werden mußten. König. Also der zerrissene Brief war ein Liebes -- -- Biron. Obs war? und ihr fragt noch? wer kann die himmlische Rosaline sehen und nicht wie ein Jndianer, der die Sonn' aufgehen sieht, sein Haupt sklavisch vor- wärts bücken, und blind von Glanz mit niedriger Brust die Erde küssen? Welches vermessene Adlerauge könnte die Sonne un- ter ihren schwarzen Augbraunen ansehn, ohne zu weinen. König. Mit welcher Wuth du ihre Lobrede machst. Die Prinzeßin, meine Ge- bieterin ist ein helleuchtender Mond, sie ein Stern aus ihrem Gefolge, ein zwit- serndes Licht, das kaum gesehen wird. Biron. So sind denn meine Augen nicht Augen, und ich nicht Biron. Ha, gegen meine Liebe ist selbst der Tag Nacht, die auserlesensten Teints entschiedener Schön- heiten
Biron. O werthe Geſellen! laßt uns einander umarmen. Wir ſind ſo brav ge- weſen, als Fleiſch und Blut es nur immer ſeyn kann. Die See will ebben und flu- then, der Himmel heitern und regnen, ſo kann auch junges Blut alten Geſetzen nicht gehorchen, ſo koͤnnen wir die Urſache nicht auswurzeln, durch die wir exiſtiren, und daher war es leicht voraus zu ſehn, daß wir meineidig werden mußten. Koͤnig. Alſo der zerriſſene Brief war ein Liebes — — Biron. Obs war? und ihr fragt noch? wer kann die himmliſche Roſaline ſehen und nicht wie ein Jndianer, der die Sonn’ aufgehen ſieht, ſein Haupt ſklaviſch vor- waͤrts buͤcken, und blind von Glanz mit niedriger Bruſt die Erde kuͤſſen? Welches vermeſſene Adlerauge koͤnnte die Sonne un- ter ihren ſchwarzen Augbraunen anſehn, ohne zu weinen. Koͤnig. Mit welcher Wuth du ihre Lobrede machſt. Die Prinzeßin, meine Ge- bieterin iſt ein helleuchtender Mond, ſie ein Stern aus ihrem Gefolge, ein zwit- ſerndes Licht, das kaum geſehen wird. Biron. So ſind denn meine Augen nicht Augen, und ich nicht Biron. Ha, gegen meine Liebe iſt ſelbſt der Tag Nacht, die auserleſenſten Teints entſchiedener Schoͤn- heiten
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Biron. O werthe Geſellen! laßt uns
einander umarmen. Wir ſind ſo brav ge-
weſen, als Fleiſch und Blut es nur immer
ſeyn kann. Die See will ebben und flu-
then, der Himmel heitern und regnen, ſo
kann auch junges Blut alten Geſetzen nicht
gehorchen, ſo koͤnnen wir die Urſache nicht
auswurzeln, durch die wir exiſtiren, und
daher war es leicht voraus zu ſehn, daß
wir meineidig werden mußten.
Koͤnig. Alſo der zerriſſene Brief war
ein Liebes — —
Biron. Obs war? und ihr fragt noch?
wer kann die himmliſche Roſaline ſehen
und nicht wie ein Jndianer, der die Sonn’
aufgehen ſieht, ſein Haupt ſklaviſch vor-
waͤrts buͤcken, und blind von Glanz mit
niedriger Bruſt die Erde kuͤſſen? Welches
vermeſſene Adlerauge koͤnnte die Sonne un-
ter ihren ſchwarzen Augbraunen anſehn,
ohne zu weinen.
Koͤnig. Mit welcher Wuth du ihre
Lobrede machſt. Die Prinzeßin, meine Ge-
bieterin iſt ein helleuchtender Mond, ſie
ein Stern aus ihrem Gefolge, ein zwit-
ſerndes Licht, das kaum geſehen wird.
Biron. So ſind denn meine Augen
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gegen meine Liebe iſt ſelbſt der Tag Nacht,
die auserleſenſten Teints entſchiedener Schoͤn-
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Zitationshilfe: | Lenz, Jakob Michael Reinhold: Anmerkungen übers Theater, nebst angehängten übersetzten Stück Shakespears. Leipzig, 1774, S. 114. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lenz_anmerkungen_1774/120>, abgerufen am 03.07.2024. |