Lenau, Nikolaus: Gedichte. Stuttgart, 1832.Als sie am lauten Erlenbach Dem Wilhelm, freudetrunken, Das erste Wort der Liebe sprach, Und ihm ans Herz gesunken; Und er sie nannte "süße Braut!" -- "Das Alles ist vorüber!" So dachte sie, und schluchzte laut, Ihr Herz ward immer trüber. "Es kam der Feind im Sturmeslauf "Mit grimmen Todesstreichen; "Das Hüttlein sank ein Aschenhauf, "Die Eltern -- wunde Leichen. "Die Eltern todt! Er in die Welt! "Die Thräne rann vergebens! "Ich in die Nacht hinausgestellt "Des unbekannten Lebens! -- "Da glänzt' ein milder Strahl daher
"Im hoffnunglosen Dunkel, "Ein böses Irrlicht, lockend sehr "Mit lieblichem Gefunkel:" Als ſie am lauten Erlenbach Dem Wilhelm, freudetrunken, Das erſte Wort der Liebe ſprach, Und ihm ans Herz geſunken; Und er ſie nannte „ſuͤße Braut!“ — „Das Alles iſt voruͤber!“ So dachte ſie, und ſchluchzte laut, Ihr Herz ward immer truͤber. „Es kam der Feind im Sturmeslauf „Mit grimmen Todesſtreichen; „Das Huͤttlein ſank ein Aſchenhauf, „Die Eltern — wunde Leichen. „Die Eltern todt! Er in die Welt! „Die Thraͤne rann vergebens! „Ich in die Nacht hinausgeſtellt „Des unbekannten Lebens! — „Da glaͤnzt' ein milder Strahl daher
„Im hoffnungloſen Dunkel, „Ein boͤſes Irrlicht, lockend ſehr „Mit lieblichem Gefunkel:“ <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0044" n="30"/> <lg n="5"> <l>Als ſie am lauten Erlenbach</l><lb/> <l>Dem Wilhelm, freudetrunken,</l><lb/> <l>Das erſte Wort der Liebe ſprach,</l><lb/> <l>Und ihm ans Herz geſunken;</l><lb/> </lg> <lg n="6"> <l>Und er ſie nannte „ſuͤße Braut!“ —</l><lb/> <l>„Das Alles iſt voruͤber!“</l><lb/> <l>So dachte ſie, und ſchluchzte laut,</l><lb/> <l>Ihr Herz ward immer truͤber.</l><lb/> </lg> <lg n="7"> <l>„Es kam der Feind im Sturmeslauf</l><lb/> <l>„Mit grimmen Todesſtreichen;</l><lb/> <l>„Das Huͤttlein ſank ein Aſchenhauf,</l><lb/> <l>„Die Eltern — wunde Leichen.</l><lb/> </lg> <lg n="8"> <l>„Die Eltern todt! Er in die Welt!</l><lb/> <l>„Die Thraͤne rann vergebens!</l><lb/> <l>„Ich in die Nacht hinausgeſtellt</l><lb/> <l>„Des unbekannten Lebens! —</l><lb/> </lg> <lg n="9"> <l>„Da glaͤnzt' ein milder Strahl daher</l><lb/> <l>„Im hoffnungloſen Dunkel,</l><lb/> <l>„Ein boͤſes Irrlicht, lockend ſehr</l><lb/> <l>„Mit lieblichem Gefunkel:“</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [30/0044]
Als ſie am lauten Erlenbach
Dem Wilhelm, freudetrunken,
Das erſte Wort der Liebe ſprach,
Und ihm ans Herz geſunken;
Und er ſie nannte „ſuͤße Braut!“ —
„Das Alles iſt voruͤber!“
So dachte ſie, und ſchluchzte laut,
Ihr Herz ward immer truͤber.
„Es kam der Feind im Sturmeslauf
„Mit grimmen Todesſtreichen;
„Das Huͤttlein ſank ein Aſchenhauf,
„Die Eltern — wunde Leichen.
„Die Eltern todt! Er in die Welt!
„Die Thraͤne rann vergebens!
„Ich in die Nacht hinausgeſtellt
„Des unbekannten Lebens! —
„Da glaͤnzt' ein milder Strahl daher
„Im hoffnungloſen Dunkel,
„Ein boͤſes Irrlicht, lockend ſehr
„Mit lieblichem Gefunkel:“
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Zitationshilfe: | Lenau, Nikolaus: Gedichte. Stuttgart, 1832, S. 30. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lenau_gedichte_1832/44>, abgerufen am 28.07.2024. |