Lenau, Nikolaus: Gedichte. Stuttgart, 1832.Umhinke, deinen Bissen trag' im Magen, Und decke meinen Leib mit deinem Kleide, Bis diese dumpfe Trommel ausgeschlagen Den Trauermarsch: das Herz da stille steht, Und den vergessnen Staub der Wind verweht! -- Robert. Dich trösten wollen mag ein bittrer Spötter! Was einmal tief und wahrhaft dich gekränkt, Das bleibt auf ewig dir ins Mark gesenkt: Hier steht das Unglück höher als die Götter! Der Himmel mag vor deinen Gram sich lagern, All' seine Götterkräfte laß erglüh'n, Daß er die Seele dir von ihren Nagern Rein schaffe und sie wieder mache blüh'n: Wird er den Seelenwurm hinausbeschwören, Will er nicht Seel' und Wurm zugleich zerstören?! -- Daß einen treuen Freund an mir du hast, Bis sie mir einst im Dorfe drüben läuten, Wenn sie mich tragen zur ersehnten Rast, Das ist wohl wahr, doch hier kann's nichts bedeuten. -- Die Sonn' ist unter; -- wie die Nebel flattern, Vom Herbstwind aufgejagt, aus dunklem Moor! -- So war der Abend, als mir Laura schwor! -- Umhinke, deinen Biſſen trag' im Magen, Und decke meinen Leib mit deinem Kleide, Bis dieſe dumpfe Trommel ausgeſchlagen Den Trauermarſch: das Herz da ſtille ſteht, Und den vergeſſnen Staub der Wind verweht! — Robert. Dich troͤſten wollen mag ein bittrer Spoͤtter! Was einmal tief und wahrhaft dich gekraͤnkt, Das bleibt auf ewig dir ins Mark geſenkt: Hier ſteht das Ungluͤck hoͤher als die Goͤtter! Der Himmel mag vor deinen Gram ſich lagern, All' ſeine Goͤtterkraͤfte laß ergluͤh'n, Daß er die Seele dir von ihren Nagern Rein ſchaffe und ſie wieder mache bluͤh'n: Wird er den Seelenwurm hinausbeſchwoͤren, Will er nicht Seel' und Wurm zugleich zerſtoͤren?! — Daß einen treuen Freund an mir du haſt, Bis ſie mir einſt im Dorfe druͤben laͤuten, Wenn ſie mich tragen zur erſehnten Raſt, Das iſt wohl wahr, doch hier kann's nichts bedeuten. — Die Sonn' iſt unter; — wie die Nebel flattern, Vom Herbſtwind aufgejagt, aus dunklem Moor! — So war der Abend, als mir Laura ſchwor! — <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0209" n="195"/> <l>Umhinke, <hi rendition="#g">deinen</hi> Biſſen trag' im Magen,</l><lb/> <l>Und decke meinen Leib mit <hi rendition="#g">deinem</hi> Kleide,</l><lb/> <l>Bis dieſe dumpfe Trommel ausgeſchlagen</l><lb/> <l>Den Trauermarſch: das Herz da ſtille ſteht,</l><lb/> <l>Und den vergeſſnen Staub der Wind verweht! —</l><lb/> </lg> <p><hi rendition="#g">Robert</hi>.</p><lb/> <lg type="poem"> <l>Dich troͤſten wollen mag ein bittrer Spoͤtter!</l><lb/> <l>Was einmal tief und wahrhaft dich gekraͤnkt,</l><lb/> <l>Das bleibt auf ewig dir ins Mark geſenkt:</l><lb/> <l>Hier ſteht das Ungluͤck hoͤher als die Goͤtter!</l><lb/> <l>Der Himmel mag vor deinen Gram ſich lagern,</l><lb/> <l>All' ſeine Goͤtterkraͤfte laß ergluͤh'n,</l><lb/> <l>Daß er die Seele dir von ihren Nagern</l><lb/> <l>Rein ſchaffe und ſie wieder mache bluͤh'n:</l><lb/> <l>Wird er den Seelenwurm hinausbeſchwoͤren,</l><lb/> <l>Will er nicht Seel' und Wurm zugleich zerſtoͤren?! —</l><lb/> <l>Daß einen treuen Freund an mir du haſt,</l><lb/> <l>Bis ſie mir einſt im Dorfe druͤben laͤuten,</l><lb/> <l>Wenn ſie mich tragen zur erſehnten Raſt,</l><lb/> <l>Das iſt wohl wahr, doch hier kann's nichts bedeuten. —</l><lb/> <l>Die Sonn' iſt unter; — wie die Nebel flattern,</l><lb/> <l>Vom Herbſtwind aufgejagt, aus dunklem Moor! —</l><lb/> <l>So war der Abend, als mir Laura ſchwor! —</l><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [195/0209]
Umhinke, deinen Biſſen trag' im Magen,
Und decke meinen Leib mit deinem Kleide,
Bis dieſe dumpfe Trommel ausgeſchlagen
Den Trauermarſch: das Herz da ſtille ſteht,
Und den vergeſſnen Staub der Wind verweht! —
Robert.
Dich troͤſten wollen mag ein bittrer Spoͤtter!
Was einmal tief und wahrhaft dich gekraͤnkt,
Das bleibt auf ewig dir ins Mark geſenkt:
Hier ſteht das Ungluͤck hoͤher als die Goͤtter!
Der Himmel mag vor deinen Gram ſich lagern,
All' ſeine Goͤtterkraͤfte laß ergluͤh'n,
Daß er die Seele dir von ihren Nagern
Rein ſchaffe und ſie wieder mache bluͤh'n:
Wird er den Seelenwurm hinausbeſchwoͤren,
Will er nicht Seel' und Wurm zugleich zerſtoͤren?! —
Daß einen treuen Freund an mir du haſt,
Bis ſie mir einſt im Dorfe druͤben laͤuten,
Wenn ſie mich tragen zur erſehnten Raſt,
Das iſt wohl wahr, doch hier kann's nichts bedeuten. —
Die Sonn' iſt unter; — wie die Nebel flattern,
Vom Herbſtwind aufgejagt, aus dunklem Moor! —
So war der Abend, als mir Laura ſchwor! —
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Zitationshilfe: | Lenau, Nikolaus: Gedichte. Stuttgart, 1832, S. 195. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lenau_gedichte_1832/209>, abgerufen am 16.02.2025. |