Lenau, Nikolaus: Gedichte. Stuttgart, 1832.2. Horch! plötzlich stört ein Ruf die Einsamkeit: Klang's nicht aus der Kapelle öden Mauern? Wer ist es, der so wunderlich dort schreit, Daß mich's unheimlich faßt mit kaltem Schauern?! "Herr Gott! wir loben dich -- ha, ha, ha, ha!" Nun schweigt er still, der grause Gottverächter; Und donnernd ruft er nun: "Alleluiah!" Und überdonnernd folgt sein Hohngelächter. Da stürzt er sich vorbei voll scheuer Hast, Das wirre Haar von bleicher Wange streifend, Die Augen wild bewegt und ohne Rast, Irrlichter, in der Nacht des Wahnsinns schweifend. Er eilt waldein, von seinem Tritte rauscht
Das dürre Laub im dunkeln Eichenhaine; Wie sinnend bleibt er plötzlich stehn und lauscht, Und leise hör' ich's nun, als ob er weine. 2. Horch! ploͤtzlich ſtoͤrt ein Ruf die Einſamkeit: Klang's nicht aus der Kapelle oͤden Mauern? Wer iſt es, der ſo wunderlich dort ſchreit, Daß mich's unheimlich faßt mit kaltem Schauern?! „Herr Gott! wir loben dich — ha, ha, ha, ha!“ Nun ſchweigt er ſtill, der grauſe Gottveraͤchter; Und donnernd ruft er nun: „Alleluiah!“ Und uͤberdonnernd folgt ſein Hohngelaͤchter. Da ſtuͤrzt er ſich vorbei voll ſcheuer Haſt, Das wirre Haar von bleicher Wange ſtreifend, Die Augen wild bewegt und ohne Raſt, Irrlichter, in der Nacht des Wahnſinns ſchweifend. Er eilt waldein, von ſeinem Tritte rauſcht
Das duͤrre Laub im dunkeln Eichenhaine; Wie ſinnend bleibt er ploͤtzlich ſtehn und lauſcht, Und leiſe hoͤr' ich's nun, als ob er weine. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <pb facs="#f0194" n="180"/> </div> <div n="3"> <head> <hi rendition="#b">2.</hi><lb/> </head> <lg type="poem"> <lg n="1"> <l><hi rendition="#in">H</hi>orch! ploͤtzlich ſtoͤrt ein Ruf die Einſamkeit:</l><lb/> <l>Klang's nicht aus der Kapelle oͤden Mauern?</l><lb/> <l>Wer iſt es, der ſo wunderlich dort ſchreit,</l><lb/> <l>Daß mich's unheimlich faßt mit kaltem Schauern?!</l><lb/> </lg> <lg n="2"> <l>„Herr Gott! wir loben dich — ha, ha, ha, ha!“</l><lb/> <l>Nun ſchweigt er ſtill, der grauſe Gottveraͤchter;</l><lb/> <l>Und donnernd ruft er nun: „Alleluiah!“</l><lb/> <l>Und uͤberdonnernd folgt ſein Hohngelaͤchter.</l><lb/> </lg> <lg n="3"> <l>Da ſtuͤrzt er ſich vorbei voll ſcheuer Haſt,</l><lb/> <l>Das wirre Haar von bleicher Wange ſtreifend,</l><lb/> <l>Die Augen wild bewegt und ohne Raſt,</l><lb/> <l>Irrlichter, in der Nacht des Wahnſinns ſchweifend.</l><lb/> </lg> <lg n="4"> <l>Er eilt waldein, von ſeinem Tritte rauſcht</l><lb/> <l>Das duͤrre Laub im dunkeln Eichenhaine;</l><lb/> <l>Wie ſinnend bleibt er ploͤtzlich ſtehn und lauſcht,</l><lb/> <l>Und leiſe hoͤr' ich's nun, als ob er weine.</l><lb/> </lg> </lg> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [180/0194]
2.
Horch! ploͤtzlich ſtoͤrt ein Ruf die Einſamkeit:
Klang's nicht aus der Kapelle oͤden Mauern?
Wer iſt es, der ſo wunderlich dort ſchreit,
Daß mich's unheimlich faßt mit kaltem Schauern?!
„Herr Gott! wir loben dich — ha, ha, ha, ha!“
Nun ſchweigt er ſtill, der grauſe Gottveraͤchter;
Und donnernd ruft er nun: „Alleluiah!“
Und uͤberdonnernd folgt ſein Hohngelaͤchter.
Da ſtuͤrzt er ſich vorbei voll ſcheuer Haſt,
Das wirre Haar von bleicher Wange ſtreifend,
Die Augen wild bewegt und ohne Raſt,
Irrlichter, in der Nacht des Wahnſinns ſchweifend.
Er eilt waldein, von ſeinem Tritte rauſcht
Das duͤrre Laub im dunkeln Eichenhaine;
Wie ſinnend bleibt er ploͤtzlich ſtehn und lauſcht,
Und leiſe hoͤr' ich's nun, als ob er weine.
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Zitationshilfe: | Lenau, Nikolaus: Gedichte. Stuttgart, 1832, S. 180. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lenau_gedichte_1832/194>, abgerufen am 22.07.2024. |