Lenau, Nikolaus: Gedichte. Stuttgart, 1832.In das geschwätzig muntre Rauschen Des Baches froh hinabzulauschen, Wie Kinder lauschen, frohgespannt, Dem Wandrer, der von fernem Land, Von schönen Wundern viel erzählt Auf seiner Irrfahrt durch die Welt. -- O Nachtigall! du rufst vergebens Um Dauer dieses Wonnelebens! Bald glüht dein leztes Abendroth, In seinem Durste wird der Tod Hinweg die süßen Lieder trinken, Du wirst vom stillen Aste sinken! Ihr lieben Blümlein! trauet nicht Dem Mährchen, das der Wandrer spricht; Seht, seht, schon schwillt er brausend an, Im Walde schon die Stürme nah'n; Der Donner kommt, und voller schwillt Der Bach, der immer lauter brüllt; Er faßt euch an, er reißt euch los Aus eurer Mutter grünem Schoos! Wie dort die Rosenstaude bebt! Nun sich zu ihr der Wilde hebt; Sie schwankt in ihrem Blüthenkleid, Da sie der Strom frohlockend wiegt; In das geſchwaͤtzig muntre Rauſchen Des Baches froh hinabzulauſchen, Wie Kinder lauſchen, frohgeſpannt, Dem Wandrer, der von fernem Land, Von ſchoͤnen Wundern viel erzaͤhlt Auf ſeiner Irrfahrt durch die Welt. — O Nachtigall! du rufſt vergebens Um Dauer dieſes Wonnelebens! Bald gluͤht dein leztes Abendroth, In ſeinem Durſte wird der Tod Hinweg die ſuͤßen Lieder trinken, Du wirſt vom ſtillen Aſte ſinken! Ihr lieben Bluͤmlein! trauet nicht Dem Maͤhrchen, das der Wandrer ſpricht; Seht, ſeht, ſchon ſchwillt er brauſend an, Im Walde ſchon die Stuͤrme nah'n; Der Donner kommt, und voller ſchwillt Der Bach, der immer lauter bruͤllt; Er faßt euch an, er reißt euch los Aus eurer Mutter gruͤnem Schoos! Wie dort die Roſenſtaude bebt! Nun ſich zu ihr der Wilde hebt; Sie ſchwankt in ihrem Bluͤthenkleid, Da ſie der Strom frohlockend wiegt; <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <lg type="poem"> <pb facs="#f0182" n="168"/> <l>In das geſchwaͤtzig muntre Rauſchen</l><lb/> <l>Des Baches froh hinabzulauſchen,</l><lb/> <l>Wie Kinder lauſchen, frohgeſpannt,</l><lb/> <l>Dem Wandrer, der von fernem Land,</l><lb/> <l>Von ſchoͤnen Wundern viel erzaͤhlt</l><lb/> <l>Auf ſeiner Irrfahrt durch die Welt. —</l><lb/> <l>O Nachtigall! du rufſt vergebens</l><lb/> <l>Um Dauer dieſes Wonnelebens!</l><lb/> <l>Bald gluͤht dein leztes Abendroth,</l><lb/> <l>In ſeinem Durſte wird der Tod</l><lb/> <l>Hinweg die ſuͤßen Lieder trinken,</l><lb/> <l>Du wirſt vom ſtillen Aſte ſinken!</l><lb/> <l>Ihr lieben Bluͤmlein! trauet nicht</l><lb/> <l>Dem Maͤhrchen, das der Wandrer ſpricht;</l><lb/> <l>Seht, ſeht, ſchon ſchwillt er brauſend an,</l><lb/> <l>Im Walde ſchon die Stuͤrme nah'n;</l><lb/> <l>Der Donner kommt, und voller ſchwillt</l><lb/> <l>Der Bach, der immer lauter bruͤllt;</l><lb/> <l>Er faßt euch an, er reißt euch los</l><lb/> <l>Aus eurer Mutter gruͤnem Schoos!</l><lb/> <l>Wie dort die Roſenſtaude bebt!</l><lb/> <l>Nun ſich zu ihr der Wilde hebt;</l><lb/> <l>Sie ſchwankt in ihrem Bluͤthenkleid,</l><lb/> <l>Da ſie der Strom frohlockend wiegt;</l><lb/> </lg> </div> </div> </body> </text> </TEI> [168/0182]
In das geſchwaͤtzig muntre Rauſchen
Des Baches froh hinabzulauſchen,
Wie Kinder lauſchen, frohgeſpannt,
Dem Wandrer, der von fernem Land,
Von ſchoͤnen Wundern viel erzaͤhlt
Auf ſeiner Irrfahrt durch die Welt. —
O Nachtigall! du rufſt vergebens
Um Dauer dieſes Wonnelebens!
Bald gluͤht dein leztes Abendroth,
In ſeinem Durſte wird der Tod
Hinweg die ſuͤßen Lieder trinken,
Du wirſt vom ſtillen Aſte ſinken!
Ihr lieben Bluͤmlein! trauet nicht
Dem Maͤhrchen, das der Wandrer ſpricht;
Seht, ſeht, ſchon ſchwillt er brauſend an,
Im Walde ſchon die Stuͤrme nah'n;
Der Donner kommt, und voller ſchwillt
Der Bach, der immer lauter bruͤllt;
Er faßt euch an, er reißt euch los
Aus eurer Mutter gruͤnem Schoos!
Wie dort die Roſenſtaude bebt!
Nun ſich zu ihr der Wilde hebt;
Sie ſchwankt in ihrem Bluͤthenkleid,
Da ſie der Strom frohlockend wiegt;
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