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Lenau, Nikolaus: Gedichte. Stuttgart, 1832.

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Und die Thränen seh' ich blinken
Auf der Wang' im Freudenglast,
Und sie zittern und sie winken
Alle Welt herein zu Gast. --
Als ich einst am Sterbebette
Eines lieben Freundes stand,
Und der Tod die Rosenkette
Kalt uns aus den Händen wand;
Weint' ich ihm die lezte Oehlung,
Und -- schon lag er still und blaß,
Und in seines Auges Höhlung
Mild noch eine Thräne saß,
War so heilig anzuschauen,
Wies die Sehnsucht himmelan,
Wie der Engel, den die Frauen
Einst am Grabe Jesu sahn.

Und die Thraͤnen ſeh' ich blinken
Auf der Wang' im Freudenglaſt,
Und ſie zittern und ſie winken
Alle Welt herein zu Gaſt. —
Als ich einſt am Sterbebette
Eines lieben Freundes ſtand,
Und der Tod die Roſenkette
Kalt uns aus den Haͤnden wand;
Weint' ich ihm die lezte Oehlung,
Und — ſchon lag er ſtill und blaß,
Und in ſeines Auges Hoͤhlung
Mild noch eine Thraͤne ſaß,
War ſo heilig anzuſchauen,
Wies die Sehnſucht himmelan,
Wie der Engel, den die Frauen
Einſt am Grabe Jeſu ſahn.

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[103/0117] Und die Thraͤnen ſeh' ich blinken Auf der Wang' im Freudenglaſt, Und ſie zittern und ſie winken Alle Welt herein zu Gaſt. — Als ich einſt am Sterbebette Eines lieben Freundes ſtand, Und der Tod die Roſenkette Kalt uns aus den Haͤnden wand; Weint' ich ihm die lezte Oehlung, Und — ſchon lag er ſtill und blaß, Und in ſeines Auges Hoͤhlung Mild noch eine Thraͤne ſaß, War ſo heilig anzuſchauen, Wies die Sehnſucht himmelan, Wie der Engel, den die Frauen Einſt am Grabe Jeſu ſahn.

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Zitationshilfe: Lenau, Nikolaus: Gedichte. Stuttgart, 1832, S. 103. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lenau_gedichte_1832/117>, abgerufen am 02.05.2024.