Leisewitz, Johann Anton: Julius von Tarent. Leipzig, 1776.Ach ich habe ja schon einmal das Entzücken der Andacht gefühlt; sie ist mit der Liebe die erste Empfindung unsrer Natur. Und sind sie nicht verwandt, verschiedne Gesänge auf eine Melodie? -- Jch glaubte mich schon so stark, und die Erde schon unter meinen Füssen; -- Sein Bild, sein Bild! -- ich sank ganz zurück, und sah mit Er- staunen, daß ich kaum einen Schritt zurück sank -- arme Blanka! (weint) Siebenter Auftritt. Aebtissin. (tritt auf) Guten Abend, Schwester, was machst Du? Blanka. Jch weine. Aebtissin. Uebereile Dich nicht, Du brauchst noch lange Thränen. Blanka. Noch lange? -- aber sind Thrä- nen nicht wieder unsre Gelübde? Aebtissin. Jch hoff' es nicht. Nur Tha- ten, nicht Empfindungen kan ja der schwache Sterbliche geloben. Blanka. Gut, ich bin ein Weib, und bin ich nicht das, was ich seyn soll? ich beneide keine Heilige, gönn' ihr ihren Weihrauch, ihren Glanz, und ihre Palmen, ihr Bild unter Engeln stehe immer auf Altären, werde in Prozessionen getra- Ach ich habe ja ſchon einmal das Entzuͤcken der Andacht gefuͤhlt; ſie iſt mit der Liebe die erſte Empfindung unſrer Natur. Und ſind ſie nicht verwandt, verſchiedne Geſaͤnge auf eine Melodie? — Jch glaubte mich ſchon ſo ſtark, und die Erde ſchon unter meinen Fuͤſſen; — Sein Bild, ſein Bild! — ich ſank ganz zuruͤck, und ſah mit Er- ſtaunen, daß ich kaum einen Schritt zuruͤck ſank — arme Blanka! (weint) Siebenter Auftritt. Aebtiſſin. (tritt auf) Guten Abend, Schweſter, was machſt Du? Blanka. Jch weine. Aebtiſſin. Uebereile Dich nicht, Du brauchſt noch lange Thraͤnen. Blanka. Noch lange? — aber ſind Thraͤ- nen nicht wieder unſre Geluͤbde? Aebtiſſin. Jch hoff’ es nicht. Nur Tha- ten, nicht Empfindungen kan ja der ſchwache Sterbliche geloben. Blanka. Gut, ich bin ein Weib, und bin ich nicht das, was ich ſeyn ſoll? ich beneide keine Heilige, goͤnn’ ihr ihren Weihrauch, ihren Glanz, und ihre Palmen, ihr Bild unter Engeln ſtehe immer auf Altaͤren, werde in Prozeſſionen getra- <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <sp who="#BLA"> <pb facs="#f0078" n="74"/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p>Ach ich habe ja ſchon einmal das Entzuͤcken<lb/> der Andacht gefuͤhlt; ſie iſt mit der Liebe die erſte<lb/> Empfindung unſrer Natur. Und ſind ſie nicht<lb/> verwandt, verſchiedne Geſaͤnge auf eine Melodie?<lb/> — Jch glaubte mich ſchon ſo ſtark, und die Erde<lb/> ſchon unter meinen Fuͤſſen; — Sein Bild, ſein<lb/> Bild! — ich ſank ganz zuruͤck, und ſah mit Er-<lb/> ſtaunen, daß ich kaum einen Schritt zuruͤck ſank<lb/> — arme Blanka! <stage>(weint)</stage></p> </sp> </div><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Siebenter Auftritt</hi>.</hi> </head><lb/> <sp who="#AEB"> <speaker rendition="#c">Aebtiſſin.</speaker> <stage rendition="#c">(tritt auf)</stage><lb/> <p>Guten Abend, Schweſter, was machſt Du?</p> </sp><lb/> <sp who="#BLA"> <speaker>Blanka.</speaker> <p>Jch weine.</p> </sp><lb/> <sp who="#AEB"> <speaker>Aebtiſſin.</speaker> <p>Uebereile Dich nicht, Du brauchſt<lb/> noch lange Thraͤnen.</p> </sp><lb/> <sp who="#BLA"> <speaker>Blanka.</speaker> <p>Noch lange? — aber ſind Thraͤ-<lb/> nen nicht wieder unſre Geluͤbde?</p> </sp><lb/> <sp who="#AEB"> <speaker>Aebtiſſin.</speaker> <p>Jch hoff’ es nicht. Nur Tha-<lb/> ten, nicht Empfindungen kan ja der ſchwache<lb/> Sterbliche geloben.</p> </sp><lb/> <sp who="#BLA"> <speaker>Blanka.</speaker> <p>Gut, ich bin ein Weib, und bin<lb/> ich nicht das, was ich ſeyn ſoll? ich beneide keine<lb/> Heilige, goͤnn’ ihr ihren Weihrauch, ihren Glanz,<lb/> und ihre Palmen, ihr Bild unter Engeln ſtehe<lb/> immer auf Altaͤren, werde in Prozeſſionen getra-<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [74/0078]
Ach ich habe ja ſchon einmal das Entzuͤcken
der Andacht gefuͤhlt; ſie iſt mit der Liebe die erſte
Empfindung unſrer Natur. Und ſind ſie nicht
verwandt, verſchiedne Geſaͤnge auf eine Melodie?
— Jch glaubte mich ſchon ſo ſtark, und die Erde
ſchon unter meinen Fuͤſſen; — Sein Bild, ſein
Bild! — ich ſank ganz zuruͤck, und ſah mit Er-
ſtaunen, daß ich kaum einen Schritt zuruͤck ſank
— arme Blanka! (weint)
Siebenter Auftritt.
Aebtiſſin. (tritt auf)
Guten Abend, Schweſter, was machſt Du?
Blanka. Jch weine.
Aebtiſſin. Uebereile Dich nicht, Du brauchſt
noch lange Thraͤnen.
Blanka. Noch lange? — aber ſind Thraͤ-
nen nicht wieder unſre Geluͤbde?
Aebtiſſin. Jch hoff’ es nicht. Nur Tha-
ten, nicht Empfindungen kan ja der ſchwache
Sterbliche geloben.
Blanka. Gut, ich bin ein Weib, und bin
ich nicht das, was ich ſeyn ſoll? ich beneide keine
Heilige, goͤnn’ ihr ihren Weihrauch, ihren Glanz,
und ihre Palmen, ihr Bild unter Engeln ſtehe
immer auf Altaͤren, werde in Prozeſſionen getra-
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