Leisewitz, Johann Anton: Julius von Tarent. Leipzig, 1776.Dritter Aufzug. Erster Auftritt. Der Fürst. Caecilia. Julius. Guido. Der Erzbischoff. (Hofleute beyderley Geschlechts in Galla, unter ihnen Aspermonte. -- Alle sind schon gegenwär- tig, der Fürst sizt mit bedecktem Haupt auf einem Sessel, neben ihm stehen seine Söhne und sein Bruder, die andern im halben Zirkel.) Fürst. (steht auf und tritt mit entblösstem Haupte in die Mitte der Versammlung.) Jch dank' euch, meine Freunde, ich dank' euch. Wahr- scheinlich feyr' ich heute meinen Geburtstag als Fürst zum leztenmal. -- (Pause) Jch gehöre nicht zu den Greisen, die nicht wissen, daß sie alt sind; und wenn mich auch der Tod nicht ruft, so denk' ich doch in kurzem den Hirtenstab meinem Sohn zu geben. Meine Sonne ist schon untergegangen, und ich wolte so gern in der kühlen Dämmerung mit Ruhe das lange Tagwerk noch einmahl überschauen. Jch hoffe, mein Gewissen wird mir nichts unangeneh- mes zeigen. Freylich ist der Rand des Grabes der rechte Standpunkt zu dieser Uebersicht. Jede Nation solte eine Geschichte der lezten Augenblicke Dritter Aufzug. Erſter Auftritt. Der Fuͤrſt. Caecilia. Julius. Guido. Der Erzbiſchoff. (Hofleute beyderley Geſchlechts in Galla, unter ihnen Aſpermonte. — Alle ſind ſchon gegenwaͤr- tig, der Fuͤrſt ſizt mit bedecktem Haupt auf einem Seſſel, neben ihm ſtehen ſeine Soͤhne und ſein Bruder, die andern im halben Zirkel.) Fuͤrſt. (ſteht auf und tritt mit entbloͤſſtem Haupte in die Mitte der Verſammlung.) Jch dank’ euch, meine Freunde, ich dank’ euch. Wahr- ſcheinlich feyr’ ich heute meinen Geburtstag als Fuͤrſt zum leztenmal. — (Pauſe) Jch gehoͤre nicht zu den Greiſen, die nicht wiſſen, daß ſie alt ſind; und wenn mich auch der Tod nicht ruft, ſo denk’ ich doch in kurzem den Hirtenſtab meinem Sohn zu geben. Meine Sonne iſt ſchon untergegangen, und ich wolte ſo gern in der kuͤhlen Daͤmmerung mit Ruhe das lange Tagwerk noch einmahl uͤberſchauen. Jch hoffe, mein Gewiſſen wird mir nichts unangeneh- mes zeigen. Freylich iſt der Rand des Grabes der rechte Standpunkt zu dieſer Ueberſicht. Jede Nation ſolte eine Geſchichte der lezten Augenblicke <TEI> <text> <body> <pb facs="#f0059" n="55"/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="1"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Dritter Aufzug</hi>.</hi> </head><lb/> <div n="2"> <head> <hi rendition="#b"><hi rendition="#g">Erſter Auftritt</hi>.</hi> </head><lb/> <stage> <hi rendition="#c">Der Fuͤrſt. Caecilia. Julius. Guido. Der<lb/> Erzbiſchoff.</hi> </stage><lb/> <stage>(Hofleute beyderley Geſchlechts in Galla, unter<lb/> ihnen Aſpermonte. — Alle ſind ſchon gegenwaͤr-<lb/> tig, der Fuͤrſt ſizt mit bedecktem Haupt auf einem<lb/> Seſſel, neben ihm ſtehen ſeine Soͤhne und ſein<lb/> Bruder, die andern im halben Zirkel.)</stage><lb/> <sp who="#CON"> <speaker>Fuͤrſt.</speaker> <stage>(ſteht auf und tritt mit entbloͤſſtem<lb/> Haupte in die Mitte der Verſammlung.)</stage> <p>Jch<lb/> dank’ euch, meine Freunde, ich dank’ euch. Wahr-<lb/> ſcheinlich feyr’ ich heute meinen Geburtstag als<lb/> Fuͤrſt zum leztenmal. — <stage>(Pauſe)</stage></p><lb/> <p>Jch gehoͤre nicht zu den Greiſen, die nicht<lb/> wiſſen, daß ſie alt ſind; und wenn mich auch der<lb/> Tod nicht ruft, ſo denk’ ich doch in kurzem den<lb/> Hirtenſtab meinem Sohn zu geben. Meine<lb/> Sonne iſt ſchon untergegangen, und ich wolte ſo<lb/> gern in der kuͤhlen Daͤmmerung mit Ruhe das<lb/> lange Tagwerk noch einmahl uͤberſchauen. Jch<lb/> hoffe, mein Gewiſſen wird mir nichts unangeneh-<lb/> mes zeigen. Freylich iſt der Rand des Grabes<lb/> der rechte Standpunkt zu dieſer Ueberſicht. Jede<lb/> Nation ſolte eine Geſchichte der lezten Augenblicke<lb/></p> </sp> </div> </div> </body> </text> </TEI> [55/0059]
Dritter Aufzug.
Erſter Auftritt.
Der Fuͤrſt. Caecilia. Julius. Guido. Der
Erzbiſchoff.
(Hofleute beyderley Geſchlechts in Galla, unter
ihnen Aſpermonte. — Alle ſind ſchon gegenwaͤr-
tig, der Fuͤrſt ſizt mit bedecktem Haupt auf einem
Seſſel, neben ihm ſtehen ſeine Soͤhne und ſein
Bruder, die andern im halben Zirkel.)
Fuͤrſt. (ſteht auf und tritt mit entbloͤſſtem
Haupte in die Mitte der Verſammlung.) Jch
dank’ euch, meine Freunde, ich dank’ euch. Wahr-
ſcheinlich feyr’ ich heute meinen Geburtstag als
Fuͤrſt zum leztenmal. — (Pauſe)
Jch gehoͤre nicht zu den Greiſen, die nicht
wiſſen, daß ſie alt ſind; und wenn mich auch der
Tod nicht ruft, ſo denk’ ich doch in kurzem den
Hirtenſtab meinem Sohn zu geben. Meine
Sonne iſt ſchon untergegangen, und ich wolte ſo
gern in der kuͤhlen Daͤmmerung mit Ruhe das
lange Tagwerk noch einmahl uͤberſchauen. Jch
hoffe, mein Gewiſſen wird mir nichts unangeneh-
mes zeigen. Freylich iſt der Rand des Grabes
der rechte Standpunkt zu dieſer Ueberſicht. Jede
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Zitationshilfe: | Leisewitz, Johann Anton: Julius von Tarent. Leipzig, 1776, S. 55. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/leisewitz_julius_1776/59>, abgerufen am 16.02.2025. |