Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

Bild:
<< vorherige Seite
Die australischen Gewässer.

In der Bevölkerung Australiens spiegelt sich auch das Pro-
ductionsleben des Landes.

In Australien bildet, wie oben erwähnt, Ackerbau und Viehzucht
die breite Grundlage aller Existenz. Die gut bewässerten Küstenstriche
können noch Millionen Farmer aufnehmen, das wasserarme Innere
bleibt wohl für immer der Viehzucht verfallen, und zwar nur dem
genügsamen Schafe. Wir brauchen nicht erst zu erinnern, dass die
unermesslichen Schafherden des Landes die bedeutendste Quelle seines
Reichthums sind und dass die 150 Millionen Ballen australischer
Wolle in stets zunehmender Weise den Weltmarkt beherrschen.
Die Schafzucht spielt daher eine so grosse Rolle, dass der Gegensatz
zwischen Ackerboden und Weideland in viele Verhältnisse hineingreift
und mancherlei Interessen gegeneinander in Bewegung setzt. Der
Ackerbauer widmet sich der Cultur des Getreides oder des Weines,
welcher sehr gute Resultate verspricht, dann aber auch, wie in
Queensland, der Production von Zucker. Beim Ackerbau wird durch
die Gesetzgebung die Bildung des Grossgrundbesitzes verhindert, da
niemand mehr als 500 Acres besitzen darf; man will eben einen
gesunden Farmerstand. Da Australiens Absatz überwiegend für den
Export bestimmt ist, so förderte dieser Umstand das Emporkommen
eines tüchtigen Kaufmannsstandes im Vereine mit allen die grossen
geschäftlichen Transactionen erleichternden Einrichtungen. Hieher
zählt insbesondere auch das breit entwickelte Bankwesen, welches
nicht nur dem eigentlichen Handel dient, sondern den vielen Opera-
tionen sich widmet, welche mit dem Erwerbe und mit der Bebauung
von Land verbunden sind.

Aber auch das rein gewerbliche Fach bis hinauf zur grösseren
industriellen Thätigkeit ist in Australien schon stattlich vertreten und
ermöglicht es, einen grossen Theil der Bedürfnisse im Lande selbst
zu erzeugen und sich vom Import unabhängig zu machen.

Trotz alledem steht aber Australien erst im Beginn seiner Ent-
wicklung.

Noch ist die Bevölkerung ausserordentlich dünn, (0·5 Einwoh-
ner per Quadratkilometer) noch sind weite Strecken Landes kaum be-
nützt. Viel Raum für schaffende Arbeit ist vorhanden, aber der feste
Grund ist gelegt, die tüchtigen Kernpunkte sind vorhanden,
Richtung und Signatur sind gegeben. Der fünfte Welttheil hat eine
gesicherte und eine grosse Zukunft vor sich und kann auch inso-
ferne als ein glückliches Land gepriesen werden, als dessen völlig
abgeschlossene Lage ihn leicht vor auswärtigen Störungen und vor

Die australischen Gewässer.

In der Bevölkerung Australiens spiegelt sich auch das Pro-
ductionsleben des Landes.

In Australien bildet, wie oben erwähnt, Ackerbau und Viehzucht
die breite Grundlage aller Existenz. Die gut bewässerten Küstenstriche
können noch Millionen Farmer aufnehmen, das wasserarme Innere
bleibt wohl für immer der Viehzucht verfallen, und zwar nur dem
genügsamen Schafe. Wir brauchen nicht erst zu erinnern, dass die
unermesslichen Schafherden des Landes die bedeutendste Quelle seines
Reichthums sind und dass die 150 Millionen Ballen australischer
Wolle in stets zunehmender Weise den Weltmarkt beherrschen.
Die Schafzucht spielt daher eine so grosse Rolle, dass der Gegensatz
zwischen Ackerboden und Weideland in viele Verhältnisse hineingreift
und mancherlei Interessen gegeneinander in Bewegung setzt. Der
Ackerbauer widmet sich der Cultur des Getreides oder des Weines,
welcher sehr gute Resultate verspricht, dann aber auch, wie in
Queensland, der Production von Zucker. Beim Ackerbau wird durch
die Gesetzgebung die Bildung des Grossgrundbesitzes verhindert, da
niemand mehr als 500 Acres besitzen darf; man will eben einen
gesunden Farmerstand. Da Australiens Absatz überwiegend für den
Export bestimmt ist, so förderte dieser Umstand das Emporkommen
eines tüchtigen Kaufmannsstandes im Vereine mit allen die grossen
geschäftlichen Transactionen erleichternden Einrichtungen. Hieher
zählt insbesondere auch das breit entwickelte Bankwesen, welches
nicht nur dem eigentlichen Handel dient, sondern den vielen Opera-
tionen sich widmet, welche mit dem Erwerbe und mit der Bebauung
von Land verbunden sind.

Aber auch das rein gewerbliche Fach bis hinauf zur grösseren
industriellen Thätigkeit ist in Australien schon stattlich vertreten und
ermöglicht es, einen grossen Theil der Bedürfnisse im Lande selbst
zu erzeugen und sich vom Import unabhängig zu machen.

Trotz alledem steht aber Australien erst im Beginn seiner Ent-
wicklung.

Noch ist die Bevölkerung ausserordentlich dünn, (0·5 Einwoh-
ner per Quadratkilometer) noch sind weite Strecken Landes kaum be-
nützt. Viel Raum für schaffende Arbeit ist vorhanden, aber der feste
Grund ist gelegt, die tüchtigen Kernpunkte sind vorhanden,
Richtung und Signatur sind gegeben. Der fünfte Welttheil hat eine
gesicherte und eine grosse Zukunft vor sich und kann auch inso-
ferne als ein glückliches Land gepriesen werden, als dessen völlig
abgeschlossene Lage ihn leicht vor auswärtigen Störungen und vor

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <div n="2">
          <pb facs="#f0822" n="806"/>
          <fw place="top" type="header">Die australischen Gewässer.</fw><lb/>
          <p>In der Bevölkerung Australiens spiegelt sich auch das Pro-<lb/>
ductionsleben des Landes.</p><lb/>
          <p>In Australien bildet, wie oben erwähnt, Ackerbau und Viehzucht<lb/>
die breite Grundlage aller Existenz. Die gut bewässerten Küstenstriche<lb/>
können noch Millionen Farmer aufnehmen, das wasserarme Innere<lb/>
bleibt wohl für immer der Viehzucht verfallen, und zwar nur dem<lb/>
genügsamen Schafe. Wir brauchen nicht erst zu erinnern, dass die<lb/>
unermesslichen Schafherden des Landes die bedeutendste Quelle seines<lb/>
Reichthums sind und dass die 150 Millionen Ballen australischer<lb/>
Wolle in stets zunehmender Weise den Weltmarkt beherrschen.<lb/>
Die Schafzucht spielt daher eine so grosse Rolle, dass der Gegensatz<lb/>
zwischen Ackerboden und Weideland in viele Verhältnisse hineingreift<lb/>
und mancherlei Interessen gegeneinander in Bewegung setzt. Der<lb/>
Ackerbauer widmet sich der Cultur des Getreides oder des Weines,<lb/>
welcher sehr gute Resultate verspricht, dann aber auch, wie in<lb/>
Queensland, der Production von Zucker. Beim Ackerbau wird durch<lb/>
die Gesetzgebung die Bildung des Grossgrundbesitzes verhindert, da<lb/>
niemand mehr als 500 Acres besitzen darf; man will eben einen<lb/>
gesunden Farmerstand. Da Australiens Absatz überwiegend für den<lb/>
Export bestimmt ist, so förderte dieser Umstand das Emporkommen<lb/>
eines tüchtigen Kaufmannsstandes im Vereine mit allen die grossen<lb/>
geschäftlichen Transactionen erleichternden Einrichtungen. Hieher<lb/>
zählt insbesondere auch das breit entwickelte Bankwesen, welches<lb/>
nicht nur dem eigentlichen Handel dient, sondern den vielen Opera-<lb/>
tionen sich widmet, welche mit dem Erwerbe und mit der Bebauung<lb/>
von Land verbunden sind.</p><lb/>
          <p>Aber auch das rein gewerbliche Fach bis hinauf zur grösseren<lb/>
industriellen Thätigkeit ist in Australien schon stattlich vertreten und<lb/>
ermöglicht es, einen grossen Theil der Bedürfnisse im Lande selbst<lb/>
zu erzeugen und sich vom Import unabhängig zu machen.</p><lb/>
          <p>Trotz alledem steht aber Australien erst im Beginn seiner Ent-<lb/>
wicklung.</p><lb/>
          <p>Noch ist die Bevölkerung ausserordentlich dünn, (0·5 Einwoh-<lb/>
ner per Quadratkilometer) noch sind weite Strecken Landes kaum be-<lb/>
nützt. Viel Raum für schaffende Arbeit ist vorhanden, aber der feste<lb/>
Grund ist gelegt, die tüchtigen Kernpunkte sind vorhanden,<lb/>
Richtung und Signatur sind gegeben. Der fünfte Welttheil hat eine<lb/>
gesicherte und eine grosse Zukunft vor sich und kann auch inso-<lb/>
ferne als ein glückliches Land gepriesen werden, als dessen völlig<lb/>
abgeschlossene Lage ihn leicht vor auswärtigen Störungen und vor<lb/></p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[806/0822] Die australischen Gewässer. In der Bevölkerung Australiens spiegelt sich auch das Pro- ductionsleben des Landes. In Australien bildet, wie oben erwähnt, Ackerbau und Viehzucht die breite Grundlage aller Existenz. Die gut bewässerten Küstenstriche können noch Millionen Farmer aufnehmen, das wasserarme Innere bleibt wohl für immer der Viehzucht verfallen, und zwar nur dem genügsamen Schafe. Wir brauchen nicht erst zu erinnern, dass die unermesslichen Schafherden des Landes die bedeutendste Quelle seines Reichthums sind und dass die 150 Millionen Ballen australischer Wolle in stets zunehmender Weise den Weltmarkt beherrschen. Die Schafzucht spielt daher eine so grosse Rolle, dass der Gegensatz zwischen Ackerboden und Weideland in viele Verhältnisse hineingreift und mancherlei Interessen gegeneinander in Bewegung setzt. Der Ackerbauer widmet sich der Cultur des Getreides oder des Weines, welcher sehr gute Resultate verspricht, dann aber auch, wie in Queensland, der Production von Zucker. Beim Ackerbau wird durch die Gesetzgebung die Bildung des Grossgrundbesitzes verhindert, da niemand mehr als 500 Acres besitzen darf; man will eben einen gesunden Farmerstand. Da Australiens Absatz überwiegend für den Export bestimmt ist, so förderte dieser Umstand das Emporkommen eines tüchtigen Kaufmannsstandes im Vereine mit allen die grossen geschäftlichen Transactionen erleichternden Einrichtungen. Hieher zählt insbesondere auch das breit entwickelte Bankwesen, welches nicht nur dem eigentlichen Handel dient, sondern den vielen Opera- tionen sich widmet, welche mit dem Erwerbe und mit der Bebauung von Land verbunden sind. Aber auch das rein gewerbliche Fach bis hinauf zur grösseren industriellen Thätigkeit ist in Australien schon stattlich vertreten und ermöglicht es, einen grossen Theil der Bedürfnisse im Lande selbst zu erzeugen und sich vom Import unabhängig zu machen. Trotz alledem steht aber Australien erst im Beginn seiner Ent- wicklung. Noch ist die Bevölkerung ausserordentlich dünn, (0·5 Einwoh- ner per Quadratkilometer) noch sind weite Strecken Landes kaum be- nützt. Viel Raum für schaffende Arbeit ist vorhanden, aber der feste Grund ist gelegt, die tüchtigen Kernpunkte sind vorhanden, Richtung und Signatur sind gegeben. Der fünfte Welttheil hat eine gesicherte und eine grosse Zukunft vor sich und kann auch inso- ferne als ein glückliches Land gepriesen werden, als dessen völlig abgeschlossene Lage ihn leicht vor auswärtigen Störungen und vor

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/822
Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 806. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/822>, abgerufen am 24.11.2024.