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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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Die atlantische Küste von Afrika.
in portugiesischen, dann in holländischen Händen. Dort ist ein starkes
Castell, knapp an der See, ein massiver, unregelmässiger Steinbau,
innerhalb dessen sich mehrere Regierungsgebäude nebst Vorrath-
häusern, einer Schule und einem Spital und grossen Cisternen be-
finden. Die Stadt selbst (von den Eingebornen Iguah oder Egwa
benannt) beherbergt ungefähr 16.000 Seelen, fast ausschliesslich Ein-
geborne (Fanti), und hat den Charakter der Negerniederlassungen.
Es kommt dort nicht selten vor, dass die Negerhütten bei heftigem
Regenguss geradezu hinweggewaschen werden. Dies kümmert jedoch
den Besitzer wenig. Er baut eine neue, gerade so elend wie jene,
welche dem Regen zum Opfer gefallen. Während der trockenen Jahres-
zeit können Schiffe ziemlich nahe am Castell ankern, jedoch in der
Regenzeit ist es vorsichtiger, nicht näher als 11/2 Seemeilen vom
Castell vor Anker zu gehen.

Cape Coast Castle ist die Einbruchstation in das Land der
Aschanti, eines auch durch viele Kriegszüge der Engländer bekannt
gewordenen Negervolkes. Diesem Stamme gehören die meisten Ein-
wohner der Stadt an.

Nach der Goldküste erstreckt sich die sogenannte Elfenbein-
küste bis zum Cap Palmas. Sie hat ihren Namen von dem dort mit
viel Erfolg betriebenen Handel mit Elefantenzähnen. Hinter Cap
Palmas gelangt man (an dem auch Pfefferküste genannten Theil
dieser Küste) in das Land der freien Neger-Republik Liberia, deren
Hafenplatz und Hauptstadt sich in Monrovia befindet. Liberia ver-
dankt seine Gründung dem Streben des 1816 in Washington zu-
sammengetretenen Colonisationsvereines, für die von den Sclaven-
schiffen befreiten Neger eine Heimstätte zu gründen. Der Verein
erwarb 1821 einen Küstenstrich bei Cap Mesurado und siedelte zunächst
dreissig freie Negerfamilien dort an. Bekanntlich haben sich die euro-
päischen Mächte unter Führung Englands schon vor sechzig Jahren zur
Unterdrückung des Negerhandels vereinigt und fortwährend Kreuzer längs
der Küste Afrikas unterhalten, welche jedes verdächtige Schiff anhielten
und, wenn es schwarze Leute an Bord hatte, sequestrirten und die
Befreiten zumeist auch nach Liberia schickten. Seit 1847 besteht
Liberia als selbständige und anerkannte Republik. Der Gedanke,
welcher Liberia entstehen und gedeihen machte, war ein humaner,
aber zu sonderlicher Blüthe gelangte das neue Gemeinwesen nicht.
Es zeigte sich auch hier eine gewisse Unfähigkeit dieses Stammes,
aus enge gezogenen Grenzen herauszutreten. Monrovia, welches
seinen Namen von dem Präsidenten Monroe der Vereinigten Staaten

Die atlantische Küste von Afrika.
in portugiesischen, dann in holländischen Händen. Dort ist ein starkes
Castell, knapp an der See, ein massiver, unregelmässiger Steinbau,
innerhalb dessen sich mehrere Regierungsgebäude nebst Vorrath-
häusern, einer Schule und einem Spital und grossen Cisternen be-
finden. Die Stadt selbst (von den Eingebornen Iguah oder Egwa
benannt) beherbergt ungefähr 16.000 Seelen, fast ausschliesslich Ein-
geborne (Fanti), und hat den Charakter der Negerniederlassungen.
Es kommt dort nicht selten vor, dass die Negerhütten bei heftigem
Regenguss geradezu hinweggewaschen werden. Dies kümmert jedoch
den Besitzer wenig. Er baut eine neue, gerade so elend wie jene,
welche dem Regen zum Opfer gefallen. Während der trockenen Jahres-
zeit können Schiffe ziemlich nahe am Castell ankern, jedoch in der
Regenzeit ist es vorsichtiger, nicht näher als 1½ Seemeilen vom
Castell vor Anker zu gehen.

Cape Coast Castle ist die Einbruchstation in das Land der
Aschanti, eines auch durch viele Kriegszüge der Engländer bekannt
gewordenen Negervolkes. Diesem Stamme gehören die meisten Ein-
wohner der Stadt an.

Nach der Goldküste erstreckt sich die sogenannte Elfenbein-
küste bis zum Cap Palmas. Sie hat ihren Namen von dem dort mit
viel Erfolg betriebenen Handel mit Elefantenzähnen. Hinter Cap
Palmas gelangt man (an dem auch Pfefferküste genannten Theil
dieser Küste) in das Land der freien Neger-Republik Liberia, deren
Hafenplatz und Hauptstadt sich in Monrovia befindet. Liberia ver-
dankt seine Gründung dem Streben des 1816 in Washington zu-
sammengetretenen Colonisationsvereines, für die von den Sclaven-
schiffen befreiten Neger eine Heimstätte zu gründen. Der Verein
erwarb 1821 einen Küstenstrich bei Cap Mesurado und siedelte zunächst
dreissig freie Negerfamilien dort an. Bekanntlich haben sich die euro-
päischen Mächte unter Führung Englands schon vor sechzig Jahren zur
Unterdrückung des Negerhandels vereinigt und fortwährend Kreuzer längs
der Küste Afrikas unterhalten, welche jedes verdächtige Schiff anhielten
und, wenn es schwarze Leute an Bord hatte, sequestrirten und die
Befreiten zumeist auch nach Liberia schickten. Seit 1847 besteht
Liberia als selbständige und anerkannte Republik. Der Gedanke,
welcher Liberia entstehen und gedeihen machte, war ein humaner,
aber zu sonderlicher Blüthe gelangte das neue Gemeinwesen nicht.
Es zeigte sich auch hier eine gewisse Unfähigkeit dieses Stammes,
aus enge gezogenen Grenzen herauszutreten. Monrovia, welches
seinen Namen von dem Präsidenten Monroe der Vereinigten Staaten

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[716/0732] Die atlantische Küste von Afrika. in portugiesischen, dann in holländischen Händen. Dort ist ein starkes Castell, knapp an der See, ein massiver, unregelmässiger Steinbau, innerhalb dessen sich mehrere Regierungsgebäude nebst Vorrath- häusern, einer Schule und einem Spital und grossen Cisternen be- finden. Die Stadt selbst (von den Eingebornen Iguah oder Egwa benannt) beherbergt ungefähr 16.000 Seelen, fast ausschliesslich Ein- geborne (Fanti), und hat den Charakter der Negerniederlassungen. Es kommt dort nicht selten vor, dass die Negerhütten bei heftigem Regenguss geradezu hinweggewaschen werden. Dies kümmert jedoch den Besitzer wenig. Er baut eine neue, gerade so elend wie jene, welche dem Regen zum Opfer gefallen. Während der trockenen Jahres- zeit können Schiffe ziemlich nahe am Castell ankern, jedoch in der Regenzeit ist es vorsichtiger, nicht näher als 1½ Seemeilen vom Castell vor Anker zu gehen. Cape Coast Castle ist die Einbruchstation in das Land der Aschanti, eines auch durch viele Kriegszüge der Engländer bekannt gewordenen Negervolkes. Diesem Stamme gehören die meisten Ein- wohner der Stadt an. Nach der Goldküste erstreckt sich die sogenannte Elfenbein- küste bis zum Cap Palmas. Sie hat ihren Namen von dem dort mit viel Erfolg betriebenen Handel mit Elefantenzähnen. Hinter Cap Palmas gelangt man (an dem auch Pfefferküste genannten Theil dieser Küste) in das Land der freien Neger-Republik Liberia, deren Hafenplatz und Hauptstadt sich in Monrovia befindet. Liberia ver- dankt seine Gründung dem Streben des 1816 in Washington zu- sammengetretenen Colonisationsvereines, für die von den Sclaven- schiffen befreiten Neger eine Heimstätte zu gründen. Der Verein erwarb 1821 einen Küstenstrich bei Cap Mesurado und siedelte zunächst dreissig freie Negerfamilien dort an. Bekanntlich haben sich die euro- päischen Mächte unter Führung Englands schon vor sechzig Jahren zur Unterdrückung des Negerhandels vereinigt und fortwährend Kreuzer längs der Küste Afrikas unterhalten, welche jedes verdächtige Schiff anhielten und, wenn es schwarze Leute an Bord hatte, sequestrirten und die Befreiten zumeist auch nach Liberia schickten. Seit 1847 besteht Liberia als selbständige und anerkannte Republik. Der Gedanke, welcher Liberia entstehen und gedeihen machte, war ein humaner, aber zu sonderlicher Blüthe gelangte das neue Gemeinwesen nicht. Es zeigte sich auch hier eine gewisse Unfähigkeit dieses Stammes, aus enge gezogenen Grenzen herauszutreten. Monrovia, welches seinen Namen von dem Präsidenten Monroe der Vereinigten Staaten

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 716. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/732>, abgerufen am 22.11.2024.