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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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Der indische Ocean.
als auch seinem Inhalte und seiner Ausdehnung nach bei weitem
weniger bedeutend als der botanische. Immerhin enthält er einige
interessante Thierexemplare, wie z. B. Orang-Utangs, schwarze Panther
und verschiedene hübsche Fasanarten.

Der Hafen von Calcutta ist 9 Seemeilen lang, der für grössere
Seeschiffe fahrbare Theil des Stromes im Hafen durchschnittlich
230 m breit. Flussfahrzeuge und kleinere Localdampfer haben ihre
Vertäuungs- und Anlegestellen im nördlichen Theile des Hafens, in
welchem sich auch -- zumeist am rechten Stromufer -- elf Trocken-
docks (die zwei erwähnten, im Bau begriffenen Regierungsdocks in-
begriffen) befinden. Südlich von der Verbindungsbrücke Calcutta-
Howrah liegt der Hafen für die grösseren Seeschiffe, die am linken
Stromufer in drei bis fünf Reihen vierkant vertäut werden. In der
Mitte des Stromes liegen Bojen für die Fahrzeuge des Hafendienstes.
Quais oder Uferdämme gibt es in Calcutta nicht; die Flussufer be-
stehen aus einem zähen und lehmigen Boden, dessen natürliche
Böschung sanft ansteigt. Als Anlegeplätze dienen verankerte Pontons,
die durch (in Gelenken) bewegliche Brücken mit dem Ufer in Ver-
bindung stehen. In einigen Fällen werden diese Brücken noch durch
einen zweiten Ponton unterstützt, welcher bei besonders niedrigem
Wasserstande im Trockenen liegen bleibt. Eine grössere Anzahl
solcher Anlegeplätze befindet sich in der Nähe des Zollhauses. An-
sonsten finden sich aber auch noch stellenweise aus Ziegeln gemauerte
Treppen, die bis zum Flusswasser führen und nur zur Vornahme der
religiösen Waschungen der Hindus dienen. Nördlich von der Howrah-
Brücke befindet sich das Ghat Nimtolah, das speciell für die Ver-
brennung der Todten geheiligt ist.

Calcutta hat (26. Februar 1891) 972.000 Einwohner. Der
Religion nach sind fast zwei Drittel derselben Hindus, an 40.000
Christen und über 200.000 Mohammedaner. Unter dieser grossen Be-
völkerung leben nur gegen 8000 Europäer.

Das nothwendige Wasser führen Wasserwerke aus dem Hooghly
zu, doch ist dieses nur im Winter trinkbar. In der übrigen Zeit
behilft man sich mit dem in Teichen angesammelten Regenwasser. Die
Bohrung artesischer Brunnen ist trotz oft wiederholter Versuche, bei
denen auch grössere Tiefen erreicht wurden, bisher erfolglos geblieben.

Das Klima Calcuttas kann nicht als ein gesundes angesehen
werden. Da die Stadt tief liegt, so können ihre Canäle nicht in den
Hooghly münden, sondern entleeren sich in einen todten Arm des
Ganges, der östlich von Calcutta sich ausbreitet. Dies und die

Der indische Ocean.
als auch seinem Inhalte und seiner Ausdehnung nach bei weitem
weniger bedeutend als der botanische. Immerhin enthält er einige
interessante Thierexemplare, wie z. B. Orang-Utangs, schwarze Panther
und verschiedene hübsche Fasanarten.

Der Hafen von Calcutta ist 9 Seemeilen lang, der für grössere
Seeschiffe fahrbare Theil des Stromes im Hafen durchschnittlich
230 m breit. Flussfahrzeuge und kleinere Localdampfer haben ihre
Vertäuungs- und Anlegestellen im nördlichen Theile des Hafens, in
welchem sich auch — zumeist am rechten Stromufer — elf Trocken-
docks (die zwei erwähnten, im Bau begriffenen Regierungsdocks in-
begriffen) befinden. Südlich von der Verbindungsbrücke Calcutta-
Howrah liegt der Hafen für die grösseren Seeschiffe, die am linken
Stromufer in drei bis fünf Reihen vierkant vertäut werden. In der
Mitte des Stromes liegen Bojen für die Fahrzeuge des Hafendienstes.
Quais oder Uferdämme gibt es in Calcutta nicht; die Flussufer be-
stehen aus einem zähen und lehmigen Boden, dessen natürliche
Böschung sanft ansteigt. Als Anlegeplätze dienen verankerte Pontons,
die durch (in Gelenken) bewegliche Brücken mit dem Ufer in Ver-
bindung stehen. In einigen Fällen werden diese Brücken noch durch
einen zweiten Ponton unterstützt, welcher bei besonders niedrigem
Wasserstande im Trockenen liegen bleibt. Eine grössere Anzahl
solcher Anlegeplätze befindet sich in der Nähe des Zollhauses. An-
sonsten finden sich aber auch noch stellenweise aus Ziegeln gemauerte
Treppen, die bis zum Flusswasser führen und nur zur Vornahme der
religiösen Waschungen der Hindus dienen. Nördlich von der Howrah-
Brücke befindet sich das Ghat Nimtolah, das speciell für die Ver-
brennung der Todten geheiligt ist.

Calcutta hat (26. Februar 1891) 972.000 Einwohner. Der
Religion nach sind fast zwei Drittel derselben Hindus, an 40.000
Christen und über 200.000 Mohammedaner. Unter dieser grossen Be-
völkerung leben nur gegen 8000 Europäer.

Das nothwendige Wasser führen Wasserwerke aus dem Hooghly
zu, doch ist dieses nur im Winter trinkbar. In der übrigen Zeit
behilft man sich mit dem in Teichen angesammelten Regenwasser. Die
Bohrung artesischer Brunnen ist trotz oft wiederholter Versuche, bei
denen auch grössere Tiefen erreicht wurden, bisher erfolglos geblieben.

Das Klima Calcuttas kann nicht als ein gesundes angesehen
werden. Da die Stadt tief liegt, so können ihre Canäle nicht in den
Hooghly münden, sondern entleeren sich in einen todten Arm des
Ganges, der östlich von Calcutta sich ausbreitet. Dies und die

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[556/0572] Der indische Ocean. als auch seinem Inhalte und seiner Ausdehnung nach bei weitem weniger bedeutend als der botanische. Immerhin enthält er einige interessante Thierexemplare, wie z. B. Orang-Utangs, schwarze Panther und verschiedene hübsche Fasanarten. Der Hafen von Calcutta ist 9 Seemeilen lang, der für grössere Seeschiffe fahrbare Theil des Stromes im Hafen durchschnittlich 230 m breit. Flussfahrzeuge und kleinere Localdampfer haben ihre Vertäuungs- und Anlegestellen im nördlichen Theile des Hafens, in welchem sich auch — zumeist am rechten Stromufer — elf Trocken- docks (die zwei erwähnten, im Bau begriffenen Regierungsdocks in- begriffen) befinden. Südlich von der Verbindungsbrücke Calcutta- Howrah liegt der Hafen für die grösseren Seeschiffe, die am linken Stromufer in drei bis fünf Reihen vierkant vertäut werden. In der Mitte des Stromes liegen Bojen für die Fahrzeuge des Hafendienstes. Quais oder Uferdämme gibt es in Calcutta nicht; die Flussufer be- stehen aus einem zähen und lehmigen Boden, dessen natürliche Böschung sanft ansteigt. Als Anlegeplätze dienen verankerte Pontons, die durch (in Gelenken) bewegliche Brücken mit dem Ufer in Ver- bindung stehen. In einigen Fällen werden diese Brücken noch durch einen zweiten Ponton unterstützt, welcher bei besonders niedrigem Wasserstande im Trockenen liegen bleibt. Eine grössere Anzahl solcher Anlegeplätze befindet sich in der Nähe des Zollhauses. An- sonsten finden sich aber auch noch stellenweise aus Ziegeln gemauerte Treppen, die bis zum Flusswasser führen und nur zur Vornahme der religiösen Waschungen der Hindus dienen. Nördlich von der Howrah- Brücke befindet sich das Ghat Nimtolah, das speciell für die Ver- brennung der Todten geheiligt ist. Calcutta hat (26. Februar 1891) 972.000 Einwohner. Der Religion nach sind fast zwei Drittel derselben Hindus, an 40.000 Christen und über 200.000 Mohammedaner. Unter dieser grossen Be- völkerung leben nur gegen 8000 Europäer. Das nothwendige Wasser führen Wasserwerke aus dem Hooghly zu, doch ist dieses nur im Winter trinkbar. In der übrigen Zeit behilft man sich mit dem in Teichen angesammelten Regenwasser. Die Bohrung artesischer Brunnen ist trotz oft wiederholter Versuche, bei denen auch grössere Tiefen erreicht wurden, bisher erfolglos geblieben. Das Klima Calcuttas kann nicht als ein gesundes angesehen werden. Da die Stadt tief liegt, so können ihre Canäle nicht in den Hooghly münden, sondern entleeren sich in einen todten Arm des Ganges, der östlich von Calcutta sich ausbreitet. Dies und die

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 556. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/572>, abgerufen am 22.07.2024.