Die ausgedehnteste Tempelanlage ist die von Wat Poh, die sich in der Nähe der königlichen Residenz befindet und durch eine schwer übergoldete Buddha-Figur in liegender Stellung auszeichnet. Beson- ders bemerkenswerth ist auch die Wat Tscheng mit einem stattlichen Thurme, Prabang genannt, der etwa 100 m hoch und ausserordent- lich geschmackvoll ausgeführt ist. Da er weithin sichtbar ist, bietet er auch von seiner obersten Galerie eine prächtige Aussicht über ganz Bangkok und die Umgebung der Stadt. Der Grundriss des Thurmes ist quadratisch mit eingezogenen Seiten; an dem sich all- mälig verengenden Thurme steigt eine Galerie über der anderen empor, welche alle von Dämonen und fabelhaften Thieren getragen erscheinen, während die Nischen mit allegorischen Figaren reich be- setzt sind. Den gleichmässigen Mittelbau krönen vier Thürmchen, deren Nischen durch dreiköpfige Elefanten verziert werden. In der Mitte zwischen den Thürmchen ragt die eigentliche, cannelirte und im Querschnitte runde Thurmspitze empor, die sich nach oben kuppel- förmig abschliesst. Man glaubt beim ersten Anblick, dass für diesen Bau kunstvolle Steinmetzarbeit und reiches Mosaik aus edlen Steinen verwendet wurde, überzeugt sich aber bei näherer Besichtigung bald, dass das Baumaterial dieses Tempels nur aus gewöhnlichen Ziegel- steinen besteht und dass die Verzierungen aus Stücken zerbrochener Töpferwaare zusammengesetzt sind. Der Gesammteindruck dieses Tempels, welcher zu den auffälligsten Baudenkmälern Siams gehört, wird durch die bewunderungswürdige Kunstfertigkeit in der Zusammen- stellung ein geradezu grossartiger.
Von der übrigen grossen Zahl der Tempel sind noch hervorzu- heben: Die Wat Semplin, in welcher eine Fusstapfe Buddhas gezeigt wird, die Wat Ratschagobit mit den Grabdenkmälern der könig- lichen Kinder, die Wat Sutat mit einer riesigen Buddha-Figur, welcher die überlebensgross dargestellten 72 Jünger gegenübersitzen; schliess- lich die an schönen Fresken reiche Wat Saraharom.
Die Königstadt ist ein Complex grösserer und kleinerer Gebäude, die sich innerhalb einer hohen, weissen Umfassungsmauer von etwa einer Seemeile Umfang ausdehnt. Das eigentliche königliche Schloss liegt in der Mitte der Königstadt; südlich von demselben befinden sich verschiedene Gebäude für Staats- und Wirtschaftszwecke, einige Kioske und Gartenanlagen. Auf der östlichen Seite liegt der könig- liche Tempel, auf der westlichen, gegen das Ufer des Menam zu, der Wasserpavillon und ein Anlegeplatz für Boote. Den zweiten, inneren Schlosshof, der mit Granit- und Marmorfliesen gepflastert ist, be-
Der grosse Ocean.
Die ausgedehnteste Tempelanlage ist die von Wat Poh, die sich in der Nähe der königlichen Residenz befindet und durch eine schwer übergoldete Buddha-Figur in liegender Stellung auszeichnet. Beson- ders bemerkenswerth ist auch die Wat Tscheng mit einem stattlichen Thurme, Prabang genannt, der etwa 100 m hoch und ausserordent- lich geschmackvoll ausgeführt ist. Da er weithin sichtbar ist, bietet er auch von seiner obersten Galerie eine prächtige Aussicht über ganz Bangkok und die Umgebung der Stadt. Der Grundriss des Thurmes ist quadratisch mit eingezogenen Seiten; an dem sich all- mälig verengenden Thurme steigt eine Galerie über der anderen empor, welche alle von Dämonen und fabelhaften Thieren getragen erscheinen, während die Nischen mit allegorischen Figaren reich be- setzt sind. Den gleichmässigen Mittelbau krönen vier Thürmchen, deren Nischen durch dreiköpfige Elefanten verziert werden. In der Mitte zwischen den Thürmchen ragt die eigentliche, cannelirte und im Querschnitte runde Thurmspitze empor, die sich nach oben kuppel- förmig abschliesst. Man glaubt beim ersten Anblick, dass für diesen Bau kunstvolle Steinmetzarbeit und reiches Mosaik aus edlen Steinen verwendet wurde, überzeugt sich aber bei näherer Besichtigung bald, dass das Baumaterial dieses Tempels nur aus gewöhnlichen Ziegel- steinen besteht und dass die Verzierungen aus Stücken zerbrochener Töpferwaare zusammengesetzt sind. Der Gesammteindruck dieses Tempels, welcher zu den auffälligsten Baudenkmälern Siams gehört, wird durch die bewunderungswürdige Kunstfertigkeit in der Zusammen- stellung ein geradezu grossartiger.
Von der übrigen grossen Zahl der Tempel sind noch hervorzu- heben: Die Wat Semplin, in welcher eine Fusstapfe Buddhas gezeigt wird, die Wat Ratschagobit mit den Grabdenkmälern der könig- lichen Kinder, die Wat Sutat mit einer riesigen Buddha-Figur, welcher die überlebensgross dargestellten 72 Jünger gegenübersitzen; schliess- lich die an schönen Fresken reiche Wat Saraharom.
Die Königstadt ist ein Complex grösserer und kleinerer Gebäude, die sich innerhalb einer hohen, weissen Umfassungsmauer von etwa einer Seemeile Umfang ausdehnt. Das eigentliche königliche Schloss liegt in der Mitte der Königstadt; südlich von demselben befinden sich verschiedene Gebäude für Staats- und Wirtschaftszwecke, einige Kioske und Gartenanlagen. Auf der östlichen Seite liegt der könig- liche Tempel, auf der westlichen, gegen das Ufer des Menam zu, der Wasserpavillon und ein Anlegeplatz für Boote. Den zweiten, inneren Schlosshof, der mit Granit- und Marmorfliesen gepflastert ist, be-
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Der grosse Ocean.
Die ausgedehnteste Tempelanlage ist die von Wat Poh, die sich
in der Nähe der königlichen Residenz befindet und durch eine schwer
übergoldete Buddha-Figur in liegender Stellung auszeichnet. Beson-
ders bemerkenswerth ist auch die Wat Tscheng mit einem stattlichen
Thurme, Prabang genannt, der etwa 100 m hoch und ausserordent-
lich geschmackvoll ausgeführt ist. Da er weithin sichtbar ist, bietet
er auch von seiner obersten Galerie eine prächtige Aussicht über
ganz Bangkok und die Umgebung der Stadt. Der Grundriss des
Thurmes ist quadratisch mit eingezogenen Seiten; an dem sich all-
mälig verengenden Thurme steigt eine Galerie über der anderen
empor, welche alle von Dämonen und fabelhaften Thieren getragen
erscheinen, während die Nischen mit allegorischen Figaren reich be-
setzt sind. Den gleichmässigen Mittelbau krönen vier Thürmchen,
deren Nischen durch dreiköpfige Elefanten verziert werden. In der
Mitte zwischen den Thürmchen ragt die eigentliche, cannelirte und
im Querschnitte runde Thurmspitze empor, die sich nach oben kuppel-
förmig abschliesst. Man glaubt beim ersten Anblick, dass für diesen
Bau kunstvolle Steinmetzarbeit und reiches Mosaik aus edlen Steinen
verwendet wurde, überzeugt sich aber bei näherer Besichtigung bald,
dass das Baumaterial dieses Tempels nur aus gewöhnlichen Ziegel-
steinen besteht und dass die Verzierungen aus Stücken zerbrochener
Töpferwaare zusammengesetzt sind. Der Gesammteindruck dieses
Tempels, welcher zu den auffälligsten Baudenkmälern Siams gehört,
wird durch die bewunderungswürdige Kunstfertigkeit in der Zusammen-
stellung ein geradezu grossartiger.
Von der übrigen grossen Zahl der Tempel sind noch hervorzu-
heben: Die Wat Semplin, in welcher eine Fusstapfe Buddhas gezeigt
wird, die Wat Ratschagobit mit den Grabdenkmälern der könig-
lichen Kinder, die Wat Sutat mit einer riesigen Buddha-Figur, welcher
die überlebensgross dargestellten 72 Jünger gegenübersitzen; schliess-
lich die an schönen Fresken reiche Wat Saraharom.
Die Königstadt ist ein Complex grösserer und kleinerer Gebäude,
die sich innerhalb einer hohen, weissen Umfassungsmauer von etwa
einer Seemeile Umfang ausdehnt. Das eigentliche königliche Schloss
liegt in der Mitte der Königstadt; südlich von demselben befinden sich
verschiedene Gebäude für Staats- und Wirtschaftszwecke, einige
Kioske und Gartenanlagen. Auf der östlichen Seite liegt der könig-
liche Tempel, auf der westlichen, gegen das Ufer des Menam zu, der
Wasserpavillon und ein Anlegeplatz für Boote. Den zweiten, inneren
Schlosshof, der mit Granit- und Marmorfliesen gepflastert ist, be-
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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 476. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/492>, abgerufen am 22.11.2024.
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