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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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Der grosse Ocean.

Schon der erste Eindruck, den das hinter dem Bergrücken des
Cap St. Jacques liegende Flachland bietet, ist ein überaus freundlicher.
Rotangs und Mangroves, weiter landeinwärts Palmen und Bananen,
das saftige Grün der üppigen Tropenvegetation und malerische, halb
in den Fluss gebaute Palmstrohhütten vervollständigen das schöne
Landschaftsbild, das sich längs der zahlreichen und starken Krüm-
mungen des Saigonflusses aufrollt. Beim Einfahren in den letzteren
sichtet man zunächst als erstes Wahrzeichen der Stadt die beiden
rothen Thürme der Kathedrale; vor der Stadt ankernd, kann man sie
kaum sehen, weil sie von einer langen Reihe mächtiger Tamarinden-
bäume nahezu ganz verdeckt sind.

In der inneren Stadt sind gerade, macadamisirte Strassen mit
breiten Trottoirs und hübschen, luftig gebauten Häusern. Die Strassen
bilden meistens schattige Alleen; diese und zahlreiche sonstige Baum-
pflanzungen sind den klimatischen Verhältnissen entsprechend. Die
Anlage der Stadt ist eine durchwegs regelmässige, die Strassen
kreuzen sich unter rechten Winkeln.

Hauptstrasse ist die Rue Catinat, welche als erste practicable
Strasse an Stelle des alten annamitischen Fahrweges, der von der
Citadelle zum Flusse führte, erbaut worden ist; in ihr sind mehrere
Amtsgebäude, sowie die Post und das Theater gelegen; sie ist der
Centralpunkt der grossen, eleganten Kaufläden mit deren geschmack-
vollen Auslagen. Das Theater ist hübsch gebaut, sowie auch
vortrefflich ventilirt; es erhält von der Colonie eine jährliche
Subvention von 150.000 Francs, weil es sonst die beträchtlichen
Kosten der Hin- und Rückreise des Personales und des Material-
transportes nicht tragen könnte. Die Rue Catinat führt zum Platze
der Kathedrale, die im Jahre 1877 mit einem Kostenaufwande von
21/2 Millionen Francs erbaut worden ist. Auf diesem Platze liegt auch
das elegante und geräumige Militärcasino. Parallel mit der Rue Catinat
führt die Rue Nationale, welche beim Rond Point, dem besten Anlege-
platze des Stromufers beginnend, die ganze Stadt durchzieht und durch
ein Monument M. Lamaille's verschönert wird. Weiters führen noch
in der gleichen Richtung die Rue de l'Hopital zum grossen Militär-
Hospitale und der Boulevard de la Citadelle zur Festung. Diese ist
ein citadellenartiger Complex, der die Unterkunftsräume und Uebungs-
plätze der Garnison enthält und 1799 von französischen Officieren für
den Herrscher von Annam erbaut wurde.

Das Militärhospital ist das einzige Krankenhaus der Stadt und
liegt in einem grossen Parke, der von einer Mauer umgeben ist. Die

Der grosse Ocean.

Schon der erste Eindruck, den das hinter dem Bergrücken des
Cap St. Jacques liegende Flachland bietet, ist ein überaus freundlicher.
Rotangs und Mangroves, weiter landeinwärts Palmen und Bananen,
das saftige Grün der üppigen Tropenvegetation und malerische, halb
in den Fluss gebaute Palmstrohhütten vervollständigen das schöne
Landschaftsbild, das sich längs der zahlreichen und starken Krüm-
mungen des Saigonflusses aufrollt. Beim Einfahren in den letzteren
sichtet man zunächst als erstes Wahrzeichen der Stadt die beiden
rothen Thürme der Kathedrale; vor der Stadt ankernd, kann man sie
kaum sehen, weil sie von einer langen Reihe mächtiger Tamarinden-
bäume nahezu ganz verdeckt sind.

In der inneren Stadt sind gerade, macadamisirte Strassen mit
breiten Trottoirs und hübschen, luftig gebauten Häusern. Die Strassen
bilden meistens schattige Alleen; diese und zahlreiche sonstige Baum-
pflanzungen sind den klimatischen Verhältnissen entsprechend. Die
Anlage der Stadt ist eine durchwegs regelmässige, die Strassen
kreuzen sich unter rechten Winkeln.

Hauptstrasse ist die Rue Catinat, welche als erste practicable
Strasse an Stelle des alten annamitischen Fahrweges, der von der
Citadelle zum Flusse führte, erbaut worden ist; in ihr sind mehrere
Amtsgebäude, sowie die Post und das Theater gelegen; sie ist der
Centralpunkt der grossen, eleganten Kaufläden mit deren geschmack-
vollen Auslagen. Das Theater ist hübsch gebaut, sowie auch
vortrefflich ventilirt; es erhält von der Colonie eine jährliche
Subvention von 150.000 Francs, weil es sonst die beträchtlichen
Kosten der Hin- und Rückreise des Personales und des Material-
transportes nicht tragen könnte. Die Rue Catinat führt zum Platze
der Kathedrale, die im Jahre 1877 mit einem Kostenaufwande von
2½ Millionen Francs erbaut worden ist. Auf diesem Platze liegt auch
das elegante und geräumige Militärcasino. Parallel mit der Rue Catinat
führt die Rue Nationale, welche beim Rond Point, dem besten Anlege-
platze des Stromufers beginnend, die ganze Stadt durchzieht und durch
ein Monument M. Lamaille’s verschönert wird. Weiters führen noch
in der gleichen Richtung die Rue de l’Hôpital zum grossen Militär-
Hospitale und der Boulevard de la Citadelle zur Festung. Diese ist
ein citadellenartiger Complex, der die Unterkunftsräume und Uebungs-
plätze der Garnison enthält und 1799 von französischen Officieren für
den Herrscher von Annam erbaut wurde.

Das Militärhospital ist das einzige Krankenhaus der Stadt und
liegt in einem grossen Parke, der von einer Mauer umgeben ist. Die

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[464/0480] Der grosse Ocean. Schon der erste Eindruck, den das hinter dem Bergrücken des Cap St. Jacques liegende Flachland bietet, ist ein überaus freundlicher. Rotangs und Mangroves, weiter landeinwärts Palmen und Bananen, das saftige Grün der üppigen Tropenvegetation und malerische, halb in den Fluss gebaute Palmstrohhütten vervollständigen das schöne Landschaftsbild, das sich längs der zahlreichen und starken Krüm- mungen des Saigonflusses aufrollt. Beim Einfahren in den letzteren sichtet man zunächst als erstes Wahrzeichen der Stadt die beiden rothen Thürme der Kathedrale; vor der Stadt ankernd, kann man sie kaum sehen, weil sie von einer langen Reihe mächtiger Tamarinden- bäume nahezu ganz verdeckt sind. In der inneren Stadt sind gerade, macadamisirte Strassen mit breiten Trottoirs und hübschen, luftig gebauten Häusern. Die Strassen bilden meistens schattige Alleen; diese und zahlreiche sonstige Baum- pflanzungen sind den klimatischen Verhältnissen entsprechend. Die Anlage der Stadt ist eine durchwegs regelmässige, die Strassen kreuzen sich unter rechten Winkeln. Hauptstrasse ist die Rue Catinat, welche als erste practicable Strasse an Stelle des alten annamitischen Fahrweges, der von der Citadelle zum Flusse führte, erbaut worden ist; in ihr sind mehrere Amtsgebäude, sowie die Post und das Theater gelegen; sie ist der Centralpunkt der grossen, eleganten Kaufläden mit deren geschmack- vollen Auslagen. Das Theater ist hübsch gebaut, sowie auch vortrefflich ventilirt; es erhält von der Colonie eine jährliche Subvention von 150.000 Francs, weil es sonst die beträchtlichen Kosten der Hin- und Rückreise des Personales und des Material- transportes nicht tragen könnte. Die Rue Catinat führt zum Platze der Kathedrale, die im Jahre 1877 mit einem Kostenaufwande von 2½ Millionen Francs erbaut worden ist. Auf diesem Platze liegt auch das elegante und geräumige Militärcasino. Parallel mit der Rue Catinat führt die Rue Nationale, welche beim Rond Point, dem besten Anlege- platze des Stromufers beginnend, die ganze Stadt durchzieht und durch ein Monument M. Lamaille’s verschönert wird. Weiters führen noch in der gleichen Richtung die Rue de l’Hôpital zum grossen Militär- Hospitale und der Boulevard de la Citadelle zur Festung. Diese ist ein citadellenartiger Complex, der die Unterkunftsräume und Uebungs- plätze der Garnison enthält und 1799 von französischen Officieren für den Herrscher von Annam erbaut wurde. Das Militärhospital ist das einzige Krankenhaus der Stadt und liegt in einem grossen Parke, der von einer Mauer umgeben ist. Die

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 464. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/480>, abgerufen am 20.05.2024.