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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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Chinesische Häfen.

In diese Zeit (1557) fällt die Gründung von Macao. Die Por-
tugiesen benützten diesen Hafen anfänglich als Sammelplatz für ihre
Schiffe, setzten sich aber später in den Besitz desselben, ohne hiezu
eine nachweisbare Berechtigung zu haben. Die Stadt erblühte und
wusste sich mittelst Tributen und Abgaben, die theils freiwillig ge-
leistet, theils abgenöthigt wurden, vor Behelligung durch chinesische
Behörden zu schützen. Die Frage, ob Macao portugiesischer Staats-
besitz ist, beschäftigt berufene Kreise schon seit der Gründung der
Stadt und ist heute noch ungelöst.

Den portugiesischen Kaufleuten folgten die katholischen Mis-
sionäre auf dem Fusse. Die Jesuiten erforschten den Charakter, die
Sitten und religiösen Gebräuche der Chinesen, sie erlernten ihre
Sprache und erzielten durch ihre Kenntnisse in Mathematik und
Astronomie Erfolge, die man bei dem Selbstbewusstsein, das alle
Chinesen beherrscht, für unmöglich halten sollte.

In der Mitte des XVII. Jahrhunderts bestand nahezu in jeder
grossen Stadt Chinas eine Christengemeinde, und der liebenswürdige,
gewandte Jesuit Matteo Ricci, der das Volk durch seine Ge-
schicklichkeit in der Experimentalphysik, die Gelehrten durch seine
Kenntnisse in der Mathematik unterhielt, lebte 1601--1616 auf Kosten
des Kaisers Wan-li in Peking, der Südtiroler Martini lieferte die
ersten halbwegs richtigen Landkarten von China und die sechs gelehrten
Jesuiten, welche der weit ausschauende Ludwig XIV. zu königlichen
Mathematikern ernannt und mit den besten Instrumenten ausgerüstet,
nach China geschickt hatte, wurden von dem einsichtsvollen Kaiser
Kang-hsi dazu verwendet, die Grenzen astronomisch aufzunehmen und
eine Karte des chinesischen Reiches zu entwerfen, welche sie 1718
dem Kaiser überreichten. Die Grundlage für eine geographische Er-
forschung war damit gelegt. Gaubil, Du Halde u. a. setzten die
Arbeiten fort, welche den Händen d'Anville's, des grössten Geo-
graphen seiner Zeit, zur endlichen Redaction übergeben wurden.

Aber in der Zeit dieser höchsten Triumphe wurden die Keime
des Unterganges gelegt Nebst den staatsklugen Jesuiten fanden seit
1630 auch andere Orden, insbesondere Dominikaner und Franciskaner
in Menge ihren Weg nach China; ihnen fehlte die Weltklugheit der
Jesuiten. Sie kämpften gegen die Gebräuche der Chinesen, so gegen
den Ahnencultus derselben, den die Jesuiten geschont hatten, weil
dieser derart mit der sittlichen Auffassung der Söhne des himmlischen
Reiches verwachsen ist, dass sie für die Verdienste, die ein Sohn sich
erwirbt, dem Vater desselben Triumphbögen errichten. In diesem

Chinesische Häfen.

In diese Zeit (1557) fällt die Gründung von Macao. Die Por-
tugiesen benützten diesen Hafen anfänglich als Sammelplatz für ihre
Schiffe, setzten sich aber später in den Besitz desselben, ohne hiezu
eine nachweisbare Berechtigung zu haben. Die Stadt erblühte und
wusste sich mittelst Tributen und Abgaben, die theils freiwillig ge-
leistet, theils abgenöthigt wurden, vor Behelligung durch chinesische
Behörden zu schützen. Die Frage, ob Macao portugiesischer Staats-
besitz ist, beschäftigt berufene Kreise schon seit der Gründung der
Stadt und ist heute noch ungelöst.

Den portugiesischen Kaufleuten folgten die katholischen Mis-
sionäre auf dem Fusse. Die Jesuiten erforschten den Charakter, die
Sitten und religiösen Gebräuche der Chinesen, sie erlernten ihre
Sprache und erzielten durch ihre Kenntnisse in Mathematik und
Astronomie Erfolge, die man bei dem Selbstbewusstsein, das alle
Chinesen beherrscht, für unmöglich halten sollte.

In der Mitte des XVII. Jahrhunderts bestand nahezu in jeder
grossen Stadt Chinas eine Christengemeinde, und der liebenswürdige,
gewandte Jesuit Matteo Ricci, der das Volk durch seine Ge-
schicklichkeit in der Experimentalphysik, die Gelehrten durch seine
Kenntnisse in der Mathematik unterhielt, lebte 1601—1616 auf Kosten
des Kaisers Wan-li in Peking, der Südtiroler Martini lieferte die
ersten halbwegs richtigen Landkarten von China und die sechs gelehrten
Jesuiten, welche der weit ausschauende Ludwig XIV. zu königlichen
Mathematikern ernannt und mit den besten Instrumenten ausgerüstet,
nach China geschickt hatte, wurden von dem einsichtsvollen Kaiser
Kang-hsi dazu verwendet, die Grenzen astronomisch aufzunehmen und
eine Karte des chinesischen Reiches zu entwerfen, welche sie 1718
dem Kaiser überreichten. Die Grundlage für eine geographische Er-
forschung war damit gelegt. Gaubil, Du Halde u. a. setzten die
Arbeiten fort, welche den Händen d’Anville’s, des grössten Geo-
graphen seiner Zeit, zur endlichen Redaction übergeben wurden.

Aber in der Zeit dieser höchsten Triumphe wurden die Keime
des Unterganges gelegt Nebst den staatsklugen Jesuiten fanden seit
1630 auch andere Orden, insbesondere Dominikaner und Franciskaner
in Menge ihren Weg nach China; ihnen fehlte die Weltklugheit der
Jesuiten. Sie kämpften gegen die Gebräuche der Chinesen, so gegen
den Ahnencultus derselben, den die Jesuiten geschont hatten, weil
dieser derart mit der sittlichen Auffassung der Söhne des himmlischen
Reiches verwachsen ist, dass sie für die Verdienste, die ein Sohn sich
erwirbt, dem Vater desselben Triumphbögen errichten. In diesem

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[383/0399] Chinesische Häfen. In diese Zeit (1557) fällt die Gründung von Macao. Die Por- tugiesen benützten diesen Hafen anfänglich als Sammelplatz für ihre Schiffe, setzten sich aber später in den Besitz desselben, ohne hiezu eine nachweisbare Berechtigung zu haben. Die Stadt erblühte und wusste sich mittelst Tributen und Abgaben, die theils freiwillig ge- leistet, theils abgenöthigt wurden, vor Behelligung durch chinesische Behörden zu schützen. Die Frage, ob Macao portugiesischer Staats- besitz ist, beschäftigt berufene Kreise schon seit der Gründung der Stadt und ist heute noch ungelöst. Den portugiesischen Kaufleuten folgten die katholischen Mis- sionäre auf dem Fusse. Die Jesuiten erforschten den Charakter, die Sitten und religiösen Gebräuche der Chinesen, sie erlernten ihre Sprache und erzielten durch ihre Kenntnisse in Mathematik und Astronomie Erfolge, die man bei dem Selbstbewusstsein, das alle Chinesen beherrscht, für unmöglich halten sollte. In der Mitte des XVII. Jahrhunderts bestand nahezu in jeder grossen Stadt Chinas eine Christengemeinde, und der liebenswürdige, gewandte Jesuit Matteo Ricci, der das Volk durch seine Ge- schicklichkeit in der Experimentalphysik, die Gelehrten durch seine Kenntnisse in der Mathematik unterhielt, lebte 1601—1616 auf Kosten des Kaisers Wan-li in Peking, der Südtiroler Martini lieferte die ersten halbwegs richtigen Landkarten von China und die sechs gelehrten Jesuiten, welche der weit ausschauende Ludwig XIV. zu königlichen Mathematikern ernannt und mit den besten Instrumenten ausgerüstet, nach China geschickt hatte, wurden von dem einsichtsvollen Kaiser Kang-hsi dazu verwendet, die Grenzen astronomisch aufzunehmen und eine Karte des chinesischen Reiches zu entwerfen, welche sie 1718 dem Kaiser überreichten. Die Grundlage für eine geographische Er- forschung war damit gelegt. Gaubil, Du Halde u. a. setzten die Arbeiten fort, welche den Händen d’Anville’s, des grössten Geo- graphen seiner Zeit, zur endlichen Redaction übergeben wurden. Aber in der Zeit dieser höchsten Triumphe wurden die Keime des Unterganges gelegt Nebst den staatsklugen Jesuiten fanden seit 1630 auch andere Orden, insbesondere Dominikaner und Franciskaner in Menge ihren Weg nach China; ihnen fehlte die Weltklugheit der Jesuiten. Sie kämpften gegen die Gebräuche der Chinesen, so gegen den Ahnencultus derselben, den die Jesuiten geschont hatten, weil dieser derart mit der sittlichen Auffassung der Söhne des himmlischen Reiches verwachsen ist, dass sie für die Verdienste, die ein Sohn sich erwirbt, dem Vater desselben Triumphbögen errichten. In diesem

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 383. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/399>, abgerufen am 20.05.2024.