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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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Japanische Häfen.
Schwester in den Schatten. Das Fremdenviertel von Kobe wird daher
kurz das "model settlement" von Japan genannt.

Das Innere der beiden Städte entspricht vollkommen dem Ein-
drucke, welchen die der See zugewandte Aussenseite macht; in Kobe
finden wir die Villenstadt par excellence, von einem äusserst regel-
mässigen breiten und wohlgepflegten Strassennetz durchkreuzt, jedes
einzelne Haus in den für den Bewohner ausreichenden Dimensionen
gehalten und mit einer Gartenanlage umgeben, die in der meist
glücklich gewählten Combination von europäischen und japanischen
Ziergewächsen umsomehr einen schönen und eigenartigen Anblick
bietet, da die japanische Gartenkunst ihr Hauptaugenmerk auf die
Cultur ausserordentlich kleiner Zwergpflanzen und auf groteske Ori-
ginalität richtet.

Landwärts und anlehnend an Hiogo schliessen an den europäisch
angehauchten Stadttheil Gruppen japanischer Häuser an, welche die
Regelmässigkeit der Strassenzüge nicht beeinflussen. Ihr Bau-
material ist Holz; die Häuschen werden niedriger und die Gärten
kleiner, das Terrain steigt leicht an; vor uns läuft der Damm der
Kobe-Hiogo mit den Städten Osaka und Kioto und dem Landinnern
verbindenden Eisenbahn; zur Linken liegt der Fluss und zwischen
Fluss und Damm eingeschoben liegen die ausgebreiteten Tempel-
gründe Nanküsan's. Es sind da keine besonders auffallenden Bauten
vorhanden, die den Plan zieren; auch sind sie keinesfalls mit den
Tempeln Kiotos oder Tokios in eine Linie zu stellen, es sind eben
nur einfache, ziemlich räumliche Säulenhallen, die von einem der
Form nach äusserst schwerfälligen Dache geschützt und durch mobile
Wände in verschieden grosse, ihrer Bestimmung gemäss eingerichtete
Räumlichkeiten getheilt sind.

Die freien Gründe zwischen den Tempeln sind mit Buden und
Verkaufsstellen dicht besetzt, die meist nur Gegenstände des japani-
schen Hausrathes oder aber Spielgeräthe, denen der Japaner auch
in gesetzten Jahren nicht abhold ist, zum Verkaufe ausgelegt haben.
Hier ist jahraus jahrein ein Markt, der aber merkwürdiger Weise
täglich erst in den Abendstunden eröffnet und weit nach Mitternacht
geschlossen wird.

Unzählige, in den mannigfachsten Farben erglänzende Lampions
erleuchten das Terrain, tausende von Weiblein und Männlein trippeln
um die eng aneinander gerückten Buden; durch das Hauptthor der
Tempelgründe drängt und zwängt sich Alt und Jung fortwährend in

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Japanische Häfen.
Schwester in den Schatten. Das Fremdenviertel von Kobé wird daher
kurz das „model settlement“ von Japan genannt.

Das Innere der beiden Städte entspricht vollkommen dem Ein-
drucke, welchen die der See zugewandte Aussenseite macht; in Kobé
finden wir die Villenstadt par excellence, von einem äusserst regel-
mässigen breiten und wohlgepflegten Strassennetz durchkreuzt, jedes
einzelne Haus in den für den Bewohner ausreichenden Dimensionen
gehalten und mit einer Gartenanlage umgeben, die in der meist
glücklich gewählten Combination von europäischen und japanischen
Ziergewächsen umsomehr einen schönen und eigenartigen Anblick
bietet, da die japanische Gartenkunst ihr Hauptaugenmerk auf die
Cultur ausserordentlich kleiner Zwergpflanzen und auf groteske Ori-
ginalität richtet.

Landwärts und anlehnend an Hiogo schliessen an den europäisch
angehauchten Stadttheil Gruppen japanischer Häuser an, welche die
Regelmässigkeit der Strassenzüge nicht beeinflussen. Ihr Bau-
material ist Holz; die Häuschen werden niedriger und die Gärten
kleiner, das Terrain steigt leicht an; vor uns läuft der Damm der
Kobé-Hiogo mit den Städten Osaka und Kioto und dem Landinnern
verbindenden Eisenbahn; zur Linken liegt der Fluss und zwischen
Fluss und Damm eingeschoben liegen die ausgebreiteten Tempel-
gründe Nanküsan’s. Es sind da keine besonders auffallenden Bauten
vorhanden, die den Plan zieren; auch sind sie keinesfalls mit den
Tempeln Kiotos oder Tokios in eine Linie zu stellen, es sind eben
nur einfache, ziemlich räumliche Säulenhallen, die von einem der
Form nach äusserst schwerfälligen Dache geschützt und durch mobile
Wände in verschieden grosse, ihrer Bestimmung gemäss eingerichtete
Räumlichkeiten getheilt sind.

Die freien Gründe zwischen den Tempeln sind mit Buden und
Verkaufsstellen dicht besetzt, die meist nur Gegenstände des japani-
schen Hausrathes oder aber Spielgeräthe, denen der Japaner auch
in gesetzten Jahren nicht abhold ist, zum Verkaufe ausgelegt haben.
Hier ist jahraus jahrein ein Markt, der aber merkwürdiger Weise
täglich erst in den Abendstunden eröffnet und weit nach Mitternacht
geschlossen wird.

Unzählige, in den mannigfachsten Farben erglänzende Lampions
erleuchten das Terrain, tausende von Weiblein und Männlein trippeln
um die eng aneinander gerückten Buden; durch das Hauptthor der
Tempelgründe drängt und zwängt sich Alt und Jung fortwährend in

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[363/0379] Japanische Häfen. Schwester in den Schatten. Das Fremdenviertel von Kobé wird daher kurz das „model settlement“ von Japan genannt. Das Innere der beiden Städte entspricht vollkommen dem Ein- drucke, welchen die der See zugewandte Aussenseite macht; in Kobé finden wir die Villenstadt par excellence, von einem äusserst regel- mässigen breiten und wohlgepflegten Strassennetz durchkreuzt, jedes einzelne Haus in den für den Bewohner ausreichenden Dimensionen gehalten und mit einer Gartenanlage umgeben, die in der meist glücklich gewählten Combination von europäischen und japanischen Ziergewächsen umsomehr einen schönen und eigenartigen Anblick bietet, da die japanische Gartenkunst ihr Hauptaugenmerk auf die Cultur ausserordentlich kleiner Zwergpflanzen und auf groteske Ori- ginalität richtet. Landwärts und anlehnend an Hiogo schliessen an den europäisch angehauchten Stadttheil Gruppen japanischer Häuser an, welche die Regelmässigkeit der Strassenzüge nicht beeinflussen. Ihr Bau- material ist Holz; die Häuschen werden niedriger und die Gärten kleiner, das Terrain steigt leicht an; vor uns läuft der Damm der Kobé-Hiogo mit den Städten Osaka und Kioto und dem Landinnern verbindenden Eisenbahn; zur Linken liegt der Fluss und zwischen Fluss und Damm eingeschoben liegen die ausgebreiteten Tempel- gründe Nanküsan’s. Es sind da keine besonders auffallenden Bauten vorhanden, die den Plan zieren; auch sind sie keinesfalls mit den Tempeln Kiotos oder Tokios in eine Linie zu stellen, es sind eben nur einfache, ziemlich räumliche Säulenhallen, die von einem der Form nach äusserst schwerfälligen Dache geschützt und durch mobile Wände in verschieden grosse, ihrer Bestimmung gemäss eingerichtete Räumlichkeiten getheilt sind. Die freien Gründe zwischen den Tempeln sind mit Buden und Verkaufsstellen dicht besetzt, die meist nur Gegenstände des japani- schen Hausrathes oder aber Spielgeräthe, denen der Japaner auch in gesetzten Jahren nicht abhold ist, zum Verkaufe ausgelegt haben. Hier ist jahraus jahrein ein Markt, der aber merkwürdiger Weise täglich erst in den Abendstunden eröffnet und weit nach Mitternacht geschlossen wird. Unzählige, in den mannigfachsten Farben erglänzende Lampions erleuchten das Terrain, tausende von Weiblein und Männlein trippeln um die eng aneinander gerückten Buden; durch das Hauptthor der Tempelgründe drängt und zwängt sich Alt und Jung fortwährend in 46*

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/379>, abgerufen am 17.05.2024.