Schiff wurde an den Küsten des Inselreiches zugelassen und jedem Versuche zum Betreten des Landes seitens Fremder der entschiedenste Widerstand entgegengesetzt.
Die Holländer und Chinesen, als die einzigen Fremden, denen (in sehr beschränkter Zahl) nach Absperrung des Landes das Ver- bleiben in demselben gestattet war, wurden bei Nagasaki internirt und dortselbst wie Gefangene überwacht, ihr Handel auf ein Minimum reducirt, unter Regierungscontrole gestellt und die Geschäfte zwischen eigenen und fremden Kaufleuten durch besonders angestellte Beamte vermittelt. Nur einmal in jedem Jahre öffnete sich das Thor der Ringmauer, mit der die Fremdenansiedlung umgeben war, um den Vertretern derselben den Durchzug zu gestatten. Die Huldigungsfahrt in die Residenz des Shogun war die einzige Gelegenheit, Japan aus eigener Anschauung ungefährdet kennen zu lernen, theuer genug er- kauft durch die bedeutenden unter dem Namen von Geschenken dar- gebrachten Abgaben und durch die erniedrigende Behandlung, die den Fremden von den Machthabern und an deren Höfen zutheil wurde.
Die Vorgänge im Innern des Landes während der zwei Jahr- hunderte dauernden vollkommenen Abschliessung liegen ausser dem Rahmen unserer Beschreibung und gipfeln in der Ausbildung des voll- kommensten Feudalsystems.
Der Mikado (auch Tenno oder Tenshi, Titel des Kaisers von Japan), vor Zeiten dem Volke gegenüber mit gottähnlichem Nimbus ausgestattet, war jeder Macht entkleidet, während der Shogun der eigentliche Herrscher mit der Macht über Leben und Tod der Daimios war. Dazu bestand ein Heer von Samurais (Krieger), die ihr Leben in Waffenübungen verbrachten und keine andere Verpflich- tung hatten, als den übertriebenen Begriffen von Ehre in weit- gehendster Weise zu huldigen und nöthigen Falls für ihre Gebieter den Heldentod zu sterben, während das Volk grösstentheils Acker- bau und Handel trieb und ohne viele Sorgen weiter lebte, da die eigenen Bedürfnisse gering waren und die zu leistenden Abgaben zum Ertrage des Bodens und der Arbeit in keinem Missverhältnisse standen.
In der Mitte unseres Jahrhunderts, als Handel und Verkehr an der Westküste Amerikas an Ausdehnung gewannen, gestaltete sich die Abschliessung Japans für die Ausbreitung des Welthandels zu einem um so unliebsameren Hinderniss, als man den immensen Reichthum dieses bedeutenden Inselreiches an Natur- und Kunstproducten kannte. In den Vereinigten Staaten von Nordamerika kamen zuerst Stimmen
Der grosse Ocean.
Schiff wurde an den Küsten des Inselreiches zugelassen und jedem Versuche zum Betreten des Landes seitens Fremder der entschiedenste Widerstand entgegengesetzt.
Die Holländer und Chinesen, als die einzigen Fremden, denen (in sehr beschränkter Zahl) nach Absperrung des Landes das Ver- bleiben in demselben gestattet war, wurden bei Nagasaki internirt und dortselbst wie Gefangene überwacht, ihr Handel auf ein Minimum reducirt, unter Regierungscontrole gestellt und die Geschäfte zwischen eigenen und fremden Kaufleuten durch besonders angestellte Beamte vermittelt. Nur einmal in jedem Jahre öffnete sich das Thor der Ringmauer, mit der die Fremdenansiedlung umgeben war, um den Vertretern derselben den Durchzug zu gestatten. Die Huldigungsfahrt in die Residenz des Shogun war die einzige Gelegenheit, Japan aus eigener Anschauung ungefährdet kennen zu lernen, theuer genug er- kauft durch die bedeutenden unter dem Namen von Geschenken dar- gebrachten Abgaben und durch die erniedrigende Behandlung, die den Fremden von den Machthabern und an deren Höfen zutheil wurde.
Die Vorgänge im Innern des Landes während der zwei Jahr- hunderte dauernden vollkommenen Abschliessung liegen ausser dem Rahmen unserer Beschreibung und gipfeln in der Ausbildung des voll- kommensten Feudalsystems.
Der Mikado (auch Tennô oder Tenshi, Titel des Kaisers von Japan), vor Zeiten dem Volke gegenüber mit gottähnlichem Nimbus ausgestattet, war jeder Macht entkleidet, während der Shogun der eigentliche Herrscher mit der Macht über Leben und Tod der Daimios war. Dazu bestand ein Heer von Samurais (Krieger), die ihr Leben in Waffenübungen verbrachten und keine andere Verpflich- tung hatten, als den übertriebenen Begriffen von Ehre in weit- gehendster Weise zu huldigen und nöthigen Falls für ihre Gebieter den Heldentod zu sterben, während das Volk grösstentheils Acker- bau und Handel trieb und ohne viele Sorgen weiter lebte, da die eigenen Bedürfnisse gering waren und die zu leistenden Abgaben zum Ertrage des Bodens und der Arbeit in keinem Missverhältnisse standen.
In der Mitte unseres Jahrhunderts, als Handel und Verkehr an der Westküste Amerikas an Ausdehnung gewannen, gestaltete sich die Abschliessung Japans für die Ausbreitung des Welthandels zu einem um so unliebsameren Hinderniss, als man den immensen Reichthum dieses bedeutenden Inselreiches an Natur- und Kunstproducten kannte. In den Vereinigten Staaten von Nordamerika kamen zuerst Stimmen
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Der grosse Ocean.
Schiff wurde an den Küsten des Inselreiches zugelassen und jedem
Versuche zum Betreten des Landes seitens Fremder der entschiedenste
Widerstand entgegengesetzt.
Die Holländer und Chinesen, als die einzigen Fremden, denen
(in sehr beschränkter Zahl) nach Absperrung des Landes das Ver-
bleiben in demselben gestattet war, wurden bei Nagasaki internirt
und dortselbst wie Gefangene überwacht, ihr Handel auf ein Minimum
reducirt, unter Regierungscontrole gestellt und die Geschäfte zwischen
eigenen und fremden Kaufleuten durch besonders angestellte Beamte
vermittelt. Nur einmal in jedem Jahre öffnete sich das Thor der
Ringmauer, mit der die Fremdenansiedlung umgeben war, um den
Vertretern derselben den Durchzug zu gestatten. Die Huldigungsfahrt
in die Residenz des Shogun war die einzige Gelegenheit, Japan aus
eigener Anschauung ungefährdet kennen zu lernen, theuer genug er-
kauft durch die bedeutenden unter dem Namen von Geschenken dar-
gebrachten Abgaben und durch die erniedrigende Behandlung, die
den Fremden von den Machthabern und an deren Höfen zutheil wurde.
Die Vorgänge im Innern des Landes während der zwei Jahr-
hunderte dauernden vollkommenen Abschliessung liegen ausser dem
Rahmen unserer Beschreibung und gipfeln in der Ausbildung des voll-
kommensten Feudalsystems.
Der Mikado (auch Tennô oder Tenshi, Titel des Kaisers von
Japan), vor Zeiten dem Volke gegenüber mit gottähnlichem Nimbus
ausgestattet, war jeder Macht entkleidet, während der Shogun der
eigentliche Herrscher mit der Macht über Leben und Tod der
Daimios war. Dazu bestand ein Heer von Samurais (Krieger), die
ihr Leben in Waffenübungen verbrachten und keine andere Verpflich-
tung hatten, als den übertriebenen Begriffen von Ehre in weit-
gehendster Weise zu huldigen und nöthigen Falls für ihre Gebieter
den Heldentod zu sterben, während das Volk grösstentheils Acker-
bau und Handel trieb und ohne viele Sorgen weiter lebte, da die
eigenen Bedürfnisse gering waren und die zu leistenden Abgaben
zum Ertrage des Bodens und der Arbeit in keinem Missverhältnisse
standen.
In der Mitte unseres Jahrhunderts, als Handel und Verkehr an
der Westküste Amerikas an Ausdehnung gewannen, gestaltete sich die
Abschliessung Japans für die Ausbreitung des Welthandels zu einem
um so unliebsameren Hinderniss, als man den immensen Reichthum
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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 346. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/362>, abgerufen am 22.11.2024.
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