herbeiführte, so war die Beschränkung der Handelsfreiheit doch so- weit im Interesse der Japaner, dass sie auf die aus derselben direct resultirenden Einnahmsquellen nicht verzichten wollten, wobei in der Verkürzung des Gewinnes der Fremden der gegenseitige Neid immer reichere Nahrung fand und häufigen Anlass zu schärferen Einschrän- kungen bot.
Holländische Kaufleute, die um das Jahr 1600 nach Japan kamen, sollen die christlichen Missionäre bei der Regierung dahin verdächtigt haben, dass sich dieselben politischer Umtriebe schuldig machten, wodurch sie hofften, die Zuneigung des Shoguns *) in einer Weise zu gewinnen und sie weiters auf Kosten der bis dahin gleich- berechtigten anderen europäischen Handelsleute für ihre Geschäfts- interessen dahin auszunützen, dass ihnen ein ausschliessliches Handels- monopol zugewendet werde.
Ein Regierungswechsel, der die Familie der Togugawa zum Shogunat erhob, hatte die entschiedenste Aenderung in dem Verhalten Japans gegen die Christen und Fremden zur Folge. Als eifrigste Anhänger des Feudalsystems, dem die neuen Shogune huldigten, fanden diese schon darin einen Grund, sich der Ausbreitung der neuen Lehre zu widersetzen, dass die Principien dieser Lehre das Bestreben nach Centralisation der Macht auf Basis des auf höherer Geburt ge- gründeten Rechtes in keiner Weise unterstützten.
Es erfolgten Edicte, welche jedem Japaner die Lossagung vom Christenthume strengstens anordneten und die Ausweisung der Missio- näre verfügten.
Mit bewunderungswürdigem Opfermuthe wurde von Seite sowohl der Missionäre als auch der zum neuen Glauben bekehrten Japaner den Anordnungen der Regierung der entschiedenste Widerstand ent- gegengesetzt, was seitens der letzteren die Anwendung der rücksichts- losesten und grausamsten Gewaltmittel zur Folge hatte. Christen- verfolgungen, die jenen des alten Rom an Grauen erregenden Scenen kaum nachstehen, waren nun an der Tagesordnung. Wenn den Berichten über die Ausführung dieser Schreckensthaten auch nur einigermassen Glauben geschenkt werden darf, so ist es fast Wunder zu nennen, wie der Widerstand ein derart zäher sein konnte, dass es nach einer mehr als zwei Jahrzehnte dauernden Verfolgung, in welcher die Leichen der Märtyrer am Kreuze, auf dem Scheiterhaufen und in
*) Shogun ist Abkürzung von Sei-i-tai-shogun, d. i. grosser General, auch Toikun, ein Titel des weltlichen Herrschers.
Der grosse Ocean.
herbeiführte, so war die Beschränkung der Handelsfreiheit doch so- weit im Interesse der Japaner, dass sie auf die aus derselben direct resultirenden Einnahmsquellen nicht verzichten wollten, wobei in der Verkürzung des Gewinnes der Fremden der gegenseitige Neid immer reichere Nahrung fand und häufigen Anlass zu schärferen Einschrän- kungen bot.
Holländische Kaufleute, die um das Jahr 1600 nach Japan kamen, sollen die christlichen Missionäre bei der Regierung dahin verdächtigt haben, dass sich dieselben politischer Umtriebe schuldig machten, wodurch sie hofften, die Zuneigung des Shoguns *) in einer Weise zu gewinnen und sie weiters auf Kosten der bis dahin gleich- berechtigten anderen europäischen Handelsleute für ihre Geschäfts- interessen dahin auszunützen, dass ihnen ein ausschliessliches Handels- monopol zugewendet werde.
Ein Regierungswechsel, der die Familie der Togugawa zum Shogunat erhob, hatte die entschiedenste Aenderung in dem Verhalten Japans gegen die Christen und Fremden zur Folge. Als eifrigste Anhänger des Feudalsystems, dem die neuen Shogune huldigten, fanden diese schon darin einen Grund, sich der Ausbreitung der neuen Lehre zu widersetzen, dass die Principien dieser Lehre das Bestreben nach Centralisation der Macht auf Basis des auf höherer Geburt ge- gründeten Rechtes in keiner Weise unterstützten.
Es erfolgten Edicte, welche jedem Japaner die Lossagung vom Christenthume strengstens anordneten und die Ausweisung der Missio- näre verfügten.
Mit bewunderungswürdigem Opfermuthe wurde von Seite sowohl der Missionäre als auch der zum neuen Glauben bekehrten Japaner den Anordnungen der Regierung der entschiedenste Widerstand ent- gegengesetzt, was seitens der letzteren die Anwendung der rücksichts- losesten und grausamsten Gewaltmittel zur Folge hatte. Christen- verfolgungen, die jenen des alten Rom an Grauen erregenden Scenen kaum nachstehen, waren nun an der Tagesordnung. Wenn den Berichten über die Ausführung dieser Schreckensthaten auch nur einigermassen Glauben geschenkt werden darf, so ist es fast Wunder zu nennen, wie der Widerstand ein derart zäher sein konnte, dass es nach einer mehr als zwei Jahrzehnte dauernden Verfolgung, in welcher die Leichen der Märtyrer am Kreuze, auf dem Scheiterhaufen und in
*) Shogun ist Abkürzung von Sei-i-tai-shogun, d. i. grosser General, auch Toikun, ein Tïtel des weltlichen Herrschers.
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Der grosse Ocean.
herbeiführte, so war die Beschränkung der Handelsfreiheit doch so-
weit im Interesse der Japaner, dass sie auf die aus derselben direct
resultirenden Einnahmsquellen nicht verzichten wollten, wobei in der
Verkürzung des Gewinnes der Fremden der gegenseitige Neid immer
reichere Nahrung fand und häufigen Anlass zu schärferen Einschrän-
kungen bot.
Holländische Kaufleute, die um das Jahr 1600 nach Japan
kamen, sollen die christlichen Missionäre bei der Regierung dahin
verdächtigt haben, dass sich dieselben politischer Umtriebe schuldig
machten, wodurch sie hofften, die Zuneigung des Shoguns *) in einer
Weise zu gewinnen und sie weiters auf Kosten der bis dahin gleich-
berechtigten anderen europäischen Handelsleute für ihre Geschäfts-
interessen dahin auszunützen, dass ihnen ein ausschliessliches Handels-
monopol zugewendet werde.
Ein Regierungswechsel, der die Familie der Togugawa zum
Shogunat erhob, hatte die entschiedenste Aenderung in dem Verhalten
Japans gegen die Christen und Fremden zur Folge. Als eifrigste
Anhänger des Feudalsystems, dem die neuen Shogune huldigten,
fanden diese schon darin einen Grund, sich der Ausbreitung der neuen
Lehre zu widersetzen, dass die Principien dieser Lehre das Bestreben
nach Centralisation der Macht auf Basis des auf höherer Geburt ge-
gründeten Rechtes in keiner Weise unterstützten.
Es erfolgten Edicte, welche jedem Japaner die Lossagung vom
Christenthume strengstens anordneten und die Ausweisung der Missio-
näre verfügten.
Mit bewunderungswürdigem Opfermuthe wurde von Seite sowohl
der Missionäre als auch der zum neuen Glauben bekehrten Japaner
den Anordnungen der Regierung der entschiedenste Widerstand ent-
gegengesetzt, was seitens der letzteren die Anwendung der rücksichts-
losesten und grausamsten Gewaltmittel zur Folge hatte. Christen-
verfolgungen, die jenen des alten Rom an Grauen erregenden Scenen
kaum nachstehen, waren nun an der Tagesordnung. Wenn den
Berichten über die Ausführung dieser Schreckensthaten auch nur
einigermassen Glauben geschenkt werden darf, so ist es fast Wunder
zu nennen, wie der Widerstand ein derart zäher sein konnte, dass es
nach einer mehr als zwei Jahrzehnte dauernden Verfolgung, in welcher
die Leichen der Märtyrer am Kreuze, auf dem Scheiterhaufen und in
*) Shogun ist Abkürzung von Sei-i-tai-shogun, d. i. grosser General, auch
Toikun, ein Tïtel des weltlichen Herrschers.
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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 344. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/360>, abgerufen am 22.11.2024.
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