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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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Der grosse Ocean.
eines der grössten der Welt, ist das mit einem Kostenaufwand von
3,250.000 Dollars erbaute Palace Hotel, welches 1200 Bewohner be-
herbergen kann. Das Gebäude zeichnet sich insbesondere durch seine
zahlreichen Fenster aus, welche Bauart übrigens für alle Luxusbauten
der Stadt charakteristisch ist. Um das sechsstöckige Haus gegen
Erdbeben widerstandsfähig zu machen, wurde in dessen Mauern ein
eisernes Gitterwerk eingefügt.

Von den zahlreichen mildthätigen Anstalten verdienen besondere
Erwähnung: Das Marine-Hospital, das städtische Hospital, das
Magdalenen-Asyl, die Besserungsanstalt und eine namhafte Anzahl von
Waisenhäusern.

Bei dem kurzen Bestehen San Franciscos als grosser Stadt ist
die Bevölkerung im Allgemeinen ungemein bunt und verschiedenartig.
In dem kosmopolitischen Gepräge des Lebens, in welchem sich theil-
weise auch noch spanische Sitten und Gebräuche erhalten haben,
tritt das Yankeethum einigermassen zurück. Das grösste Fremden-
contingent stellt Irland, ihm zunächst steht Deutschland. Deutsche
Schulen und Geselligkeitsvereine, eine reiche Unterstützungsgesell-
schaft für arme Einwanderer, ein eigenes Theater und der oft mass-
gebende deutsche Einfluss auf die verschiedenen Zweige des socialen
Lebens in San Francisco sind bezeichnend genug für das Ansehen
und die Grösse der deutschen Colonie. Kleinere Einwanderercontin-
gente stellen Spanien und Frankreich, sowie auch Oesterreich (Dal-
matien).

Die zahlreichsten, gleichzeitig aber auch die unbeliebtesten
Fremden im Weichbilde der Stadt, sind unstreitig die 30.000 Chinesen,
deren Nationaltracht und deren Schriftzeichen auf den Aushänge-
schildern der Kaufläden San Francisco um einen fremdartigen Zug
bereichern. Das chinesische Viertel, die "China Town", ist Wohn-
sitz der ärmeren Classen und der Arbeiter, es enthält auch deren
Spiel- und Opiumhäuser. Die chinesischen Gastwirthe und Unter-
nehmer pflegen mit Vorliebe ältere europäische Häuser anzukaufen,
brechen aber sehr viele Durchgänge aus und bauen eine solche
Unzahl von Anhängseln hinzu, dass ein Wirrsal von Räumen entsteht,
in welchen die Bewohner eng zusammengepfercht hausen.

So lange Californien zu Mexico gehörte, waren daselbst keine
Chinesen ansässig. Erst die Entdeckung des vielen Goldes daselbst
und der Bau der ersten Pacificbahn zog die Chinesen ins Land.
Anfangs wurden sie von amerikanischen Unternehmern als billige
Arbeitskraft aus ihrer Heimat geholt, bald kamen sie aber frei-

Der grosse Ocean.
eines der grössten der Welt, ist das mit einem Kostenaufwand von
3,250.000 Dollars erbaute Palace Hotel, welches 1200 Bewohner be-
herbergen kann. Das Gebäude zeichnet sich insbesondere durch seine
zahlreichen Fenster aus, welche Bauart übrigens für alle Luxusbauten
der Stadt charakteristisch ist. Um das sechsstöckige Haus gegen
Erdbeben widerstandsfähig zu machen, wurde in dessen Mauern ein
eisernes Gitterwerk eingefügt.

Von den zahlreichen mildthätigen Anstalten verdienen besondere
Erwähnung: Das Marine-Hospital, das städtische Hospital, das
Magdalenen-Asyl, die Besserungsanstalt und eine namhafte Anzahl von
Waisenhäusern.

Bei dem kurzen Bestehen San Franciscos als grosser Stadt ist
die Bevölkerung im Allgemeinen ungemein bunt und verschiedenartig.
In dem kosmopolitischen Gepräge des Lebens, in welchem sich theil-
weise auch noch spanische Sitten und Gebräuche erhalten haben,
tritt das Yankeethum einigermassen zurück. Das grösste Fremden-
contingent stellt Irland, ihm zunächst steht Deutschland. Deutsche
Schulen und Geselligkeitsvereine, eine reiche Unterstützungsgesell-
schaft für arme Einwanderer, ein eigenes Theater und der oft mass-
gebende deutsche Einfluss auf die verschiedenen Zweige des socialen
Lebens in San Francisco sind bezeichnend genug für das Ansehen
und die Grösse der deutschen Colonie. Kleinere Einwanderercontin-
gente stellen Spanien und Frankreich, sowie auch Oesterreich (Dal-
matien).

Die zahlreichsten, gleichzeitig aber auch die unbeliebtesten
Fremden im Weichbilde der Stadt, sind unstreitig die 30.000 Chinesen,
deren Nationaltracht und deren Schriftzeichen auf den Aushänge-
schildern der Kaufläden San Francisco um einen fremdartigen Zug
bereichern. Das chinesische Viertel, die „China Town“, ist Wohn-
sitz der ärmeren Classen und der Arbeiter, es enthält auch deren
Spiel- und Opiumhäuser. Die chinesischen Gastwirthe und Unter-
nehmer pflegen mit Vorliebe ältere europäische Häuser anzukaufen,
brechen aber sehr viele Durchgänge aus und bauen eine solche
Unzahl von Anhängseln hinzu, dass ein Wirrsal von Räumen entsteht,
in welchen die Bewohner eng zusammengepfercht hausen.

So lange Californien zu Mexico gehörte, waren daselbst keine
Chinesen ansässig. Erst die Entdeckung des vielen Goldes daselbst
und der Bau der ersten Pacificbahn zog die Chinesen ins Land.
Anfangs wurden sie von amerikanischen Unternehmern als billige
Arbeitskraft aus ihrer Heimat geholt, bald kamen sie aber frei-

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[328/0344] Der grosse Ocean. eines der grössten der Welt, ist das mit einem Kostenaufwand von 3,250.000 Dollars erbaute Palace Hotel, welches 1200 Bewohner be- herbergen kann. Das Gebäude zeichnet sich insbesondere durch seine zahlreichen Fenster aus, welche Bauart übrigens für alle Luxusbauten der Stadt charakteristisch ist. Um das sechsstöckige Haus gegen Erdbeben widerstandsfähig zu machen, wurde in dessen Mauern ein eisernes Gitterwerk eingefügt. Von den zahlreichen mildthätigen Anstalten verdienen besondere Erwähnung: Das Marine-Hospital, das städtische Hospital, das Magdalenen-Asyl, die Besserungsanstalt und eine namhafte Anzahl von Waisenhäusern. Bei dem kurzen Bestehen San Franciscos als grosser Stadt ist die Bevölkerung im Allgemeinen ungemein bunt und verschiedenartig. In dem kosmopolitischen Gepräge des Lebens, in welchem sich theil- weise auch noch spanische Sitten und Gebräuche erhalten haben, tritt das Yankeethum einigermassen zurück. Das grösste Fremden- contingent stellt Irland, ihm zunächst steht Deutschland. Deutsche Schulen und Geselligkeitsvereine, eine reiche Unterstützungsgesell- schaft für arme Einwanderer, ein eigenes Theater und der oft mass- gebende deutsche Einfluss auf die verschiedenen Zweige des socialen Lebens in San Francisco sind bezeichnend genug für das Ansehen und die Grösse der deutschen Colonie. Kleinere Einwanderercontin- gente stellen Spanien und Frankreich, sowie auch Oesterreich (Dal- matien). Die zahlreichsten, gleichzeitig aber auch die unbeliebtesten Fremden im Weichbilde der Stadt, sind unstreitig die 30.000 Chinesen, deren Nationaltracht und deren Schriftzeichen auf den Aushänge- schildern der Kaufläden San Francisco um einen fremdartigen Zug bereichern. Das chinesische Viertel, die „China Town“, ist Wohn- sitz der ärmeren Classen und der Arbeiter, es enthält auch deren Spiel- und Opiumhäuser. Die chinesischen Gastwirthe und Unter- nehmer pflegen mit Vorliebe ältere europäische Häuser anzukaufen, brechen aber sehr viele Durchgänge aus und bauen eine solche Unzahl von Anhängseln hinzu, dass ein Wirrsal von Räumen entsteht, in welchen die Bewohner eng zusammengepfercht hausen. So lange Californien zu Mexico gehörte, waren daselbst keine Chinesen ansässig. Erst die Entdeckung des vielen Goldes daselbst und der Bau der ersten Pacificbahn zog die Chinesen ins Land. Anfangs wurden sie von amerikanischen Unternehmern als billige Arbeitskraft aus ihrer Heimat geholt, bald kamen sie aber frei-

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 328. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/344>, abgerufen am 23.11.2024.