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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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Der Panama-Canal.

Balbao und Pizarro fassten schon damals den Gedanken, die
Landenge von Panama zu durchstechen, doch war derselbe technisch
und politisch verfrüht und darum unfruchtbar.

Spanien, ja die ganze damalige Christenheit besassen nicht die
Mittel, ein solches Unternehmen auszuführen, selbst wenn es das
höchste Staatsinteresse geboten hätte. Nun lag aber der spanischen
Colonialpolitik nichts ferner, als ein auf freihändlerischer Tendenz
basirtes Bauwerk aufzuführen. Die spanischen Häfen jenseits des
Oceans blieben bis in unser Jahrhundert jedem fremden Schiffe ver-
schlossen.

Praktisch wurde aber die Südsee aus dem Reiche der Mythen
und Fabeln ins Bereich des lebendigen, internationalen Verkehrslebens
erst durch die Entdeckung der Goldkörner auf der Farm des Capi-
täns Sutter in Californien 1848 gezogen.

Die Zeit von 1848 bis 1886 ist es, wo der Grosse Ocean mit
einemmale von allen Seiten in den Welthandel gezogen wurde.

Alle seefahrenden Nationen haben heute das Gefühl, dass dem
Welthandel, welcher sich nun fast 400 Jahre auf dem Atlantischen
und Indischen Ocean abspielte, ein neues, unermesslich reiches Ge-
biet im Stillen Ocean und dessen Gestadeländern erschlossen sei.
Alle suchen sich einen Antheil an diesem hohen Gewinne zu sichern;
daher das allgemeine Interesse für jeden neuen Handelsweg, der
dieses Gebiet erschliesst.

Freilich direct nach der Entdeckung der reichen Goldfelder
Californiens beschäftigte sich Niemand mit grossen handelspolitischen
Fragen über den Werth der Südsee, dafür trat die realistische Frage:
"Wie komme ich in das Wunderland am Sacramento, wo das Gold
in den Bächen liegt und wo man in wenig Tagen vom Bettler zum
Millionär werden kann?" in den Vordergrund. Für die vielen Tausende
"Californier", welche vom wilden Goldfieber getrieben dem fernen
Westen Amerikas zusteuerten, gab es nur zwei Wege, beide gleich
lang, gleich kostspielig und fast gleich gefährlich; der eine führte
um Südamerika herum, der andere durch die menschenleeren Prairien,
über die wegelosen Hochthäler der Cordillere, wo Hunger, Kälte,
Rothhäute und last not least, der Abschaum der Weissen den Ein-
wanderern in tausendfachen Gefahren entgegentraten.

Unter solchen Umständen lag der Gedanke sehr nahe, über die
Landenge von Panama zu gehen und die Seereise um wenigstens
5000 Seemeilen abzukürzen. In Wahrheit stürzten sich auch sofort
Tausende von Goldsuchern auf diesen von der Natur vorgezeichneten

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Der Panama-Canal.

Balbao und Pizarro fassten schon damals den Gedanken, die
Landenge von Panama zu durchstechen, doch war derselbe technisch
und politisch verfrüht und darum unfruchtbar.

Spanien, ja die ganze damalige Christenheit besassen nicht die
Mittel, ein solches Unternehmen auszuführen, selbst wenn es das
höchste Staatsinteresse geboten hätte. Nun lag aber der spanischen
Colonialpolitik nichts ferner, als ein auf freihändlerischer Tendenz
basirtes Bauwerk aufzuführen. Die spanischen Häfen jenseits des
Oceans blieben bis in unser Jahrhundert jedem fremden Schiffe ver-
schlossen.

Praktisch wurde aber die Südsee aus dem Reiche der Mythen
und Fabeln ins Bereich des lebendigen, internationalen Verkehrslebens
erst durch die Entdeckung der Goldkörner auf der Farm des Capi-
täns Sutter in Californien 1848 gezogen.

Die Zeit von 1848 bis 1886 ist es, wo der Grosse Ocean mit
einemmale von allen Seiten in den Welthandel gezogen wurde.

Alle seefahrenden Nationen haben heute das Gefühl, dass dem
Welthandel, welcher sich nun fast 400 Jahre auf dem Atlantischen
und Indischen Ocean abspielte, ein neues, unermesslich reiches Ge-
biet im Stillen Ocean und dessen Gestadeländern erschlossen sei.
Alle suchen sich einen Antheil an diesem hohen Gewinne zu sichern;
daher das allgemeine Interesse für jeden neuen Handelsweg, der
dieses Gebiet erschliesst.

Freilich direct nach der Entdeckung der reichen Goldfelder
Californiens beschäftigte sich Niemand mit grossen handelspolitischen
Fragen über den Werth der Südsee, dafür trat die realistische Frage:
„Wie komme ich in das Wunderland am Sacramento, wo das Gold
in den Bächen liegt und wo man in wenig Tagen vom Bettler zum
Millionär werden kann?“ in den Vordergrund. Für die vielen Tausende
„Californier“, welche vom wilden Goldfieber getrieben dem fernen
Westen Amerikas zusteuerten, gab es nur zwei Wege, beide gleich
lang, gleich kostspielig und fast gleich gefährlich; der eine führte
um Südamerika herum, der andere durch die menschenleeren Prairien,
über die wegelosen Hochthäler der Cordillere, wo Hunger, Kälte,
Rothhäute und last not least, der Abschaum der Weissen den Ein-
wanderern in tausendfachen Gefahren entgegentraten.

Unter solchen Umständen lag der Gedanke sehr nahe, über die
Landenge von Panama zu gehen und die Seereise um wenigstens
5000 Seemeilen abzukürzen. In Wahrheit stürzten sich auch sofort
Tausende von Goldsuchern auf diesen von der Natur vorgezeichneten

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[219/0235] Der Panama-Canal. Balbao und Pizarro fassten schon damals den Gedanken, die Landenge von Panama zu durchstechen, doch war derselbe technisch und politisch verfrüht und darum unfruchtbar. Spanien, ja die ganze damalige Christenheit besassen nicht die Mittel, ein solches Unternehmen auszuführen, selbst wenn es das höchste Staatsinteresse geboten hätte. Nun lag aber der spanischen Colonialpolitik nichts ferner, als ein auf freihändlerischer Tendenz basirtes Bauwerk aufzuführen. Die spanischen Häfen jenseits des Oceans blieben bis in unser Jahrhundert jedem fremden Schiffe ver- schlossen. Praktisch wurde aber die Südsee aus dem Reiche der Mythen und Fabeln ins Bereich des lebendigen, internationalen Verkehrslebens erst durch die Entdeckung der Goldkörner auf der Farm des Capi- täns Sutter in Californien 1848 gezogen. Die Zeit von 1848 bis 1886 ist es, wo der Grosse Ocean mit einemmale von allen Seiten in den Welthandel gezogen wurde. Alle seefahrenden Nationen haben heute das Gefühl, dass dem Welthandel, welcher sich nun fast 400 Jahre auf dem Atlantischen und Indischen Ocean abspielte, ein neues, unermesslich reiches Ge- biet im Stillen Ocean und dessen Gestadeländern erschlossen sei. Alle suchen sich einen Antheil an diesem hohen Gewinne zu sichern; daher das allgemeine Interesse für jeden neuen Handelsweg, der dieses Gebiet erschliesst. Freilich direct nach der Entdeckung der reichen Goldfelder Californiens beschäftigte sich Niemand mit grossen handelspolitischen Fragen über den Werth der Südsee, dafür trat die realistische Frage: „Wie komme ich in das Wunderland am Sacramento, wo das Gold in den Bächen liegt und wo man in wenig Tagen vom Bettler zum Millionär werden kann?“ in den Vordergrund. Für die vielen Tausende „Californier“, welche vom wilden Goldfieber getrieben dem fernen Westen Amerikas zusteuerten, gab es nur zwei Wege, beide gleich lang, gleich kostspielig und fast gleich gefährlich; der eine führte um Südamerika herum, der andere durch die menschenleeren Prairien, über die wegelosen Hochthäler der Cordillere, wo Hunger, Kälte, Rothhäute und last not least, der Abschaum der Weissen den Ein- wanderern in tausendfachen Gefahren entgegentraten. Unter solchen Umständen lag der Gedanke sehr nahe, über die Landenge von Panama zu gehen und die Seereise um wenigstens 5000 Seemeilen abzukürzen. In Wahrheit stürzten sich auch sofort Tausende von Goldsuchern auf diesen von der Natur vorgezeichneten 28*

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 219. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/235>, abgerufen am 30.04.2024.