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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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Montreal und Quebec.
die erhabene Wildniss der Uferlandschaften des Stromes wiederholt
vom Donner der Kanonen. Mächtige englische Flotten erschienen da-
selbst und bedrohten im Kampfe gegen die französische Militärmacht
die hervorragenden Städte. Insbesondere hatte Quebec während dieser
Zeit vier feindliche Angriffe durchzuleben, welche den Wohlstand tief
erschütterten. Am 18. September 1759 fiel die von Marquis v. Mont-
calm tapfer vertheidigte Stadt in die Hände der Engländer unter Ad-
miral Sanders und General Wolfe. Die ganze Colonie gelangte
aber erst durch den Pariser Frieden von 1763 unter die Herrschaft
von Grossbritannien. Ein fünfter Angriff auf Quebec erfolgte 1775
während des Unabhängigkeitskrieges der amerikanischen Union.

An der Entwicklung Canadas war die 1670 gegründete und mit vielen
Rechten ausgestattet gewesene Hudsonsbai-Compagnie, obgleich sie der Ein-
wanderung aus Rücksichten für den Pelzhandel entgegenarbeitete, dennoch hervor-
ragend betheiligt, indem die Gesellschaft als thatkräftige Mitbewerberin bei
Hebung der Schätze des Landes auftrat. Ihre Ländereien wurden 1869 von der
englischen Krone käuflich erworben.

Den heutigen Aufschwung dankt die Colonie allein der Staats-
kunst Englands, welche es verstanden hat, dem Lande die Quellen
eines dauernden Wohlstandes zu erschliessen. Wie überall, wo das
Banner Englands weht, war auch in Canada die Hebung und wei-
teste Ausbildung des Unterrichtswesens die sichere Grundlage für die
Erreichung des hohen Zieles. Ausser den Universitäten zu Toronto,
Montreal und Quebec bestehen noch zahlreiche höhere Collegien und
Akademien sowie über 8000 Gemeindeschulen.

Gegenüber dem, dadurch in den Hintergrund gedrängten, franzö-
sischen Colonisationssysteme in Canada, welches auf den im feudalen
Kastensystem des Mutterlandes wurzelnden Anschauungen damaliger
Zeit beruhte und dessen Träger, die adelstolzen Seigneurs, den Werth
der Intelligenz nicht zu schätzen vermochten und das Schulwesen unter-
drückten, führen obige Zahlen eine niederschmetternde, aber gleich-
zeitig lehrreiche Sprache.

Die Schiffahrtsverhältnisse sind durch die Eigenthümlichkeiten des
Lorenz-Stromgebietes und jene des durch die Insel Neufoundland eingeschlossenen
St. Lorenz-Golfes bedingt.

Die Hauptzufahrt zum Strome führt im Norden der Insel durch die
Meerenge Belle Isle und vorbei an der in der Strommündung gelagerten Insel
Anticosti.

Eine zweite Zufahrt ist jene zwischen den Inseln Cap Breton und Neu-
foundland.

Beide Routen sind von den erwähnten Engen bis Montreal gerechnet, je
ungefähr 1800 km lang.


Montreal und Quebec.
die erhabene Wildniss der Uferlandschaften des Stromes wiederholt
vom Donner der Kanonen. Mächtige englische Flotten erschienen da-
selbst und bedrohten im Kampfe gegen die französische Militärmacht
die hervorragenden Städte. Insbesondere hatte Quebec während dieser
Zeit vier feindliche Angriffe durchzuleben, welche den Wohlstand tief
erschütterten. Am 18. September 1759 fiel die von Marquis v. Mont-
calm tapfer vertheidigte Stadt in die Hände der Engländer unter Ad-
miral Sanders und General Wolfe. Die ganze Colonie gelangte
aber erst durch den Pariser Frieden von 1763 unter die Herrschaft
von Grossbritannien. Ein fünfter Angriff auf Quebec erfolgte 1775
während des Unabhängigkeitskrieges der amerikanischen Union.

An der Entwicklung Canadas war die 1670 gegründete und mit vielen
Rechten ausgestattet gewesene Hudsonsbai-Compagnie, obgleich sie der Ein-
wanderung aus Rücksichten für den Pelzhandel entgegenarbeitete, dennoch hervor-
ragend betheiligt, indem die Gesellschaft als thatkräftige Mitbewerberin bei
Hebung der Schätze des Landes auftrat. Ihre Ländereien wurden 1869 von der
englischen Krone käuflich erworben.

Den heutigen Aufschwung dankt die Colonie allein der Staats-
kunst Englands, welche es verstanden hat, dem Lande die Quellen
eines dauernden Wohlstandes zu erschliessen. Wie überall, wo das
Banner Englands weht, war auch in Canada die Hebung und wei-
teste Ausbildung des Unterrichtswesens die sichere Grundlage für die
Erreichung des hohen Zieles. Ausser den Universitäten zu Toronto,
Montreal und Quebec bestehen noch zahlreiche höhere Collegien und
Akademien sowie über 8000 Gemeindeschulen.

Gegenüber dem, dadurch in den Hintergrund gedrängten, franzö-
sischen Colonisationssysteme in Canada, welches auf den im feudalen
Kastensystem des Mutterlandes wurzelnden Anschauungen damaliger
Zeit beruhte und dessen Träger, die adelstolzen Seigneurs, den Werth
der Intelligenz nicht zu schätzen vermochten und das Schulwesen unter-
drückten, führen obige Zahlen eine niederschmetternde, aber gleich-
zeitig lehrreiche Sprache.

Die Schiffahrtsverhältnisse sind durch die Eigenthümlichkeiten des
Lorenz-Stromgebietes und jene des durch die Insel Neufoundland eingeschlossenen
St. Lorenz-Golfes bedingt.

Die Hauptzufahrt zum Strome führt im Norden der Insel durch die
Meerenge Belle Isle und vorbei an der in der Strommündung gelagerten Insel
Anticosti.

Eine zweite Zufahrt ist jene zwischen den Inseln Cap Breton und Neu-
foundland.

Beide Routen sind von den erwähnten Engen bis Montreal gerechnet, je
ungefähr 1800 km lang.


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[7/0023] Montreal und Quebec. die erhabene Wildniss der Uferlandschaften des Stromes wiederholt vom Donner der Kanonen. Mächtige englische Flotten erschienen da- selbst und bedrohten im Kampfe gegen die französische Militärmacht die hervorragenden Städte. Insbesondere hatte Quebec während dieser Zeit vier feindliche Angriffe durchzuleben, welche den Wohlstand tief erschütterten. Am 18. September 1759 fiel die von Marquis v. Mont- calm tapfer vertheidigte Stadt in die Hände der Engländer unter Ad- miral Sanders und General Wolfe. Die ganze Colonie gelangte aber erst durch den Pariser Frieden von 1763 unter die Herrschaft von Grossbritannien. Ein fünfter Angriff auf Quebec erfolgte 1775 während des Unabhängigkeitskrieges der amerikanischen Union. An der Entwicklung Canadas war die 1670 gegründete und mit vielen Rechten ausgestattet gewesene Hudsonsbai-Compagnie, obgleich sie der Ein- wanderung aus Rücksichten für den Pelzhandel entgegenarbeitete, dennoch hervor- ragend betheiligt, indem die Gesellschaft als thatkräftige Mitbewerberin bei Hebung der Schätze des Landes auftrat. Ihre Ländereien wurden 1869 von der englischen Krone käuflich erworben. Den heutigen Aufschwung dankt die Colonie allein der Staats- kunst Englands, welche es verstanden hat, dem Lande die Quellen eines dauernden Wohlstandes zu erschliessen. Wie überall, wo das Banner Englands weht, war auch in Canada die Hebung und wei- teste Ausbildung des Unterrichtswesens die sichere Grundlage für die Erreichung des hohen Zieles. Ausser den Universitäten zu Toronto, Montreal und Quebec bestehen noch zahlreiche höhere Collegien und Akademien sowie über 8000 Gemeindeschulen. Gegenüber dem, dadurch in den Hintergrund gedrängten, franzö- sischen Colonisationssysteme in Canada, welches auf den im feudalen Kastensystem des Mutterlandes wurzelnden Anschauungen damaliger Zeit beruhte und dessen Träger, die adelstolzen Seigneurs, den Werth der Intelligenz nicht zu schätzen vermochten und das Schulwesen unter- drückten, führen obige Zahlen eine niederschmetternde, aber gleich- zeitig lehrreiche Sprache. Die Schiffahrtsverhältnisse sind durch die Eigenthümlichkeiten des Lorenz-Stromgebietes und jene des durch die Insel Neufoundland eingeschlossenen St. Lorenz-Golfes bedingt. Die Hauptzufahrt zum Strome führt im Norden der Insel durch die Meerenge Belle Isle und vorbei an der in der Strommündung gelagerten Insel Anticosti. Eine zweite Zufahrt ist jene zwischen den Inseln Cap Breton und Neu- foundland. Beide Routen sind von den erwähnten Engen bis Montreal gerechnet, je ungefähr 1800 km lang.

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 7. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/23>, abgerufen am 29.03.2024.