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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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Die atlantische Küste von Amerika.

Dieser Wiedereroberungsversuch sollte jedoch für die spanischen Colonisten
Jamaicas, welche man, wohl nicht mit Unrecht, des Einverständnisses mit den
Spaniern beschuldigte, weiters aber auch für die neuen Herren der Insel böse
Folgen haben. Es wurden nämlich alle spanischen Colonisten von der Insel ver-
trieben: die von ihnen zurückgelassenen und der Freiheit wiedergegebenen Neger-
sclaven zogen sich in die Blauen Berge, verwilderten daselbst vollständig und
waren von nun an eine dauernde Calamität für Jamaica, indem sie nicht nur der
Ausbreitung der Cultur in das Innere der Insel fast unbezwingliche Hindernisse
entgegensetzten, sondern nur zu häufig ihre räuberischen Streifzüge auch auf die
tiefer gelegenen Territorien ausdehnten.

Fast ein Jahrhundert dauerten die Kämpfe und Unterhandlungen mit diesen
unter dem Namen Maroons bezeichneten Negern, ohne gegen die in den undurch-
dringlichen Wildnissen hausenden und mit all den wilden Instincten ihrer Race
kämpfenden Stämme dauernde Erfolge erreichen zu können. Selbst das im Anfang
des XVIII. Jahrhunderts angewandte Auskunftsmittel, zur Bekämpfung der Maroon-
Neger kriegerische Indianerstämme von der Mosquitoküste anzuwerben, hatte nicht
den Erfolg, den man sich von dieser eigenthümlichen Bundesgenossenschaft
versprach.

Erst im Jahre 1738 gelang es, die Maroons zur Unterwerfung und fried-
lichen Ansiedlung zu bringen. An den erfolgreichen Kämpfen, welche dieser Ca-
pitulation vorhergingen, hatten die Schweisshunde, welche man nach cubanischem
Beispiel zur Aufspürung und Verfolgung der Neger verwendete, hervorragenden
Antheil genommen. 56 Jahre später erhoben sich die Maroons wieder, zogen sich
wie früher in die Wälder und Schluchten des Hochgebirges zurück und nahmen
ihr räuberisches Metier wieder auf. Mit Hilfe der neuerdings importirten Schweiss-
hunde aus Cuba gelang es jedoch, diesmal bald des Aufstandes Herr zu werden.
Die Maroons wurden nun nach ihrer Unterwerfung zum grössten Theile nach
Sierra Leone deportirt; doch soll es noch in der Gegenwart auf der Insel Ab-
kömmlinge der Maroons geben.

Die Geschichte Jamaicas erzählt uns weiter von einer Reihe von Sclaven-
aufständen; der blutigste derselben fällt in das Jahr 1831, kurz vor Aufhebung
der Sclaverei. Mit der 1838 perfect gewordenen Sclaven-Emancipation hörten wohl
naturgemäss diese Empörungen auf; doch brach noch im Jahre 1865 im östlichen
Theile der Insel ein Aufstand der Farbigen aus, welcher erst nach blutiger Gegen-
wehr unterdrückt wurde.

Auch von aussen her war Jamaica oftmals bedroht. 1694 griff der franzö-
siche Admiral du Casse Jamaica an der Südküste an, wurde jedoch, als er in
Carliste Bay landen wollte, zurückgeschlagen. Von einer im Jahre 1782 von den
Franzosen und Spaniern gemeinsam und mit grossen Mitteln geplanten Invasion
wurde Jamaica durch den ewig denkwürdigen Sieg des englischen Admirals Rodney
über die Flotte des französischen Admirals De Grasse in den Gewässern von Do-
minica bewahrt. Die dankbaren Colonisten Jamaicas errichteten Rodney in Spanish
Town, der damaligen Residenzstadt der Insel, eine Marmorstatue, von wo selbe
später nach Kingston übertragen wurde.

Jamaica ist überaus fruchtbar und fast durchgehends bewachsen.
Seine Wälder liefern vorzügliche Bau-, Luxus- und Farbhölzer; die
Ebenen, die zahlreichen, wenn auch engen Thäler und das hügelige

Die atlantische Küste von Amerika.

Dieser Wiedereroberungsversuch sollte jedoch für die spanischen Colonisten
Jamaicas, welche man, wohl nicht mit Unrecht, des Einverständnisses mit den
Spaniern beschuldigte, weiters aber auch für die neuen Herren der Insel böse
Folgen haben. Es wurden nämlich alle spanischen Colonisten von der Insel ver-
trieben: die von ihnen zurückgelassenen und der Freiheit wiedergegebenen Neger-
sclaven zogen sich in die Blauen Berge, verwilderten daselbst vollständig und
waren von nun an eine dauernde Calamität für Jamaica, indem sie nicht nur der
Ausbreitung der Cultur in das Innere der Insel fast unbezwingliche Hindernisse
entgegensetzten, sondern nur zu häufig ihre räuberischen Streifzüge auch auf die
tiefer gelegenen Territorien ausdehnten.

Fast ein Jahrhundert dauerten die Kämpfe und Unterhandlungen mit diesen
unter dem Namen Maroons bezeichneten Negern, ohne gegen die in den undurch-
dringlichen Wildnissen hausenden und mit all den wilden Instincten ihrer Race
kämpfenden Stämme dauernde Erfolge erreichen zu können. Selbst das im Anfang
des XVIII. Jahrhunderts angewandte Auskunftsmittel, zur Bekämpfung der Maroon-
Neger kriegerische Indianerstämme von der Mosquitoküste anzuwerben, hatte nicht
den Erfolg, den man sich von dieser eigenthümlichen Bundesgenossenschaft
versprach.

Erst im Jahre 1738 gelang es, die Maroons zur Unterwerfung und fried-
lichen Ansiedlung zu bringen. An den erfolgreichen Kämpfen, welche dieser Ca-
pitulation vorhergingen, hatten die Schweisshunde, welche man nach cubanischem
Beispiel zur Aufspürung und Verfolgung der Neger verwendete, hervorragenden
Antheil genommen. 56 Jahre später erhoben sich die Maroons wieder, zogen sich
wie früher in die Wälder und Schluchten des Hochgebirges zurück und nahmen
ihr räuberisches Metier wieder auf. Mit Hilfe der neuerdings importirten Schweiss-
hunde aus Cuba gelang es jedoch, diesmal bald des Aufstandes Herr zu werden.
Die Maroons wurden nun nach ihrer Unterwerfung zum grössten Theile nach
Sierra Leone deportirt; doch soll es noch in der Gegenwart auf der Insel Ab-
kömmlinge der Maroons geben.

Die Geschichte Jamaicas erzählt uns weiter von einer Reihe von Sclaven-
aufständen; der blutigste derselben fällt in das Jahr 1831, kurz vor Aufhebung
der Sclaverei. Mit der 1838 perfect gewordenen Sclaven-Emancipation hörten wohl
naturgemäss diese Empörungen auf; doch brach noch im Jahre 1865 im östlichen
Theile der Insel ein Aufstand der Farbigen aus, welcher erst nach blutiger Gegen-
wehr unterdrückt wurde.

Auch von aussen her war Jamaica oftmals bedroht. 1694 griff der franzö-
siche Admiral du Casse Jamaica an der Südküste an, wurde jedoch, als er in
Carliste Bay landen wollte, zurückgeschlagen. Von einer im Jahre 1782 von den
Franzosen und Spaniern gemeinsam und mit grossen Mitteln geplanten Invasion
wurde Jamaica durch den ewig denkwürdigen Sieg des englischen Admirals Rodney
über die Flotte des französischen Admirals De Grasse in den Gewässern von Do-
minica bewahrt. Die dankbaren Colonisten Jamaicas errichteten Rodney in Spanish
Town, der damaligen Residenzstadt der Insel, eine Marmorstatue, von wo selbe
später nach Kingston übertragen wurde.

Jamaica ist überaus fruchtbar und fast durchgehends bewachsen.
Seine Wälder liefern vorzügliche Bau-, Luxus- und Farbhölzer; die
Ebenen, die zahlreichen, wenn auch engen Thäler und das hügelige

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[188/0204] Die atlantische Küste von Amerika. Dieser Wiedereroberungsversuch sollte jedoch für die spanischen Colonisten Jamaicas, welche man, wohl nicht mit Unrecht, des Einverständnisses mit den Spaniern beschuldigte, weiters aber auch für die neuen Herren der Insel böse Folgen haben. Es wurden nämlich alle spanischen Colonisten von der Insel ver- trieben: die von ihnen zurückgelassenen und der Freiheit wiedergegebenen Neger- sclaven zogen sich in die Blauen Berge, verwilderten daselbst vollständig und waren von nun an eine dauernde Calamität für Jamaica, indem sie nicht nur der Ausbreitung der Cultur in das Innere der Insel fast unbezwingliche Hindernisse entgegensetzten, sondern nur zu häufig ihre räuberischen Streifzüge auch auf die tiefer gelegenen Territorien ausdehnten. Fast ein Jahrhundert dauerten die Kämpfe und Unterhandlungen mit diesen unter dem Namen Maroons bezeichneten Negern, ohne gegen die in den undurch- dringlichen Wildnissen hausenden und mit all den wilden Instincten ihrer Race kämpfenden Stämme dauernde Erfolge erreichen zu können. Selbst das im Anfang des XVIII. Jahrhunderts angewandte Auskunftsmittel, zur Bekämpfung der Maroon- Neger kriegerische Indianerstämme von der Mosquitoküste anzuwerben, hatte nicht den Erfolg, den man sich von dieser eigenthümlichen Bundesgenossenschaft versprach. Erst im Jahre 1738 gelang es, die Maroons zur Unterwerfung und fried- lichen Ansiedlung zu bringen. An den erfolgreichen Kämpfen, welche dieser Ca- pitulation vorhergingen, hatten die Schweisshunde, welche man nach cubanischem Beispiel zur Aufspürung und Verfolgung der Neger verwendete, hervorragenden Antheil genommen. 56 Jahre später erhoben sich die Maroons wieder, zogen sich wie früher in die Wälder und Schluchten des Hochgebirges zurück und nahmen ihr räuberisches Metier wieder auf. Mit Hilfe der neuerdings importirten Schweiss- hunde aus Cuba gelang es jedoch, diesmal bald des Aufstandes Herr zu werden. Die Maroons wurden nun nach ihrer Unterwerfung zum grössten Theile nach Sierra Leone deportirt; doch soll es noch in der Gegenwart auf der Insel Ab- kömmlinge der Maroons geben. Die Geschichte Jamaicas erzählt uns weiter von einer Reihe von Sclaven- aufständen; der blutigste derselben fällt in das Jahr 1831, kurz vor Aufhebung der Sclaverei. Mit der 1838 perfect gewordenen Sclaven-Emancipation hörten wohl naturgemäss diese Empörungen auf; doch brach noch im Jahre 1865 im östlichen Theile der Insel ein Aufstand der Farbigen aus, welcher erst nach blutiger Gegen- wehr unterdrückt wurde. Auch von aussen her war Jamaica oftmals bedroht. 1694 griff der franzö- siche Admiral du Casse Jamaica an der Südküste an, wurde jedoch, als er in Carliste Bay landen wollte, zurückgeschlagen. Von einer im Jahre 1782 von den Franzosen und Spaniern gemeinsam und mit grossen Mitteln geplanten Invasion wurde Jamaica durch den ewig denkwürdigen Sieg des englischen Admirals Rodney über die Flotte des französischen Admirals De Grasse in den Gewässern von Do- minica bewahrt. Die dankbaren Colonisten Jamaicas errichteten Rodney in Spanish Town, der damaligen Residenzstadt der Insel, eine Marmorstatue, von wo selbe später nach Kingston übertragen wurde. Jamaica ist überaus fruchtbar und fast durchgehends bewachsen. Seine Wälder liefern vorzügliche Bau-, Luxus- und Farbhölzer; die Ebenen, die zahlreichen, wenn auch engen Thäler und das hügelige

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 188. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/204>, abgerufen am 30.04.2024.