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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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Vera-Cruz.

Sowohl bei den Azteken wie bei den Tezkukanern hatte die monarchische
Regierungsform zu grosser Kraft sich entfaltet. Der Monarch wurde aus der
Herrscherfamilie gewählt, musste sich jedoch im Kriege ausgezeichnet haben. Der
Priesterstand besass einen bedeutenden Einfluss im Staate, und manche Angehörige
der regierenden Familie, wie Montezuma, gehörten der Priesterkaste an.

Unter dem Segen eines prächtigen Klimas und fruchtbaren Bodens zog ein
allgemeiner Wohlstand in das Land ein, Gewerbe, Ackerbau und Künste blühten,
und wären die entsetzlichen Menschenopfer der Götzen nicht gewesen, so würde
zum vollen Glücke der Völker wohl nur weniges gefehlt haben.

Von fremden Völkerschaften, etwa jenseits des grossen Wassers, oder von
weissen Menschen wusste man nichts, nur eine dunkle Sage blieb erhalten, nach
welcher der Gott der Luft, Quetzalkoatl, nachdem er durch Unterweisung der Be-
wohner in allem Guten und Schönen ein goldenes Zeitalter geschaffen hatte, das
Land auf einem Zauberschiffe verliess, weil eine Hauptgottheit ihm zürnte. Er
habe jedoch versprochen, mit seiner Nachkommenschaft einstens zurückzukehren,
um sein Reich dann wieder in Besitz zu nehmen.

Diese Sage lebte unzweifelhaft auf, als die ersten Spanier mit niemals zuvor
gesehenen Waffen und Thieren auf wunderbar vom Winde getriebenen Schiffen an
der mexikanischen Küste landeten.

Seitdem Colon 1492 die Insel San Salvator betreten, folgte eine Entdeckung
der anderen, allein die continentale Ostküste des caraibischen Meeres war dennoch
lange Zeit unbekannt geblieben.

Erst 1517 trieb ein Sturm den Hernandez de Cordova an die Küste von
Yucatan (Uyucatan), wo er von der Gesittung der dortigen Bewohner und von
ihrem kriegerischen Geiste sich überzeugte.

Velasquez, der Gouverneur von Cuba, beschloss, die Entdeckungen fortzu-
setzen, und entsendete am 1. März 1518 ein Geschwader von vier Schiffen unter
Juan de Grijalva nach Yucatan, allwo letzterer mit den unfreundlichen und
widerstrebenden Bewohnern in Verkehr und Tauschhandel trat. Man erhielt kost-
bare Edelsteine, edle Metalle und Goldarbeiten für Nadeln, Scheren und Glas-
perlen. Das neue Land schien den Entdeckern fabelhafte Reichthümer in Aussicht
zu stellen.

Grijalva drang bis zur Mündung des Panuco-Flusses vor, nachdem er auf
der Insel Sacrificios (bei Vera-Cruz) gelandet und dort zum allgemeinen Entsetzen
in einem Tempel die Ueberreste von geopferten Menschen vorgefunden hatte. Als
Velasquez die Wunder des neuen Landes vernahm, entsendete er ein grosses Ge-
schwader unter Fernando (Ferdinand) Cortez an die mexicanische Küste mit der
Weisung, einen vortheilhaften Tauschhandel mit den Bewohnern zu treiben und
die Bekehrung derselben zum christlichen Glauben anzustreben. Blutvergiessen
sei zu vermeiden, allein man solle trachten, die Einwohner zur Huldigung Karl V.
zu vermögen, welche sie durch Darbringung von Edelsteinen, Gold und Perlen
bezeigen können.

Die Entdeckungsfahrt des Cortez gestaltete sich zu einem der abenteuer-
lichsten, kühnsten und für die Völker Mexicos folgenschwersten Eroberungszuge,
der in der Geschichte seinesgleichen sucht.

Cortez' bewunderungswürdiger Charakter, ritterlicher Muth, Ausdauer, Zä-
higkeit und Festigkeit des Willens, Hochherzigkeit, gepaart mit diplomatischer

20*
Vera-Cruz.

Sowohl bei den Azteken wie bei den Tezkukanern hatte die monarchische
Regierungsform zu grosser Kraft sich entfaltet. Der Monarch wurde aus der
Herrscherfamilie gewählt, musste sich jedoch im Kriege ausgezeichnet haben. Der
Priesterstand besass einen bedeutenden Einfluss im Staate, und manche Angehörige
der regierenden Familie, wie Montezuma, gehörten der Priesterkaste an.

Unter dem Segen eines prächtigen Klimas und fruchtbaren Bodens zog ein
allgemeiner Wohlstand in das Land ein, Gewerbe, Ackerbau und Künste blühten,
und wären die entsetzlichen Menschenopfer der Götzen nicht gewesen, so würde
zum vollen Glücke der Völker wohl nur weniges gefehlt haben.

Von fremden Völkerschaften, etwa jenseits des grossen Wassers, oder von
weissen Menschen wusste man nichts, nur eine dunkle Sage blieb erhalten, nach
welcher der Gott der Luft, Quetzalkoatl, nachdem er durch Unterweisung der Be-
wohner in allem Guten und Schönen ein goldenes Zeitalter geschaffen hatte, das
Land auf einem Zauberschiffe verliess, weil eine Hauptgottheit ihm zürnte. Er
habe jedoch versprochen, mit seiner Nachkommenschaft einstens zurückzukehren,
um sein Reich dann wieder in Besitz zu nehmen.

Diese Sage lebte unzweifelhaft auf, als die ersten Spanier mit niemals zuvor
gesehenen Waffen und Thieren auf wunderbar vom Winde getriebenen Schiffen an
der mexikanischen Küste landeten.

Seitdem Colon 1492 die Insel San Salvator betreten, folgte eine Entdeckung
der anderen, allein die continentale Ostküste des caraibischen Meeres war dennoch
lange Zeit unbekannt geblieben.

Erst 1517 trieb ein Sturm den Hernandez de Cordova an die Küste von
Yucatan (Uyucatan), wo er von der Gesittung der dortigen Bewohner und von
ihrem kriegerischen Geiste sich überzeugte.

Velasquez, der Gouverneur von Cuba, beschloss, die Entdeckungen fortzu-
setzen, und entsendete am 1. März 1518 ein Geschwader von vier Schiffen unter
Juan de Grijalva nach Yucatan, allwo letzterer mit den unfreundlichen und
widerstrebenden Bewohnern in Verkehr und Tauschhandel trat. Man erhielt kost-
bare Edelsteine, edle Metalle und Goldarbeiten für Nadeln, Scheren und Glas-
perlen. Das neue Land schien den Entdeckern fabelhafte Reichthümer in Aussicht
zu stellen.

Grijalva drang bis zur Mündung des Panuco-Flusses vor, nachdem er auf
der Insel Sacrificios (bei Vera-Cruz) gelandet und dort zum allgemeinen Entsetzen
in einem Tempel die Ueberreste von geopferten Menschen vorgefunden hatte. Als
Velasquez die Wunder des neuen Landes vernahm, entsendete er ein grosses Ge-
schwader unter Fernando (Ferdinand) Cortez an die mexicanische Küste mit der
Weisung, einen vortheilhaften Tauschhandel mit den Bewohnern zu treiben und
die Bekehrung derselben zum christlichen Glauben anzustreben. Blutvergiessen
sei zu vermeiden, allein man solle trachten, die Einwohner zur Huldigung Karl V.
zu vermögen, welche sie durch Darbringung von Edelsteinen, Gold und Perlen
bezeigen können.

Die Entdeckungsfahrt des Cortez gestaltete sich zu einem der abenteuer-
lichsten, kühnsten und für die Völker Mexicos folgenschwersten Eroberungszuge,
der in der Geschichte seinesgleichen sucht.

Cortez’ bewunderungswürdiger Charakter, ritterlicher Muth, Ausdauer, Zä-
higkeit und Festigkeit des Willens, Hochherzigkeit, gepaart mit diplomatischer

20*
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[155/0171] Vera-Cruz. Sowohl bei den Azteken wie bei den Tezkukanern hatte die monarchische Regierungsform zu grosser Kraft sich entfaltet. Der Monarch wurde aus der Herrscherfamilie gewählt, musste sich jedoch im Kriege ausgezeichnet haben. Der Priesterstand besass einen bedeutenden Einfluss im Staate, und manche Angehörige der regierenden Familie, wie Montezuma, gehörten der Priesterkaste an. Unter dem Segen eines prächtigen Klimas und fruchtbaren Bodens zog ein allgemeiner Wohlstand in das Land ein, Gewerbe, Ackerbau und Künste blühten, und wären die entsetzlichen Menschenopfer der Götzen nicht gewesen, so würde zum vollen Glücke der Völker wohl nur weniges gefehlt haben. Von fremden Völkerschaften, etwa jenseits des grossen Wassers, oder von weissen Menschen wusste man nichts, nur eine dunkle Sage blieb erhalten, nach welcher der Gott der Luft, Quetzalkoatl, nachdem er durch Unterweisung der Be- wohner in allem Guten und Schönen ein goldenes Zeitalter geschaffen hatte, das Land auf einem Zauberschiffe verliess, weil eine Hauptgottheit ihm zürnte. Er habe jedoch versprochen, mit seiner Nachkommenschaft einstens zurückzukehren, um sein Reich dann wieder in Besitz zu nehmen. Diese Sage lebte unzweifelhaft auf, als die ersten Spanier mit niemals zuvor gesehenen Waffen und Thieren auf wunderbar vom Winde getriebenen Schiffen an der mexikanischen Küste landeten. Seitdem Colon 1492 die Insel San Salvator betreten, folgte eine Entdeckung der anderen, allein die continentale Ostküste des caraibischen Meeres war dennoch lange Zeit unbekannt geblieben. Erst 1517 trieb ein Sturm den Hernandez de Cordova an die Küste von Yucatan (Uyucatan), wo er von der Gesittung der dortigen Bewohner und von ihrem kriegerischen Geiste sich überzeugte. Velasquez, der Gouverneur von Cuba, beschloss, die Entdeckungen fortzu- setzen, und entsendete am 1. März 1518 ein Geschwader von vier Schiffen unter Juan de Grijalva nach Yucatan, allwo letzterer mit den unfreundlichen und widerstrebenden Bewohnern in Verkehr und Tauschhandel trat. Man erhielt kost- bare Edelsteine, edle Metalle und Goldarbeiten für Nadeln, Scheren und Glas- perlen. Das neue Land schien den Entdeckern fabelhafte Reichthümer in Aussicht zu stellen. Grijalva drang bis zur Mündung des Panuco-Flusses vor, nachdem er auf der Insel Sacrificios (bei Vera-Cruz) gelandet und dort zum allgemeinen Entsetzen in einem Tempel die Ueberreste von geopferten Menschen vorgefunden hatte. Als Velasquez die Wunder des neuen Landes vernahm, entsendete er ein grosses Ge- schwader unter Fernando (Ferdinand) Cortez an die mexicanische Küste mit der Weisung, einen vortheilhaften Tauschhandel mit den Bewohnern zu treiben und die Bekehrung derselben zum christlichen Glauben anzustreben. Blutvergiessen sei zu vermeiden, allein man solle trachten, die Einwohner zur Huldigung Karl V. zu vermögen, welche sie durch Darbringung von Edelsteinen, Gold und Perlen bezeigen können. Die Entdeckungsfahrt des Cortez gestaltete sich zu einem der abenteuer- lichsten, kühnsten und für die Völker Mexicos folgenschwersten Eroberungszuge, der in der Geschichte seinesgleichen sucht. Cortez’ bewunderungswürdiger Charakter, ritterlicher Muth, Ausdauer, Zä- higkeit und Festigkeit des Willens, Hochherzigkeit, gepaart mit diplomatischer 20*

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 155. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/171>, abgerufen am 22.11.2024.