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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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Die atlantische Küste von Amerika.

Die in New-Orleans stark vertretenen Deutschen haben ihren
"Liedertafel-Club" der Pflege der Musik und des Gesanges gewidmet.
New-Orleans verfügt übrigens auch über mehrere schöne Theater, von
welchen das französische Opernhaus und das Saint Charles-Theater
die grössten sind.

Die Verkehrsverhältnisse sind abseits zahlreicher Tramwaylinien
auch durch den Bestand einer gross angelegten Stadtbahn, welche
mit den einmündenden Eisenbahnlinien in Verbindung steht, ausser-
ordentlich günstige. So sehen wir denn New-Orleans schon jetzt ma-
teriell und geistig für seine zukünftige Mission als Weltstadt in jeder
Beziehung wohl vorbereitet.

Von der Crescent-City kann man wie von dem alten Venedig
oder den Handelsplätzen des nördlichen Hollands sagen, Alles ist aus
dem Wasser entsprungen! Das Wasser bildete nicht bloss die Haupt-
handelsstrassen, auf welchen die Wichtigkeit dieses Gemeinwesens
beruht, sondern ihm musste auch der Boden abgerungen werden, auf
dem es begründet wurde, und heute noch sind Theile der Stadt nur
unvollkommen vor dem Eindringen der Feuchtigkeit geschützt und
daher stehen nach E. Deckert viele Häuser auf einem Gerüste von
Balken, das sich mehrere Fuss über den Erdboden erhebt, als eine
Art moderner Pfahlbauten. Den Todten aber bereitet man auf den
Kirchhöfen, um sie nicht in das Grundwasser und den Morast hinein-
zubetten, festgemauerte, luft- und wasserdichte oberirdische Grab-
gewölbe, die wie mächtige Backöfen aussehen, und in denen die
Leichen in der That durch die Einwirkung der Sonnenhitze einem
sehr schnellen trockenen Verwesungsprocesse unterliegen.

Mitten in ihrem Ueberflusse an Wasser leiden die Bewohner von
New-Orleans Mangel an Trinkwasser. Diese Mündungsstadt des
Mississippi kann nie eine Hochquellenleitung erhalten.

Man muss das Regenwasser, welches die tropischen Regen-
güsse überreich spenden, in ungeheueren Gefässen aus Cedernholz
auffangen. Diese hölzernen "Cisternen", die unmittelbar an die Häuser
angebaut sind, und dieselben öfters wie gedrungene Festungsthürme
überragen, geben der äusseren Physiognomie der Stadt einen eigen-
artigen Charakterzug.

New-Orleans gilt bei Einheimischen und Fremden als eine un-
gesunde Stadt. Und doch ist hier trotz gelben Fiebers und Malaria,
trotz der starken Negerbevölkerung (27 %), die von einer Gesundheits-
pflege keine Ahnung hat, die Sterblichkeit kleiner (25·98 Fälle auf
1000 Einwohner) als in New-York (26·47), wo Erkrankungen der

Die atlantische Küste von Amerika.

Die in New-Orleans stark vertretenen Deutschen haben ihren
„Liedertafel-Club“ der Pflege der Musik und des Gesanges gewidmet.
New-Orleans verfügt übrigens auch über mehrere schöne Theater, von
welchen das französische Opernhaus und das Saint Charles-Theater
die grössten sind.

Die Verkehrsverhältnisse sind abseits zahlreicher Tramwaylinien
auch durch den Bestand einer gross angelegten Stadtbahn, welche
mit den einmündenden Eisenbahnlinien in Verbindung steht, ausser-
ordentlich günstige. So sehen wir denn New-Orleans schon jetzt ma-
teriell und geistig für seine zukünftige Mission als Weltstadt in jeder
Beziehung wohl vorbereitet.

Von der Crescent-City kann man wie von dem alten Venedig
oder den Handelsplätzen des nördlichen Hollands sagen, Alles ist aus
dem Wasser entsprungen! Das Wasser bildete nicht bloss die Haupt-
handelsstrassen, auf welchen die Wichtigkeit dieses Gemeinwesens
beruht, sondern ihm musste auch der Boden abgerungen werden, auf
dem es begründet wurde, und heute noch sind Theile der Stadt nur
unvollkommen vor dem Eindringen der Feuchtigkeit geschützt und
daher stehen nach E. Deckert viele Häuser auf einem Gerüste von
Balken, das sich mehrere Fuss über den Erdboden erhebt, als eine
Art moderner Pfahlbauten. Den Todten aber bereitet man auf den
Kirchhöfen, um sie nicht in das Grundwasser und den Morast hinein-
zubetten, festgemauerte, luft- und wasserdichte oberirdische Grab-
gewölbe, die wie mächtige Backöfen aussehen, und in denen die
Leichen in der That durch die Einwirkung der Sonnenhitze einem
sehr schnellen trockenen Verwesungsprocesse unterliegen.

Mitten in ihrem Ueberflusse an Wasser leiden die Bewohner von
New-Orleans Mangel an Trinkwasser. Diese Mündungsstadt des
Mississippi kann nie eine Hochquellenleitung erhalten.

Man muss das Regenwasser, welches die tropischen Regen-
güsse überreich spenden, in ungeheueren Gefässen aus Cedernholz
auffangen. Diese hölzernen „Cisternen“, die unmittelbar an die Häuser
angebaut sind, und dieselben öfters wie gedrungene Festungsthürme
überragen, geben der äusseren Physiognomie der Stadt einen eigen-
artigen Charakterzug.

New-Orleans gilt bei Einheimischen und Fremden als eine un-
gesunde Stadt. Und doch ist hier trotz gelben Fiebers und Malaria,
trotz der starken Negerbevölkerung (27 %), die von einer Gesundheits-
pflege keine Ahnung hat, die Sterblichkeit kleiner (25·98 Fälle auf
1000 Einwohner) als in New-York (26·47), wo Erkrankungen der

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[142/0158] Die atlantische Küste von Amerika. Die in New-Orleans stark vertretenen Deutschen haben ihren „Liedertafel-Club“ der Pflege der Musik und des Gesanges gewidmet. New-Orleans verfügt übrigens auch über mehrere schöne Theater, von welchen das französische Opernhaus und das Saint Charles-Theater die grössten sind. Die Verkehrsverhältnisse sind abseits zahlreicher Tramwaylinien auch durch den Bestand einer gross angelegten Stadtbahn, welche mit den einmündenden Eisenbahnlinien in Verbindung steht, ausser- ordentlich günstige. So sehen wir denn New-Orleans schon jetzt ma- teriell und geistig für seine zukünftige Mission als Weltstadt in jeder Beziehung wohl vorbereitet. Von der Crescent-City kann man wie von dem alten Venedig oder den Handelsplätzen des nördlichen Hollands sagen, Alles ist aus dem Wasser entsprungen! Das Wasser bildete nicht bloss die Haupt- handelsstrassen, auf welchen die Wichtigkeit dieses Gemeinwesens beruht, sondern ihm musste auch der Boden abgerungen werden, auf dem es begründet wurde, und heute noch sind Theile der Stadt nur unvollkommen vor dem Eindringen der Feuchtigkeit geschützt und daher stehen nach E. Deckert viele Häuser auf einem Gerüste von Balken, das sich mehrere Fuss über den Erdboden erhebt, als eine Art moderner Pfahlbauten. Den Todten aber bereitet man auf den Kirchhöfen, um sie nicht in das Grundwasser und den Morast hinein- zubetten, festgemauerte, luft- und wasserdichte oberirdische Grab- gewölbe, die wie mächtige Backöfen aussehen, und in denen die Leichen in der That durch die Einwirkung der Sonnenhitze einem sehr schnellen trockenen Verwesungsprocesse unterliegen. Mitten in ihrem Ueberflusse an Wasser leiden die Bewohner von New-Orleans Mangel an Trinkwasser. Diese Mündungsstadt des Mississippi kann nie eine Hochquellenleitung erhalten. Man muss das Regenwasser, welches die tropischen Regen- güsse überreich spenden, in ungeheueren Gefässen aus Cedernholz auffangen. Diese hölzernen „Cisternen“, die unmittelbar an die Häuser angebaut sind, und dieselben öfters wie gedrungene Festungsthürme überragen, geben der äusseren Physiognomie der Stadt einen eigen- artigen Charakterzug. New-Orleans gilt bei Einheimischen und Fremden als eine un- gesunde Stadt. Und doch ist hier trotz gelben Fiebers und Malaria, trotz der starken Negerbevölkerung (27 %), die von einer Gesundheits- pflege keine Ahnung hat, die Sterblichkeit kleiner (25·98 Fälle auf 1000 Einwohner) als in New-York (26·47), wo Erkrankungen der

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 142. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/158>, abgerufen am 22.11.2024.