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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892.

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Die atlantische Küste von Amerika.

Als Ursache der Missstimmung der Cubaner mag nicht allein die schwere
finanzielle Belastung, welche der zu hohem Reichthum gelangten Colonie auferlegt
wurde, angesehen werden, mehr noch muss dieselbe in dem vom Mutterlande ge-
übten politischen Regierungssystem gesucht werden, welches den eingeborenen
Elementen jedwede Einflussnahme auf die Geschäfte des eigenen Landes benahm,
dieselben von der Erlangung von öffentlichen Aemtern ausschloss, dem Gouverneur
sowie den Beamten fast absolute Machtbefugnisse einräumte und jede frei-
heitliche Regung unterdrückte. Alle diesbezüglich von den Cubanern erhobenen
Beschwerden und Forderungen blieben unberücksichtigt, und so war es nur eine
natürliche Consequenz, dass, als 1868 die Revolution in Spanien ausbrach, sofort
auch auf Cuba der schon lange vorbereitete Aufstand in hellen Flammen aufloderte.

Am 10. October des genannten Jahres wurde von Carlos Manuel Cespedes,
einem der Führer der Reformpartei, auf dem Felde von Yara die Unabhängigkeit
Cubas proclamirt. Ueber zehn Jahre dauerte nun der mit wechselndem Glücke und
von beiden Seiten mit grosser Strenge und Grausamkeit geführte Krieg, in welchem
die Cubaner von den amerikanischen Republiken als kriegführende Macht aner-
kannt wurden und mannigfacher Unterstützung, besonders von Seiten der nord-
amerikanischen Union theilhaft wurden.

Erst 1878 gelang es den Spaniern unter Marschall Jovellar, dem Insurrec-
tionskrieg ein Ende zu machen. Eine Versöhnung der Parteien ist aber seither
nur in geringem Masse eingetreten. Die fortdauernd schwere, durch die Kriegs-
schulden noch gesteigerte Steuerbelastung bei gleich gebliebener politischer Un-
selbständigkeit, endlich die grausame Art, auf welche der Insurrectionskrieg auf
beiden Seiten geführt wurde, hat einen fast unausrottbaren Hass gegen das Mutter-
land erzeugt.

Heute gravitirt Cuba nicht nur geographisch, sondern auch wirthschaft-
lich viel mehr nach der Union als gegen Spanien, und von Seiten Nordamerikas
geschieht alles Mögliche, diesen Riss, welchen weder die Nationalität noch die
Religion verkitten können, grösser zu machen; ja die Mac Kinley-Bill kann in
Cuba eine Katastrophe herbeiführen.

Cuba wird der Länge nach von einer Bergkette durchzogen, welche
dem Westen der Insel den Charakter eines Hügellandes gibt, im
Osten aber sich zu bedeutenden Höhen erhebt (Sierra de Tarquino
2375 m). Zahlreiche Flüsse, welche zwar zumeist nicht schiffbar
sind, aber zur Bewässerung der Culturen und zum landschaftlichen
Reize der Thäler wesentlich beitragen, entspringen diesem Gebirgszuge.

Die Naturschönheiten Cubas zeichnen sich durch ihre Lieblich-
keit und Mannigfaltigkeit aus. Schöne fruchtbare Thäler im Vorder-
grunde, mächtige Wälder und Gebirgsscenerien im Hintergrunde,
allerwärts eine üppige Vegetation, wie sie nur die oceanische Feuch-
tigkeit im Vereine mit der tropischen Sonne hervorbringen kann, und
über all dem ein in wunderbarer Klarheit strahlender Himmel ver-
einigen sich zu dem entzückenden Bilde einer cubanischen Land-
schaft.

Das Klima Cubas ist ein ausgesprochen tropisches, wird aber

Die atlantische Küste von Amerika.

Als Ursache der Missstimmung der Cubaner mag nicht allein die schwere
finanzielle Belastung, welche der zu hohem Reichthum gelangten Colonie auferlegt
wurde, angesehen werden, mehr noch muss dieselbe in dem vom Mutterlande ge-
übten politischen Regierungssystem gesucht werden, welches den eingeborenen
Elementen jedwede Einflussnahme auf die Geschäfte des eigenen Landes benahm,
dieselben von der Erlangung von öffentlichen Aemtern ausschloss, dem Gouverneur
sowie den Beamten fast absolute Machtbefugnisse einräumte und jede frei-
heitliche Regung unterdrückte. Alle diesbezüglich von den Cubanern erhobenen
Beschwerden und Forderungen blieben unberücksichtigt, und so war es nur eine
natürliche Consequenz, dass, als 1868 die Revolution in Spanien ausbrach, sofort
auch auf Cuba der schon lange vorbereitete Aufstand in hellen Flammen aufloderte.

Am 10. October des genannten Jahres wurde von Carlos Manuel Cespedes,
einem der Führer der Reformpartei, auf dem Felde von Yara die Unabhängigkeit
Cubas proclamirt. Ueber zehn Jahre dauerte nun der mit wechselndem Glücke und
von beiden Seiten mit grosser Strenge und Grausamkeit geführte Krieg, in welchem
die Cubaner von den amerikanischen Republiken als kriegführende Macht aner-
kannt wurden und mannigfacher Unterstützung, besonders von Seiten der nord-
amerikanischen Union theilhaft wurden.

Erst 1878 gelang es den Spaniern unter Marschall Jovellar, dem Insurrec-
tionskrieg ein Ende zu machen. Eine Versöhnung der Parteien ist aber seither
nur in geringem Masse eingetreten. Die fortdauernd schwere, durch die Kriegs-
schulden noch gesteigerte Steuerbelastung bei gleich gebliebener politischer Un-
selbständigkeit, endlich die grausame Art, auf welche der Insurrectionskrieg auf
beiden Seiten geführt wurde, hat einen fast unausrottbaren Hass gegen das Mutter-
land erzeugt.

Heute gravitirt Cuba nicht nur geographisch, sondern auch wirthschaft-
lich viel mehr nach der Union als gegen Spanien, und von Seiten Nordamerikas
geschieht alles Mögliche, diesen Riss, welchen weder die Nationalität noch die
Religion verkitten können, grösser zu machen; ja die Mac Kinley-Bill kann in
Cuba eine Katastrophe herbeiführen.

Cuba wird der Länge nach von einer Bergkette durchzogen, welche
dem Westen der Insel den Charakter eines Hügellandes gibt, im
Osten aber sich zu bedeutenden Höhen erhebt (Sierra de Tarquino
2375 m). Zahlreiche Flüsse, welche zwar zumeist nicht schiffbar
sind, aber zur Bewässerung der Culturen und zum landschaftlichen
Reize der Thäler wesentlich beitragen, entspringen diesem Gebirgszuge.

Die Naturschönheiten Cubas zeichnen sich durch ihre Lieblich-
keit und Mannigfaltigkeit aus. Schöne fruchtbare Thäler im Vorder-
grunde, mächtige Wälder und Gebirgsscenerien im Hintergrunde,
allerwärts eine üppige Vegetation, wie sie nur die oceanische Feuch-
tigkeit im Vereine mit der tropischen Sonne hervorbringen kann, und
über all dem ein in wunderbarer Klarheit strahlender Himmel ver-
einigen sich zu dem entzückenden Bilde einer cubanischen Land-
schaft.

Das Klima Cubas ist ein ausgesprochen tropisches, wird aber

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[178/0194] Die atlantische Küste von Amerika. Als Ursache der Missstimmung der Cubaner mag nicht allein die schwere finanzielle Belastung, welche der zu hohem Reichthum gelangten Colonie auferlegt wurde, angesehen werden, mehr noch muss dieselbe in dem vom Mutterlande ge- übten politischen Regierungssystem gesucht werden, welches den eingeborenen Elementen jedwede Einflussnahme auf die Geschäfte des eigenen Landes benahm, dieselben von der Erlangung von öffentlichen Aemtern ausschloss, dem Gouverneur sowie den Beamten fast absolute Machtbefugnisse einräumte und jede frei- heitliche Regung unterdrückte. Alle diesbezüglich von den Cubanern erhobenen Beschwerden und Forderungen blieben unberücksichtigt, und so war es nur eine natürliche Consequenz, dass, als 1868 die Revolution in Spanien ausbrach, sofort auch auf Cuba der schon lange vorbereitete Aufstand in hellen Flammen aufloderte. Am 10. October des genannten Jahres wurde von Carlos Manuel Cespedes, einem der Führer der Reformpartei, auf dem Felde von Yara die Unabhängigkeit Cubas proclamirt. Ueber zehn Jahre dauerte nun der mit wechselndem Glücke und von beiden Seiten mit grosser Strenge und Grausamkeit geführte Krieg, in welchem die Cubaner von den amerikanischen Republiken als kriegführende Macht aner- kannt wurden und mannigfacher Unterstützung, besonders von Seiten der nord- amerikanischen Union theilhaft wurden. Erst 1878 gelang es den Spaniern unter Marschall Jovellar, dem Insurrec- tionskrieg ein Ende zu machen. Eine Versöhnung der Parteien ist aber seither nur in geringem Masse eingetreten. Die fortdauernd schwere, durch die Kriegs- schulden noch gesteigerte Steuerbelastung bei gleich gebliebener politischer Un- selbständigkeit, endlich die grausame Art, auf welche der Insurrectionskrieg auf beiden Seiten geführt wurde, hat einen fast unausrottbaren Hass gegen das Mutter- land erzeugt. Heute gravitirt Cuba nicht nur geographisch, sondern auch wirthschaft- lich viel mehr nach der Union als gegen Spanien, und von Seiten Nordamerikas geschieht alles Mögliche, diesen Riss, welchen weder die Nationalität noch die Religion verkitten können, grösser zu machen; ja die Mac Kinley-Bill kann in Cuba eine Katastrophe herbeiführen. Cuba wird der Länge nach von einer Bergkette durchzogen, welche dem Westen der Insel den Charakter eines Hügellandes gibt, im Osten aber sich zu bedeutenden Höhen erhebt (Sierra de Tarquino 2375 m). Zahlreiche Flüsse, welche zwar zumeist nicht schiffbar sind, aber zur Bewässerung der Culturen und zum landschaftlichen Reize der Thäler wesentlich beitragen, entspringen diesem Gebirgszuge. Die Naturschönheiten Cubas zeichnen sich durch ihre Lieblich- keit und Mannigfaltigkeit aus. Schöne fruchtbare Thäler im Vorder- grunde, mächtige Wälder und Gebirgsscenerien im Hintergrunde, allerwärts eine üppige Vegetation, wie sie nur die oceanische Feuch- tigkeit im Vereine mit der tropischen Sonne hervorbringen kann, und über all dem ein in wunderbarer Klarheit strahlender Himmel ver- einigen sich zu dem entzückenden Bilde einer cubanischen Land- schaft. Das Klima Cubas ist ein ausgesprochen tropisches, wird aber

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 2. Wien, 1892, S. 178. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen02_1892/194>, abgerufen am 28.11.2024.