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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Lübeck.
dieser Länder lange zurück zu drängen. Oft kämpften ihre Orlogschiffe auf der
ganzen Strecke vom einheimischen Meerbusen bis Portugal, und überall war der
Gang des Handels, der Antheil der einzelnen Städte an demselben genau festge-
stellt: Niemand durfte sich ein Abweichen davon gestatten.

Und all das leistete eine freie Vereinigung, ein politisch-frei organisirtes, un-
abhängiges Gemeinwesen unter der Oberleitung, aber nicht unter der Suprematie
Lübecks, und dieses mischte sich nicht in die besonderen Händel, welche jede
einzelne Stadt oder kleinere Städtegruppe zur Wahrung ihrer engeren Interessen
auszufechten beliebte.

Gemeinsame Unternehmungen wurden auf Hansetagen beschlossen; diese
wurden in älterer Zeit an verschiedenen Orten abgehalten, aber meist von Lübeck
ausgeschrieben, das später auch zum Oberhof für Rechtsstreitigkeiten sich
herausbildete. Widerspenstige Glieder, die dem Interesse dieser losen Gliederung
entgegenarbeiteten, etwa verbotene Schiffahrt trieben, wurden zur Strafe "ver-
hanset", aus der Gemeinschaft ausgeschlossen, jeder Handel mit ihnen untersagt,
so dass der Ort durch Verkehrslosigkeit in kurzer Zeit verarmte und das gemeine
Volk sich in andere Städte verzog.

Diese Vereinigung städtischer Gemeinwesen war die einzige Hilfe für den
Handel in der damals schweren Zeit, und kluge, begabte Staatsmänner Lübecks
gaben in der zweiten Hälfte des XIII. Jahrhunderts diesen Gedanken die Form,
welche den Verhältnissen des Mittelalters vollkommen entsprach.

Im Jahre 1226 wurde Lübeck zur reichsfreien Stadt erhoben, und so-
fort offenbarte sich ihre stille, aber ausdauernde Wirksamkeit.

Unter dem Schrecken der Welt vor den Mongolen wurde 1241 mit Ham-
burg der erste urkundliche Vertrag zur gemeinschaftlichen Sicherstellung der
Wege zwischen Elbe und Trave geschlossen, bald darauf sehen wir die wendischen
Seestädte um Lübeck geschaart, welche 1285 den Feind ihrer Handelsvorrechte,
König Erich "Priesterfeind" von Norwegen, zum Nachgeben zwingen. Seit dem
Ende des XIII. Jahrhunderts wird Lübeck zuerst neben Wisby, dann allein Oberhof
auch für die Streitigkeiten am Komptor in Nowgorod, welche Stelle es in bürger-
lichen Streitigkeiten unter den Töchtern lübischen Rechtes längst besessen.

Immer fester gliederte sich die "Hansa der Deutschen", welche urkundlich
unter diesem Namen zum erstenmale 1343 erwähnt wird. Auf dem Gürzenich
(einer Kaufhalle) zu Köln finden wir vom 11. bis zum 19. November die Send-
boten aller Mitglieder derselben, von der Ostsee, der Nordsee und aus dem
Innern des Reiches versammelt, um den nationalen Kaufmannskrieg gegen die
vertragsbrüchigen Könige des Nordens, namentlich den Dänenkönig, in Gang zu
setzen; der Krieg endete 1370 mit dem Frieden von Stralsund, und dieser be-
zeichnete den Höhepunkt der Hansa, von dem sie bald hinabsank.

Dieser ewig denkwürdige Friede besiegelte die Suprematie der Hansa
über das Reich Waldemar III., dieses durfte "keinen König empfangen, als mit
dem Rathe der Städte und mit Besieglung ihrer Freiheiten".

Aber unmittelbar auf den schwer errungenen Sieg folgte der Verfall Lübecks
und des ganzen Bundes. In dem Vororte wogte unaufhörlich der Kampf zwischen
den Geschlechtern, welche geschäftslos von ihren Renten lebten, im Rathe mächtig
waren, die Geldmittel der Stadt angeblich schlecht verwalteten, einerseits, und
den wirklichen Kaufleuten, denen sich die Zünfte anschlossen, anderseits.


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Lübeck.
dieser Länder lange zurück zu drängen. Oft kämpften ihre Orlogschiffe auf der
ganzen Strecke vom einheimischen Meerbusen bis Portugal, und überall war der
Gang des Handels, der Antheil der einzelnen Städte an demselben genau festge-
stellt: Niemand durfte sich ein Abweichen davon gestatten.

Und all das leistete eine freie Vereinigung, ein politisch-frei organisirtes, un-
abhängiges Gemeinwesen unter der Oberleitung, aber nicht unter der Suprematie
Lübecks, und dieses mischte sich nicht in die besonderen Händel, welche jede
einzelne Stadt oder kleinere Städtegruppe zur Wahrung ihrer engeren Interessen
auszufechten beliebte.

Gemeinsame Unternehmungen wurden auf Hansetagen beschlossen; diese
wurden in älterer Zeit an verschiedenen Orten abgehalten, aber meist von Lübeck
ausgeschrieben, das später auch zum Oberhof für Rechtsstreitigkeiten sich
herausbildete. Widerspenstige Glieder, die dem Interesse dieser losen Gliederung
entgegenarbeiteten, etwa verbotene Schiffahrt trieben, wurden zur Strafe „ver-
hanset“, aus der Gemeinschaft ausgeschlossen, jeder Handel mit ihnen untersagt,
so dass der Ort durch Verkehrslosigkeit in kurzer Zeit verarmte und das gemeine
Volk sich in andere Städte verzog.

Diese Vereinigung städtischer Gemeinwesen war die einzige Hilfe für den
Handel in der damals schweren Zeit, und kluge, begabte Staatsmänner Lübecks
gaben in der zweiten Hälfte des XIII. Jahrhunderts diesen Gedanken die Form,
welche den Verhältnissen des Mittelalters vollkommen entsprach.

Im Jahre 1226 wurde Lübeck zur reichsfreien Stadt erhoben, und so-
fort offenbarte sich ihre stille, aber ausdauernde Wirksamkeit.

Unter dem Schrecken der Welt vor den Mongolen wurde 1241 mit Ham-
burg der erste urkundliche Vertrag zur gemeinschaftlichen Sicherstellung der
Wege zwischen Elbe und Trave geschlossen, bald darauf sehen wir die wendischen
Seestädte um Lübeck geschaart, welche 1285 den Feind ihrer Handelsvorrechte,
König Erich „Priesterfeind“ von Norwegen, zum Nachgeben zwingen. Seit dem
Ende des XIII. Jahrhunderts wird Lübeck zuerst neben Wisby, dann allein Oberhof
auch für die Streitigkeiten am Komptor in Nowgorod, welche Stelle es in bürger-
lichen Streitigkeiten unter den Töchtern lübischen Rechtes längst besessen.

Immer fester gliederte sich die „Hansa der Deutschen“, welche urkundlich
unter diesem Namen zum erstenmale 1343 erwähnt wird. Auf dem Gürzenich
(einer Kaufhalle) zu Köln finden wir vom 11. bis zum 19. November die Send-
boten aller Mitglieder derselben, von der Ostsee, der Nordsee und aus dem
Innern des Reiches versammelt, um den nationalen Kaufmannskrieg gegen die
vertragsbrüchigen Könige des Nordens, namentlich den Dänenkönig, in Gang zu
setzen; der Krieg endete 1370 mit dem Frieden von Stralsund, und dieser be-
zeichnete den Höhepunkt der Hansa, von dem sie bald hinabsank.

Dieser ewig denkwürdige Friede besiegelte die Suprematie der Hansa
über das Reich Waldemar III., dieses durfte „keinen König empfangen, als mit
dem Rathe der Städte und mit Besieglung ihrer Freiheiten“.

Aber unmittelbar auf den schwer errungenen Sieg folgte der Verfall Lübecks
und des ganzen Bundes. In dem Vororte wogte unaufhörlich der Kampf zwischen
den Geschlechtern, welche geschäftslos von ihren Renten lebten, im Rathe mächtig
waren, die Geldmittel der Stadt angeblich schlecht verwalteten, einerseits, und
den wirklichen Kaufleuten, denen sich die Zünfte anschlossen, anderseits.


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[803/0823] Lübeck. dieser Länder lange zurück zu drängen. Oft kämpften ihre Orlogschiffe auf der ganzen Strecke vom einheimischen Meerbusen bis Portugal, und überall war der Gang des Handels, der Antheil der einzelnen Städte an demselben genau festge- stellt: Niemand durfte sich ein Abweichen davon gestatten. Und all das leistete eine freie Vereinigung, ein politisch-frei organisirtes, un- abhängiges Gemeinwesen unter der Oberleitung, aber nicht unter der Suprematie Lübecks, und dieses mischte sich nicht in die besonderen Händel, welche jede einzelne Stadt oder kleinere Städtegruppe zur Wahrung ihrer engeren Interessen auszufechten beliebte. Gemeinsame Unternehmungen wurden auf Hansetagen beschlossen; diese wurden in älterer Zeit an verschiedenen Orten abgehalten, aber meist von Lübeck ausgeschrieben, das später auch zum Oberhof für Rechtsstreitigkeiten sich herausbildete. Widerspenstige Glieder, die dem Interesse dieser losen Gliederung entgegenarbeiteten, etwa verbotene Schiffahrt trieben, wurden zur Strafe „ver- hanset“, aus der Gemeinschaft ausgeschlossen, jeder Handel mit ihnen untersagt, so dass der Ort durch Verkehrslosigkeit in kurzer Zeit verarmte und das gemeine Volk sich in andere Städte verzog. Diese Vereinigung städtischer Gemeinwesen war die einzige Hilfe für den Handel in der damals schweren Zeit, und kluge, begabte Staatsmänner Lübecks gaben in der zweiten Hälfte des XIII. Jahrhunderts diesen Gedanken die Form, welche den Verhältnissen des Mittelalters vollkommen entsprach. Im Jahre 1226 wurde Lübeck zur reichsfreien Stadt erhoben, und so- fort offenbarte sich ihre stille, aber ausdauernde Wirksamkeit. Unter dem Schrecken der Welt vor den Mongolen wurde 1241 mit Ham- burg der erste urkundliche Vertrag zur gemeinschaftlichen Sicherstellung der Wege zwischen Elbe und Trave geschlossen, bald darauf sehen wir die wendischen Seestädte um Lübeck geschaart, welche 1285 den Feind ihrer Handelsvorrechte, König Erich „Priesterfeind“ von Norwegen, zum Nachgeben zwingen. Seit dem Ende des XIII. Jahrhunderts wird Lübeck zuerst neben Wisby, dann allein Oberhof auch für die Streitigkeiten am Komptor in Nowgorod, welche Stelle es in bürger- lichen Streitigkeiten unter den Töchtern lübischen Rechtes längst besessen. Immer fester gliederte sich die „Hansa der Deutschen“, welche urkundlich unter diesem Namen zum erstenmale 1343 erwähnt wird. Auf dem Gürzenich (einer Kaufhalle) zu Köln finden wir vom 11. bis zum 19. November die Send- boten aller Mitglieder derselben, von der Ostsee, der Nordsee und aus dem Innern des Reiches versammelt, um den nationalen Kaufmannskrieg gegen die vertragsbrüchigen Könige des Nordens, namentlich den Dänenkönig, in Gang zu setzen; der Krieg endete 1370 mit dem Frieden von Stralsund, und dieser be- zeichnete den Höhepunkt der Hansa, von dem sie bald hinabsank. Dieser ewig denkwürdige Friede besiegelte die Suprematie der Hansa über das Reich Waldemar III., dieses durfte „keinen König empfangen, als mit dem Rathe der Städte und mit Besieglung ihrer Freiheiten“. Aber unmittelbar auf den schwer errungenen Sieg folgte der Verfall Lübecks und des ganzen Bundes. In dem Vororte wogte unaufhörlich der Kampf zwischen den Geschlechtern, welche geschäftslos von ihren Renten lebten, im Rathe mächtig waren, die Geldmittel der Stadt angeblich schlecht verwalteten, einerseits, und den wirklichen Kaufleuten, denen sich die Zünfte anschlossen, anderseits. 101*

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 803. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/823>, abgerufen am 23.11.2024.