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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Der Nord-Ostseecanal.

Die Schaffung neuer Communicationen ist ein Charakterzug der
Gegenwart. Dem rastlosen Baue der Eisenbahnen folgte die Vermeh-
rung der Wasserstrassen. Gewiss haben die Entwicklung der tech-
nischen Hilfsmittel und namentlich die Association des Capitales die
Schwierigkeiten wesentlich gemindert, welche nun einmal mit allen
Canalbauten verbunden sind, aber der menschliche Geist übersprang
in schöpferischem Drange wiederholt scheinbar unüberwindliche Hinder-
nisse, welche die Natur seinem Streben entgegensetzte, und verwirk-
lichte Ideen, die den Triumph unseres Jahrhunderts begründeten.

Unsere schnellschaffende Zeit sah das Riesenwerk des Suez-
Canals, welches den Welthandel in neue Bahnen lenkte, vollenden
und verfolgte mit grossem Interesse die Entwicklung des ins Stocken
gerathenen Ausbaues der neuen Wasserstrasse im Panama, jener
genialen Verbindung der grössten Oceane der Erde, eines Werkes,
das ebenso wie der unterbrochene Bau des Canals von Korinth nun
an schweren finanziellen Calamitäten krankt.

Zu den erwähnten Durchstichen gesellt sich nun das Unter-
nehmen des Baues eines Marine- und Schiffahrts-Canals quer durch
die schleswig-holsteinische Landenge, ein Werk, dessen militärische
Bedeutung heute, wo Europa in Waffen starrt, gewiss weit mehr
als die Aussicht auf commerziellen Nutzen die Ausführung sichert.

Der Nord-Ostseecanal, ungeachtet seiner Kostspieligkeit be-
reits seit dem Jahre 1887 im Bau begriffen, ist der strategischen
Wichtigkeit wegen den grossen Schwankungen, welchen ähnliche
grosse Projecte ausgesetzt zu sein pflegen, völlig entrückt.

Solcher Projecte gab es sehr viele in Europa wie in anderen Erdtheilen.
Wir erinnern an die kürzlich aufgetauchte Idee eines Durchstiches der italienischen
Halbinsel in der Erstreckung von 130 km mit ungeheuerlichen Schleussenanlagen,
wir erwähnen weiters die Umwandlung des 450 km langen, für kleine Fahrzeuge
bestimmten Canal du Midi, welcher Bordeaux mit dem Mittelmeer verbindet, in
einen Seeschiffahrtscanal, weiters die Schaffung eines Seehafens in Paris durch die

Die Seehäfen des Weltverkehrs. I. Band. 97
Der Nord-Ostseecanal.

Die Schaffung neuer Communicationen ist ein Charakterzug der
Gegenwart. Dem rastlosen Baue der Eisenbahnen folgte die Vermeh-
rung der Wasserstrassen. Gewiss haben die Entwicklung der tech-
nischen Hilfsmittel und namentlich die Association des Capitales die
Schwierigkeiten wesentlich gemindert, welche nun einmal mit allen
Canalbauten verbunden sind, aber der menschliche Geist übersprang
in schöpferischem Drange wiederholt scheinbar unüberwindliche Hinder-
nisse, welche die Natur seinem Streben entgegensetzte, und verwirk-
lichte Ideen, die den Triumph unseres Jahrhunderts begründeten.

Unsere schnellschaffende Zeit sah das Riesenwerk des Suez-
Canals, welches den Welthandel in neue Bahnen lenkte, vollenden
und verfolgte mit grossem Interesse die Entwicklung des ins Stocken
gerathenen Ausbaues der neuen Wasserstrasse im Panama, jener
genialen Verbindung der grössten Oceane der Erde, eines Werkes,
das ebenso wie der unterbrochene Bau des Canals von Korinth nun
an schweren finanziellen Calamitäten krankt.

Zu den erwähnten Durchstichen gesellt sich nun das Unter-
nehmen des Baues eines Marine- und Schiffahrts-Canals quer durch
die schleswig-holsteinische Landenge, ein Werk, dessen militärische
Bedeutung heute, wo Europa in Waffen starrt, gewiss weit mehr
als die Aussicht auf commerziellen Nutzen die Ausführung sichert.

Der Nord-Ostseecanal, ungeachtet seiner Kostspieligkeit be-
reits seit dem Jahre 1887 im Bau begriffen, ist der strategischen
Wichtigkeit wegen den grossen Schwankungen, welchen ähnliche
grosse Projecte ausgesetzt zu sein pflegen, völlig entrückt.

Solcher Projecte gab es sehr viele in Europa wie in anderen Erdtheilen.
Wir erinnern an die kürzlich aufgetauchte Idee eines Durchstiches der italienischen
Halbinsel in der Erstreckung von 130 km mit ungeheuerlichen Schleussenanlagen,
wir erwähnen weiters die Umwandlung des 450 km langen, für kleine Fahrzeuge
bestimmten Canal du Midi, welcher Bordeaux mit dem Mittelmeer verbindet, in
einen Seeschiffahrtscanal, weiters die Schaffung eines Seehafens in Paris durch die

Die Seehäfen des Weltverkehrs. I. Band. 97
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[[769]/0789] Der Nord-Ostseecanal. Die Schaffung neuer Communicationen ist ein Charakterzug der Gegenwart. Dem rastlosen Baue der Eisenbahnen folgte die Vermeh- rung der Wasserstrassen. Gewiss haben die Entwicklung der tech- nischen Hilfsmittel und namentlich die Association des Capitales die Schwierigkeiten wesentlich gemindert, welche nun einmal mit allen Canalbauten verbunden sind, aber der menschliche Geist übersprang in schöpferischem Drange wiederholt scheinbar unüberwindliche Hinder- nisse, welche die Natur seinem Streben entgegensetzte, und verwirk- lichte Ideen, die den Triumph unseres Jahrhunderts begründeten. Unsere schnellschaffende Zeit sah das Riesenwerk des Suez- Canals, welches den Welthandel in neue Bahnen lenkte, vollenden und verfolgte mit grossem Interesse die Entwicklung des ins Stocken gerathenen Ausbaues der neuen Wasserstrasse im Panama, jener genialen Verbindung der grössten Oceane der Erde, eines Werkes, das ebenso wie der unterbrochene Bau des Canals von Korinth nun an schweren finanziellen Calamitäten krankt. Zu den erwähnten Durchstichen gesellt sich nun das Unter- nehmen des Baues eines Marine- und Schiffahrts-Canals quer durch die schleswig-holsteinische Landenge, ein Werk, dessen militärische Bedeutung heute, wo Europa in Waffen starrt, gewiss weit mehr als die Aussicht auf commerziellen Nutzen die Ausführung sichert. Der Nord-Ostseecanal, ungeachtet seiner Kostspieligkeit be- reits seit dem Jahre 1887 im Bau begriffen, ist der strategischen Wichtigkeit wegen den grossen Schwankungen, welchen ähnliche grosse Projecte ausgesetzt zu sein pflegen, völlig entrückt. Solcher Projecte gab es sehr viele in Europa wie in anderen Erdtheilen. Wir erinnern an die kürzlich aufgetauchte Idee eines Durchstiches der italienischen Halbinsel in der Erstreckung von 130 km mit ungeheuerlichen Schleussenanlagen, wir erwähnen weiters die Umwandlung des 450 km langen, für kleine Fahrzeuge bestimmten Canal du Midi, welcher Bordeaux mit dem Mittelmeer verbindet, in einen Seeschiffahrtscanal, weiters die Schaffung eines Seehafens in Paris durch die Die Seehäfen des Weltverkehrs. I. Band. 97

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. [769]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/789>, abgerufen am 23.11.2024.