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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Der atlantische Ocean.
sie in ihren dunkelbraunen Särgen, schmucklos, ohne Glanz und
Flitter. Kein Marmor rühmt ihr stilles Verdienst, ihre anspruchslose
Tugend, ihren vortrefflichen Charakter. Dort Andreas, hier Johannes,
in jener Ecke Judas, in dieser Petrus. Wen rührt es nicht, wenn er
dann hört: Dort liegt der Edle von Nierenstein, geboren 1718, hier
der von Rüdesheim, geboren 1726. Rechts Paulus, links Jakob, der
gute Jakob!" Das älteste edle Nass (vom Jahre 1615) enthält aber
"die Rose", welche in einem separaten Gewölbe, dessen Decke das
Bild einer Rose ziert, untergebracht ist. In dem Raume wurden ehe-
mals die Geheimsitzungen des edlen Stadtsenates abgehalten; daher
noch heute die Bezeichnung "sub rosa".

Von der Rose singt Hauff:

Vor allen Schlössern dieser Zeit
Lob' ich ein Schloss zu Bremen,
An seinen Hallen hoch und weit
Darf sich kein Kaiser schämen;
Gar seltsam ist es ausstaffirt,
Mit schmuckem Hausrath ausgeziert,
Doch hat daselbst vor Allen
Eine Jungfrau mir gefallen.

*
Ihr Auge blinkt wie klarer Wein,
Ihre Wangen sind nicht bleiche,
Wie prächtig ihre Kleider sein,
Von lauter schwerem Zeuche;
Von Eichenholz ist ihr Gewand,
Von Birkenreifen ihr Band,
Das Mieder, das sie zieret,
Mit Eisen ist geschnüret.

-- -- -- -- -- -- -- --
Nur einmal, Rosamunde,
Küss' mich, dass es gesunde.

Vor dem alten Rathhause erhebt sich die aus dem Beginne des
XV. Jahrhunderts stammende steinerne, 5·6 m hohe Bildsäule Roland's,
das Sinnbild der städtischen Freiheit und das älteste Monument dieser
Art in Deutschland.

An der Nordseite des Rathhauses wurde das grosse neue
Stadthaus angebaut. Vor demselben liegt die aus dem XII. und XIII.
Jahrhundert stammende Liebfrauenkirche.

Der Marktplatz besitzt in dem Wunderbau der prächtigen Börse
einen herrlichen Schmuck.

Nach Heinrich Müller's Plänen 1861 bis 1862 erbaut, ist die
Börse ein reicher modern-gothischer Prachtbau mit geschmackvollen

Der atlantische Ocean.
sie in ihren dunkelbraunen Särgen, schmucklos, ohne Glanz und
Flitter. Kein Marmor rühmt ihr stilles Verdienst, ihre anspruchslose
Tugend, ihren vortrefflichen Charakter. Dort Andreas, hier Johannes,
in jener Ecke Judas, in dieser Petrus. Wen rührt es nicht, wenn er
dann hört: Dort liegt der Edle von Nierenstein, geboren 1718, hier
der von Rüdesheim, geboren 1726. Rechts Paulus, links Jakob, der
gute Jakob!“ Das älteste edle Nass (vom Jahre 1615) enthält aber
„die Rose“, welche in einem separaten Gewölbe, dessen Decke das
Bild einer Rose ziert, untergebracht ist. In dem Raume wurden ehe-
mals die Geheimsitzungen des edlen Stadtsenates abgehalten; daher
noch heute die Bezeichnung „sub rosa“.

Von der Rose singt Hauff:

Vor allen Schlössern dieser Zeit
Lob’ ich ein Schloss zu Bremen,
An seinen Hallen hoch und weit
Darf sich kein Kaiser schämen;
Gar seltsam ist es ausstaffirt,
Mit schmuckem Hausrath ausgeziert,
Doch hat daselbst vor Allen
Eine Jungfrau mir gefallen.

*
Ihr Auge blinkt wie klarer Wein,
Ihre Wangen sind nicht bleiche,
Wie prächtig ihre Kleider sein,
Von lauter schwerem Zeuche;
Von Eichenholz ist ihr Gewand,
Von Birkenreifen ihr Band,
Das Mieder, das sie zieret,
Mit Eisen ist geschnüret.

— — — — — — — —
Nur einmal, Rosamunde,
Küss’ mich, dass es gesunde.

Vor dem alten Rathhause erhebt sich die aus dem Beginne des
XV. Jahrhunderts stammende steinerne, 5·6 m hohe Bildsäule Roland’s,
das Sinnbild der städtischen Freiheit und das älteste Monument dieser
Art in Deutschland.

An der Nordseite des Rathhauses wurde das grosse neue
Stadthaus angebaut. Vor demselben liegt die aus dem XII. und XIII.
Jahrhundert stammende Liebfrauenkirche.

Der Marktplatz besitzt in dem Wunderbau der prächtigen Börse
einen herrlichen Schmuck.

Nach Heinrich Müller’s Plänen 1861 bis 1862 erbaut, ist die
Börse ein reicher modern-gothischer Prachtbau mit geschmackvollen

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[716/0736] Der atlantische Ocean. sie in ihren dunkelbraunen Särgen, schmucklos, ohne Glanz und Flitter. Kein Marmor rühmt ihr stilles Verdienst, ihre anspruchslose Tugend, ihren vortrefflichen Charakter. Dort Andreas, hier Johannes, in jener Ecke Judas, in dieser Petrus. Wen rührt es nicht, wenn er dann hört: Dort liegt der Edle von Nierenstein, geboren 1718, hier der von Rüdesheim, geboren 1726. Rechts Paulus, links Jakob, der gute Jakob!“ Das älteste edle Nass (vom Jahre 1615) enthält aber „die Rose“, welche in einem separaten Gewölbe, dessen Decke das Bild einer Rose ziert, untergebracht ist. In dem Raume wurden ehe- mals die Geheimsitzungen des edlen Stadtsenates abgehalten; daher noch heute die Bezeichnung „sub rosa“. Von der Rose singt Hauff: Vor allen Schlössern dieser Zeit Lob’ ich ein Schloss zu Bremen, An seinen Hallen hoch und weit Darf sich kein Kaiser schämen; Gar seltsam ist es ausstaffirt, Mit schmuckem Hausrath ausgeziert, Doch hat daselbst vor Allen Eine Jungfrau mir gefallen. * Ihr Auge blinkt wie klarer Wein, Ihre Wangen sind nicht bleiche, Wie prächtig ihre Kleider sein, Von lauter schwerem Zeuche; Von Eichenholz ist ihr Gewand, Von Birkenreifen ihr Band, Das Mieder, das sie zieret, Mit Eisen ist geschnüret. — — — — — — — — Nur einmal, Rosamunde, Küss’ mich, dass es gesunde. Vor dem alten Rathhause erhebt sich die aus dem Beginne des XV. Jahrhunderts stammende steinerne, 5·6 m hohe Bildsäule Roland’s, das Sinnbild der städtischen Freiheit und das älteste Monument dieser Art in Deutschland. An der Nordseite des Rathhauses wurde das grosse neue Stadthaus angebaut. Vor demselben liegt die aus dem XII. und XIII. Jahrhundert stammende Liebfrauenkirche. Der Marktplatz besitzt in dem Wunderbau der prächtigen Börse einen herrlichen Schmuck. Nach Heinrich Müller’s Plänen 1861 bis 1862 erbaut, ist die Börse ein reicher modern-gothischer Prachtbau mit geschmackvollen

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 716. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/736>, abgerufen am 23.11.2024.