Natur Bremen gegen die Landseite hin versagt hatte, ersetzte die Energie seiner Bürger doppelt gegen die See hin. Man errichtete 1827 den Vorhafen Bremerhaven für die neuen grossen Seeschiffe, die Bremen nicht mehr erreichen konnten, pflegte den Verkehr nach Nordamerika und lenkte schon früh den Strom der deutschen Auswanderung in die Union über Bremen. Als Rückfracht verlud man um billiges Geld Tabak und machte so Bremen zum ersten Tabakmarkte des Conti- nentes. Es folgten in späterer Zeit Getreide, dann Baumwolle, Reis und Petroleum. Der Norddeutsche Lloyd gab dem Verkehre nach Nord- amerika einen grossen Aufschwung, durch seine Fahrten nach Süd- amerika wurde Schafwolle für den Markt Bremen als Stapelartikel gewonnen. Die Thätigkeit von Bremer Häusern in Westafrika zog diese Länder in das Handelsgebiet von Bremen, die Errichtung der subventionirten Linien des Lloyd nach Ostasien und Australien ent- wickelte den Verkehr nach diesen entfernten Welttheilen. Neue Linien nach Vorderindien folgten, der Aufschwung, welchen Russland als Aus- fuhrland für Getreide gewonnen, förderte den Verkehr mit dem Schwarzen Meere, und eine regelmässige Verbindung Bremens mit Westindien ist schon seit Jahren ein Bedürfniss. Aber trotz Allem ist die Hauptstütze des überseeischen Handels der Verkehr mit den Vereinigten Staaten, nur tritt dieser für die Ausfuhr etwas zurück, in demselben Masse, als diese in jene europäischen Staaten grösser wird, für die Bremen disponi- render Markt ist. Dass es Bremen verstanden hat, den nordamerikani- schen Verkehr bis Oesterreich-Ungarn und Russland auf dem Wege der Eisenbahnen, die bereits 1847 eröffnet wurden, an sich zu fesseln, zeugt für die gute kaufmännische Leitung des Platzes.
Die Vereinigung mit dem deutschen Zollgebiete (15. October 1888), dem ursprünglichen und wichtigsten Handelsgebiete Bremens, muss dessen Bedeutung als Handelsplatz, noch mehr aber als Indu- strieplatz heben, die Vertiefung der Weser und die Anlage eines grossartigen Hafens seine Concurrenzfähigkeit gegenüber Hamburg im europäischen Verkehre stärken, weil sie die natürliche Ungunst der Lage Bremens beseitigt.
Die Zeit der Gründung von Bremen ist durchaus unbekannt. Die Geschichte der Stadt reicht nur bis zum Jahre 788 zurück, in welchem Karl der Grosse dort ein Erzbisthum errichtete, unter dessen Schutze Bremen in den folgenden Jahr- hunderten zu Ansehen gelangte; aber im XIII. und XIV. Jahrhundert wusste es sich der geistlichen Gewalt immer mehr zu entziehen. Unterdessen war 1241 der Hansa-Bund entstanden, welchem Bremen zwar beitrat, aber von welchem es schon 1285 ausgeschlossen und erst 1385 wieder aufgenommen wurde. Auch später musste die Stadt ihrer spröden Haltung wegen wiederholt "verhanst" werden.
Die Seehäfen des Weltverkehrs. I. Band. 90
Bremen.
Natur Bremen gegen die Landseite hin versagt hatte, ersetzte die Energie seiner Bürger doppelt gegen die See hin. Man errichtete 1827 den Vorhafen Bremerhaven für die neuen grossen Seeschiffe, die Bremen nicht mehr erreichen konnten, pflegte den Verkehr nach Nordamerika und lenkte schon früh den Strom der deutschen Auswanderung in die Union über Bremen. Als Rückfracht verlud man um billiges Geld Tabak und machte so Bremen zum ersten Tabakmarkte des Conti- nentes. Es folgten in späterer Zeit Getreide, dann Baumwolle, Reis und Petroleum. Der Norddeutsche Lloyd gab dem Verkehre nach Nord- amerika einen grossen Aufschwung, durch seine Fahrten nach Süd- amerika wurde Schafwolle für den Markt Bremen als Stapelartikel gewonnen. Die Thätigkeit von Bremer Häusern in Westafrika zog diese Länder in das Handelsgebiet von Bremen, die Errichtung der subventionirten Linien des Lloyd nach Ostasien und Australien ent- wickelte den Verkehr nach diesen entfernten Welttheilen. Neue Linien nach Vorderindien folgten, der Aufschwung, welchen Russland als Aus- fuhrland für Getreide gewonnen, förderte den Verkehr mit dem Schwarzen Meere, und eine regelmässige Verbindung Bremens mit Westindien ist schon seit Jahren ein Bedürfniss. Aber trotz Allem ist die Hauptstütze des überseeischen Handels der Verkehr mit den Vereinigten Staaten, nur tritt dieser für die Ausfuhr etwas zurück, in demselben Masse, als diese in jene europäischen Staaten grösser wird, für die Bremen disponi- render Markt ist. Dass es Bremen verstanden hat, den nordamerikani- schen Verkehr bis Oesterreich-Ungarn und Russland auf dem Wege der Eisenbahnen, die bereits 1847 eröffnet wurden, an sich zu fesseln, zeugt für die gute kaufmännische Leitung des Platzes.
Die Vereinigung mit dem deutschen Zollgebiete (15. October 1888), dem ursprünglichen und wichtigsten Handelsgebiete Bremens, muss dessen Bedeutung als Handelsplatz, noch mehr aber als Indu- strieplatz heben, die Vertiefung der Weser und die Anlage eines grossartigen Hafens seine Concurrenzfähigkeit gegenüber Hamburg im europäischen Verkehre stärken, weil sie die natürliche Ungunst der Lage Bremens beseitigt.
Die Zeit der Gründung von Bremen ist durchaus unbekannt. Die Geschichte der Stadt reicht nur bis zum Jahre 788 zurück, in welchem Karl der Grosse dort ein Erzbisthum errichtete, unter dessen Schutze Bremen in den folgenden Jahr- hunderten zu Ansehen gelangte; aber im XIII. und XIV. Jahrhundert wusste es sich der geistlichen Gewalt immer mehr zu entziehen. Unterdessen war 1241 der Hansa-Bund entstanden, welchem Bremen zwar beitrat, aber von welchem es schon 1285 ausgeschlossen und erst 1385 wieder aufgenommen wurde. Auch später musste die Stadt ihrer spröden Haltung wegen wiederholt „verhanst“ werden.
Die Seehäfen des Weltverkehrs. I. Band. 90
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Bremen.
Natur Bremen gegen die Landseite hin versagt hatte, ersetzte die
Energie seiner Bürger doppelt gegen die See hin. Man errichtete 1827
den Vorhafen Bremerhaven für die neuen grossen Seeschiffe, die Bremen
nicht mehr erreichen konnten, pflegte den Verkehr nach Nordamerika
und lenkte schon früh den Strom der deutschen Auswanderung in
die Union über Bremen. Als Rückfracht verlud man um billiges Geld
Tabak und machte so Bremen zum ersten Tabakmarkte des Conti-
nentes. Es folgten in späterer Zeit Getreide, dann Baumwolle, Reis und
Petroleum. Der Norddeutsche Lloyd gab dem Verkehre nach Nord-
amerika einen grossen Aufschwung, durch seine Fahrten nach Süd-
amerika wurde Schafwolle für den Markt Bremen als Stapelartikel
gewonnen. Die Thätigkeit von Bremer Häusern in Westafrika zog
diese Länder in das Handelsgebiet von Bremen, die Errichtung der
subventionirten Linien des Lloyd nach Ostasien und Australien ent-
wickelte den Verkehr nach diesen entfernten Welttheilen. Neue Linien
nach Vorderindien folgten, der Aufschwung, welchen Russland als Aus-
fuhrland für Getreide gewonnen, förderte den Verkehr mit dem Schwarzen
Meere, und eine regelmässige Verbindung Bremens mit Westindien ist
schon seit Jahren ein Bedürfniss. Aber trotz Allem ist die Hauptstütze
des überseeischen Handels der Verkehr mit den Vereinigten Staaten,
nur tritt dieser für die Ausfuhr etwas zurück, in demselben Masse, als
diese in jene europäischen Staaten grösser wird, für die Bremen disponi-
render Markt ist. Dass es Bremen verstanden hat, den nordamerikani-
schen Verkehr bis Oesterreich-Ungarn und Russland auf dem Wege
der Eisenbahnen, die bereits 1847 eröffnet wurden, an sich zu fesseln,
zeugt für die gute kaufmännische Leitung des Platzes.
Die Vereinigung mit dem deutschen Zollgebiete (15. October
1888), dem ursprünglichen und wichtigsten Handelsgebiete Bremens,
muss dessen Bedeutung als Handelsplatz, noch mehr aber als Indu-
strieplatz heben, die Vertiefung der Weser und die Anlage eines
grossartigen Hafens seine Concurrenzfähigkeit gegenüber Hamburg
im europäischen Verkehre stärken, weil sie die natürliche Ungunst
der Lage Bremens beseitigt.
Die Zeit der Gründung von Bremen ist durchaus unbekannt. Die Geschichte
der Stadt reicht nur bis zum Jahre 788 zurück, in welchem Karl der Grosse dort
ein Erzbisthum errichtete, unter dessen Schutze Bremen in den folgenden Jahr-
hunderten zu Ansehen gelangte; aber im XIII. und XIV. Jahrhundert wusste es
sich der geistlichen Gewalt immer mehr zu entziehen. Unterdessen war 1241 der
Hansa-Bund entstanden, welchem Bremen zwar beitrat, aber von welchem es schon
1285 ausgeschlossen und erst 1385 wieder aufgenommen wurde. Auch später
musste die Stadt ihrer spröden Haltung wegen wiederholt „verhanst“ werden.
Die Seehäfen des Weltverkehrs. I. Band. 90
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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 713. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/733>, abgerufen am 23.11.2024.
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