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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Calais.

Seitdem Grossbritannien zur ersten Handelsmacht der Erde
emporgestiegen ist, zählt die Enge von Calais zu den am meisten be-
fahrenen Wasserstrassen. Der enorme Seeverkehr von London, von
der Ostküste Englands und Schottlands, dann fast dem gesammten
nordeuropäischen Küstengebiete nimmt seinen Weg durch den Pas-
de-Calais (Strait of Dover). Senkrecht auf seine Richtung überquert
ihn der bedeutende englisch-französische Verkehr in mehreren Linien.
Zu jeder Tageszeit sind dort hunderte von Schiffen aller Nationen
unterwegs, und verriethen auch die Kreidefelsen Dovers, die Dünen
von Calais nicht die Nähe zweier Welthandelsstaaten, so vermöchte
man aus der ungeheueren Frequenz der Meerenge auf den ersten
Blick die grossartigste Völkerstrasse der Gegenwart zu erkennen,
die nirgends sonst ihres Gleichen hat.

An dieser wichtigen Communication gelegen erlangte Calais be-
reits im Mittelalter eine grosse Bedeutung und ward von den Eng-
ländern als einer der Schlüsselpunkte Frankreichs angesehen, den sie
bis 1558 zu behaupten wussten.

Calais liegt an einem flachen und morastigen Dünenstrande
nächst der Mündung der Verzweigungen des Saint-Omer-Canales und
der Riviere-Neuve. Starke Befestigungen umschliessen die Stadt: das
älteste Bollwerk, das Fort Risban, welches den Hafen und die Küste
beherrscht, stammt aus dem Jahre 1231, die Citadelle aber aus dem
Jahre 1560. In neuerer Zeit hat man Calais und die Schwesterstadt
Saint-Pierre-les-Calais mit einem Gürtel von Forts umgeben, dafür
aber einen Theil der ursprünglichen Umwallung aufgelassen, wodurch
Calais sich etwas, wenngleich nur unbedeutend, ausbreiten konnte.

Ueberhaupt hatte der Festungsgürtel die Stadt seit jeher in der
räumlichen Entwicklung sehr gehindert, so dass Calais nicht
emporwachsen konnte. Dagegen begann das im Süden der Stadt ge-
legene einstmalige Dorf Saint-Pierre-les-Calais, ein in alter Zeit Pe-

Calais.

Seitdem Grossbritannien zur ersten Handelsmacht der Erde
emporgestiegen ist, zählt die Enge von Calais zu den am meisten be-
fahrenen Wasserstrassen. Der enorme Seeverkehr von London, von
der Ostküste Englands und Schottlands, dann fast dem gesammten
nordeuropäischen Küstengebiete nimmt seinen Weg durch den Pas-
de-Calais (Strait of Dover). Senkrecht auf seine Richtung überquert
ihn der bedeutende englisch-französische Verkehr in mehreren Linien.
Zu jeder Tageszeit sind dort hunderte von Schiffen aller Nationen
unterwegs, und verriethen auch die Kreidefelsen Dovers, die Dünen
von Calais nicht die Nähe zweier Welthandelsstaaten, so vermöchte
man aus der ungeheueren Frequenz der Meerenge auf den ersten
Blick die grossartigste Völkerstrasse der Gegenwart zu erkennen,
die nirgends sonst ihres Gleichen hat.

An dieser wichtigen Communication gelegen erlangte Calais be-
reits im Mittelalter eine grosse Bedeutung und ward von den Eng-
ländern als einer der Schlüsselpunkte Frankreichs angesehen, den sie
bis 1558 zu behaupten wussten.

Calais liegt an einem flachen und morastigen Dünenstrande
nächst der Mündung der Verzweigungen des Saint-Omer-Canales und
der Rivière-Neuve. Starke Befestigungen umschliessen die Stadt: das
älteste Bollwerk, das Fort Risban, welches den Hafen und die Küste
beherrscht, stammt aus dem Jahre 1231, die Citadelle aber aus dem
Jahre 1560. In neuerer Zeit hat man Calais und die Schwesterstadt
Saint-Pierre-les-Calais mit einem Gürtel von Forts umgeben, dafür
aber einen Theil der ursprünglichen Umwallung aufgelassen, wodurch
Calais sich etwas, wenngleich nur unbedeutend, ausbreiten konnte.

Ueberhaupt hatte der Festungsgürtel die Stadt seit jeher in der
räumlichen Entwicklung sehr gehindert, so dass Calais nicht
emporwachsen konnte. Dagegen begann das im Süden der Stadt ge-
legene einstmalige Dorf Saint-Pierre-les-Calais, ein in alter Zeit Pe-

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[[630]/0650] Calais. Seitdem Grossbritannien zur ersten Handelsmacht der Erde emporgestiegen ist, zählt die Enge von Calais zu den am meisten be- fahrenen Wasserstrassen. Der enorme Seeverkehr von London, von der Ostküste Englands und Schottlands, dann fast dem gesammten nordeuropäischen Küstengebiete nimmt seinen Weg durch den Pas- de-Calais (Strait of Dover). Senkrecht auf seine Richtung überquert ihn der bedeutende englisch-französische Verkehr in mehreren Linien. Zu jeder Tageszeit sind dort hunderte von Schiffen aller Nationen unterwegs, und verriethen auch die Kreidefelsen Dovers, die Dünen von Calais nicht die Nähe zweier Welthandelsstaaten, so vermöchte man aus der ungeheueren Frequenz der Meerenge auf den ersten Blick die grossartigste Völkerstrasse der Gegenwart zu erkennen, die nirgends sonst ihres Gleichen hat. An dieser wichtigen Communication gelegen erlangte Calais be- reits im Mittelalter eine grosse Bedeutung und ward von den Eng- ländern als einer der Schlüsselpunkte Frankreichs angesehen, den sie bis 1558 zu behaupten wussten. Calais liegt an einem flachen und morastigen Dünenstrande nächst der Mündung der Verzweigungen des Saint-Omer-Canales und der Rivière-Neuve. Starke Befestigungen umschliessen die Stadt: das älteste Bollwerk, das Fort Risban, welches den Hafen und die Küste beherrscht, stammt aus dem Jahre 1231, die Citadelle aber aus dem Jahre 1560. In neuerer Zeit hat man Calais und die Schwesterstadt Saint-Pierre-les-Calais mit einem Gürtel von Forts umgeben, dafür aber einen Theil der ursprünglichen Umwallung aufgelassen, wodurch Calais sich etwas, wenngleich nur unbedeutend, ausbreiten konnte. Ueberhaupt hatte der Festungsgürtel die Stadt seit jeher in der räumlichen Entwicklung sehr gehindert, so dass Calais nicht emporwachsen konnte. Dagegen begann das im Süden der Stadt ge- legene einstmalige Dorf Saint-Pierre-les-Calais, ein in alter Zeit Pe-

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. [630]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/650>, abgerufen am 23.11.2024.