lateinischen Kaiserreiches in Byzanz (1204) als den Höhepunkt des Einflusses der "bella Venezia" zu bezeichnen -- allein mit Unrecht.
Zunächst erscheinen die alten Venetianer den heutigen Briten auch darin vergleichbar, dass sie es verstanden, noch im XIII. Jahr- hunderte ihre Vaterstadt zum Capitale für einträgliche Industrien zu erheben. In den 1204 erworbenen Theilen Griechenlands und den um- liegenden Inseln blühten die Production und die Verarbeitung der Seide. Die Venezianer versetzten griechische Arbeiter in ihre Vater- stadt, und an Stelle Constantinopels wurde Venedig der Hauptsitz der Seidenindustrie am Mittelmeere. Man war damit in einem der wich- tigsten Zweige des Handels unabhängig von der alten Metropole. Neben den Seidenfabriken erhoben sich bald weltbeherrschende Eta- blissements für Papier, Glas, Leder, geschmackvoll gearbeitete Waffen, für Schmuck, Holzarbeiten; kurz Venedig wurde die Heimat einer durch die wahre Kunst getragenen und getriebenen Kunstindustrie.
Um unbehindert in das Innere Osteuropas und Asiens zu ge- langen, umging man einfach Constantinopel, von wo aus seit 1265 die Rivalin Genua den Handel des schwarzen Meeres und Central- asiens zu monopolisiren bestrebt war. Einen Theil der Don- und Wolga- Artikel bezog man durch die Hanseaten über Brügge und Antwerpen, und nach Innerasien verfolgte man einen neuen Weg, die grosse armenische Handelsstrasse, welche von Lajazzo (Ajas) an der Süd- küste von Kleinasien ausging.
Diesen Weg schlugen die beiden edlen venezianischen Kaufleute Nicolo und Maffio Polo ein, als sie ihre zweite Reise in das Reich der Mongolen antraten, diesmal begleitet von Marco, Nicolo's Sohn.
Durch 24 Jahre, 1271--1295, blieben sie im Morgenlande. Marco Polo stieg in den Diensten des Mongolenkaisers Kublai Chan zum Präfecten auf, wurde sogar Admiral und durchzog, dem Hoflager oder den erobernden Heeren folgend, alle chinesischen Provinzen innerhalb der grossen Mauer, ausgenommen die beiden südöstlichen Kuangsi und Kuangtung. Er betrat als erster Europäer das östliche Tibet, ja selbst das nördliche Birma, das gerade in unseren Tagen durch die Engländer vollständig erschlossen wird. Zu der Heimkehr wählten die Polos den südlichen Seeweg über Tschiampa (Cochinchina), Sumatra, Ceylon, die Malabarküste und Ormus am Eingange in den persischen Golf und kreuzten Vorderasien über Täbris und Trapezunt. Die glän- zenden Schilderungen, welche Marco Polo von den chinesischen Sitten machte, seine Beschreibung Quinsays (jetzt Hangtscheufu), der prächti- gen Hauptstadt Südchinas mit ihren meilenlangen Strassen und zwölf-
Das Mittelmeerbecken.
lateinischen Kaiserreiches in Byzanz (1204) als den Höhepunkt des Einflusses der „bella Venezia“ zu bezeichnen — allein mit Unrecht.
Zunächst erscheinen die alten Venetianer den heutigen Briten auch darin vergleichbar, dass sie es verstanden, noch im XIII. Jahr- hunderte ihre Vaterstadt zum Capitale für einträgliche Industrien zu erheben. In den 1204 erworbenen Theilen Griechenlands und den um- liegenden Inseln blühten die Production und die Verarbeitung der Seide. Die Venezianer versetzten griechische Arbeiter in ihre Vater- stadt, und an Stelle Constantinopels wurde Venedig der Hauptsitz der Seidenindustrie am Mittelmeere. Man war damit in einem der wich- tigsten Zweige des Handels unabhängig von der alten Metropole. Neben den Seidenfabriken erhoben sich bald weltbeherrschende Eta- blissements für Papier, Glas, Leder, geschmackvoll gearbeitete Waffen, für Schmuck, Holzarbeiten; kurz Venedig wurde die Heimat einer durch die wahre Kunst getragenen und getriebenen Kunstindustrie.
Um unbehindert in das Innere Osteuropas und Asiens zu ge- langen, umging man einfach Constantinopel, von wo aus seit 1265 die Rivalin Genua den Handel des schwarzen Meeres und Central- asiens zu monopolisiren bestrebt war. Einen Theil der Don- und Wolga- Artikel bezog man durch die Hanseaten über Brügge und Antwerpen, und nach Innerasien verfolgte man einen neuen Weg, die grosse armenische Handelsstrasse, welche von Lajazzo (Ajas) an der Süd- küste von Kleinasien ausging.
Diesen Weg schlugen die beiden edlen venezianischen Kaufleute Nicolò und Maffio Polo ein, als sie ihre zweite Reise in das Reich der Mongolen antraten, diesmal begleitet von Marco, Nicolò’s Sohn.
Durch 24 Jahre, 1271—1295, blieben sie im Morgenlande. Marco Polo stieg in den Diensten des Mongolenkaisers Kublai Chan zum Präfecten auf, wurde sogar Admiral und durchzog, dem Hoflager oder den erobernden Heeren folgend, alle chinesischen Provinzen innerhalb der grossen Mauer, ausgenommen die beiden südöstlichen Kuangsi und Kuangtung. Er betrat als erster Europäer das östliche Tibet, ja selbst das nördliche Birma, das gerade in unseren Tagen durch die Engländer vollständig erschlossen wird. Zu der Heimkehr wählten die Polos den südlichen Seeweg über Tschiampa (Cochinchina), Sumatra, Ceylon, die Malabarküste und Ormus am Eingange in den persischen Golf und kreuzten Vorderasien über Täbris und Trapezunt. Die glän- zenden Schilderungen, welche Marco Polo von den chinesischen Sitten machte, seine Beschreibung Quinsays (jetzt Hangtscheufu), der prächti- gen Hauptstadt Südchinas mit ihren meilenlangen Strassen und zwölf-
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Das Mittelmeerbecken.
lateinischen Kaiserreiches in Byzanz (1204) als den Höhepunkt des
Einflusses der „bella Venezia“ zu bezeichnen — allein mit Unrecht.
Zunächst erscheinen die alten Venetianer den heutigen Briten
auch darin vergleichbar, dass sie es verstanden, noch im XIII. Jahr-
hunderte ihre Vaterstadt zum Capitale für einträgliche Industrien zu
erheben. In den 1204 erworbenen Theilen Griechenlands und den um-
liegenden Inseln blühten die Production und die Verarbeitung der
Seide. Die Venezianer versetzten griechische Arbeiter in ihre Vater-
stadt, und an Stelle Constantinopels wurde Venedig der Hauptsitz der
Seidenindustrie am Mittelmeere. Man war damit in einem der wich-
tigsten Zweige des Handels unabhängig von der alten Metropole.
Neben den Seidenfabriken erhoben sich bald weltbeherrschende Eta-
blissements für Papier, Glas, Leder, geschmackvoll gearbeitete Waffen,
für Schmuck, Holzarbeiten; kurz Venedig wurde die Heimat einer
durch die wahre Kunst getragenen und getriebenen Kunstindustrie.
Um unbehindert in das Innere Osteuropas und Asiens zu ge-
langen, umging man einfach Constantinopel, von wo aus seit 1265
die Rivalin Genua den Handel des schwarzen Meeres und Central-
asiens zu monopolisiren bestrebt war. Einen Theil der Don- und Wolga-
Artikel bezog man durch die Hanseaten über Brügge und Antwerpen,
und nach Innerasien verfolgte man einen neuen Weg, die grosse
armenische Handelsstrasse, welche von Lajazzo (Ajas) an der Süd-
küste von Kleinasien ausging.
Diesen Weg schlugen die beiden edlen venezianischen Kaufleute
Nicolò und Maffio Polo ein, als sie ihre zweite Reise in das Reich
der Mongolen antraten, diesmal begleitet von Marco, Nicolò’s Sohn.
Durch 24 Jahre, 1271—1295, blieben sie im Morgenlande.
Marco Polo stieg in den Diensten des Mongolenkaisers Kublai Chan
zum Präfecten auf, wurde sogar Admiral und durchzog, dem Hoflager
oder den erobernden Heeren folgend, alle chinesischen Provinzen
innerhalb der grossen Mauer, ausgenommen die beiden südöstlichen
Kuangsi und Kuangtung. Er betrat als erster Europäer das östliche
Tibet, ja selbst das nördliche Birma, das gerade in unseren Tagen durch
die Engländer vollständig erschlossen wird. Zu der Heimkehr wählten
die Polos den südlichen Seeweg über Tschiampa (Cochinchina), Sumatra,
Ceylon, die Malabarküste und Ormus am Eingange in den persischen
Golf und kreuzten Vorderasien über Täbris und Trapezunt. Die glän-
zenden Schilderungen, welche Marco Polo von den chinesischen Sitten
machte, seine Beschreibung Quinsays (jetzt Hangtscheufu), der prächti-
gen Hauptstadt Südchinas mit ihren meilenlangen Strassen und zwölf-
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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 44. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/64>, abgerufen am 24.11.2024.
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