In der Vorstadt S. Fernando liegt die grosse Geschützgiesserei (Fundicion de artilleria), welche zu den hervorragendsten des König- reiches zählt, und in der Nähe des Goldthurmes ist die Maestranza de Artilleria mit bedeutenden Waffensälen und grossem Geschützpark.
Die Schiffahrtsverhältnisse des Guadalquivir sind nicht die gün- stigsten. Die Fahrt nach Sevilla ist für Seeschiffe recht beschwerlich, denn ausser der bedeutenden Entfernung der Flussmündung zur Stadt (100 km), sind die Tiefenverhältnisse auf einzelnen Punkten dieser Strecke ungenügend, so dass die Schiffe nur bei Flut die seichtesten Stellen passiren können, daher viel Zeitverlust erleiden.
Der Guadalquivir, der "grosse Strom", der Wada-l-Kebir oder Wada-l-adhem der Mauren, wälzt sich bei geringem Fall in vielen Windungen dem Meere zu. Die spanischen Zigeuner nennen ihn Len Baro, also auch den grossen Fluss; bei den Iberiern hiess er Certis, bei den Römern Baetis.
An seinen fruchtbaren Ufern abwärts von Sevilla lagern von üppigem Grün umgeben einige kleine Ortschaften, von welchen Corcia (4576 Einwohner) unter den Römern wegen der dort erzeugten Ziegel und Erdwaaren viel genannt wurde. Noch heute werden dort jene riesigen Gefässe (tinajas) erzeugt, welche, zur Aufbewahrung des Oels und der Oliven verwendet, genau die Form der antiken Amphora aufweisen.
Bei Puebla spaltet sich der Fluss in drei Arme und bildet die beiden Inseln Isla Mayor und Menor. Erstere, die Kaptal-Insel der Mauren, wurde durch eine Gesellschaft mit Baumwolle bepflanzt; ein von derselben Unternehmung angelegter Canal La Corta nueva von 6 km Länge kürzt die Flussfahrt für kleine Fahrzeuge um 12 km ab.
Nach der Wiedervereinigung seiner Arme wälzt der Guadal- quivir als breiter Fluss seine trüben Wässer durch ein von Wasser- und Sumpfvögeln äusserst belebtes Alluvialterrain, dessen Miriaden von Mücken und Schnacken zur Plage von Mensch und Vieh ge- worden sind. Das ist die Fiebergegend La Marisma, wo ungeheure Rinderherden grasen.
Bei Bonanza erblickt man die offene See. Der niedliche Ort, welcher mit Jerez und Sanlucar de Barrameda durch eine Eisenbahn verbunden ist, besitzt ein Zollamt und eine Lootsenstation für die Schiffahrt auf dem Guadalquivir.
Die Mündung des Flusses ist zwar breit, aber, wie aus unserem Plan zu ersehen, von zahlreichen Bänken und Sandbarren sehr eingeengt, so dass beim Ein- und Auslaufen der Schiffe die
Sevilla.
In der Vorstadt S. Fernando liegt die grosse Geschützgiesserei (Fundición de artilleria), welche zu den hervorragendsten des König- reiches zählt, und in der Nähe des Goldthurmes ist die Maestranza de Artilleria mit bedeutenden Waffensälen und grossem Geschützpark.
Die Schiffahrtsverhältnisse des Guadalquivir sind nicht die gün- stigsten. Die Fahrt nach Sevilla ist für Seeschiffe recht beschwerlich, denn ausser der bedeutenden Entfernung der Flussmündung zur Stadt (100 km), sind die Tiefenverhältnisse auf einzelnen Punkten dieser Strecke ungenügend, so dass die Schiffe nur bei Flut die seichtesten Stellen passiren können, daher viel Zeitverlust erleiden.
Der Guadalquivir, der „grosse Strom“, der Wada-l-Kebir oder Wada-l-adhem der Mauren, wälzt sich bei geringem Fall in vielen Windungen dem Meere zu. Die spanischen Zigeuner nennen ihn Len Baro, also auch den grossen Fluss; bei den Iberiern hiess er Certis, bei den Römern Baetis.
An seinen fruchtbaren Ufern abwärts von Sevilla lagern von üppigem Grün umgeben einige kleine Ortschaften, von welchen Corcia (4576 Einwohner) unter den Römern wegen der dort erzeugten Ziegel und Erdwaaren viel genannt wurde. Noch heute werden dort jene riesigen Gefässe (tinajas) erzeugt, welche, zur Aufbewahrung des Oels und der Oliven verwendet, genau die Form der antiken Amphora aufweisen.
Bei Puebla spaltet sich der Fluss in drei Arme und bildet die beiden Inseln Isla Mayor und Menor. Erstere, die Kaptal-Insel der Mauren, wurde durch eine Gesellschaft mit Baumwolle bepflanzt; ein von derselben Unternehmung angelegter Canal La Corta nueva von 6 km Länge kürzt die Flussfahrt für kleine Fahrzeuge um 12 km ab.
Nach der Wiedervereinigung seiner Arme wälzt der Guadal- quivir als breiter Fluss seine trüben Wässer durch ein von Wasser- und Sumpfvögeln äusserst belebtes Alluvialterrain, dessen Miriaden von Mücken und Schnacken zur Plage von Mensch und Vieh ge- worden sind. Das ist die Fiebergegend La Marisma, wo ungeheure Rinderherden grasen.
Bei Bonanza erblickt man die offene See. Der niedliche Ort, welcher mit Jerez und Sanlucar de Barrameda durch eine Eisenbahn verbunden ist, besitzt ein Zollamt und eine Lootsenstation für die Schiffahrt auf dem Guadalquivir.
Die Mündung des Flusses ist zwar breit, aber, wie aus unserem Plan zu ersehen, von zahlreichen Bänken und Sandbarren sehr eingeengt, so dass beim Ein- und Auslaufen der Schiffe die
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Sevilla.
In der Vorstadt S. Fernando liegt die grosse Geschützgiesserei
(Fundición de artilleria), welche zu den hervorragendsten des König-
reiches zählt, und in der Nähe des Goldthurmes ist die Maestranza
de Artilleria mit bedeutenden Waffensälen und grossem Geschützpark.
Die Schiffahrtsverhältnisse des Guadalquivir sind nicht die gün-
stigsten. Die Fahrt nach Sevilla ist für Seeschiffe recht beschwerlich,
denn ausser der bedeutenden Entfernung der Flussmündung zur Stadt
(100 km), sind die Tiefenverhältnisse auf einzelnen Punkten dieser
Strecke ungenügend, so dass die Schiffe nur bei Flut die seichtesten
Stellen passiren können, daher viel Zeitverlust erleiden.
Der Guadalquivir, der „grosse Strom“, der Wada-l-Kebir oder
Wada-l-adhem der Mauren, wälzt sich bei geringem Fall in vielen
Windungen dem Meere zu. Die spanischen Zigeuner nennen ihn Len
Baro, also auch den grossen Fluss; bei den Iberiern hiess er Certis,
bei den Römern Baetis.
An seinen fruchtbaren Ufern abwärts von Sevilla lagern von
üppigem Grün umgeben einige kleine Ortschaften, von welchen Corcia
(4576 Einwohner) unter den Römern wegen der dort erzeugten Ziegel
und Erdwaaren viel genannt wurde. Noch heute werden dort jene
riesigen Gefässe (tinajas) erzeugt, welche, zur Aufbewahrung des Oels
und der Oliven verwendet, genau die Form der antiken Amphora
aufweisen.
Bei Puebla spaltet sich der Fluss in drei Arme und bildet die
beiden Inseln Isla Mayor und Menor. Erstere, die Kaptal-Insel der
Mauren, wurde durch eine Gesellschaft mit Baumwolle bepflanzt; ein
von derselben Unternehmung angelegter Canal La Corta nueva von
6 km Länge kürzt die Flussfahrt für kleine Fahrzeuge um 12 km ab.
Nach der Wiedervereinigung seiner Arme wälzt der Guadal-
quivir als breiter Fluss seine trüben Wässer durch ein von Wasser-
und Sumpfvögeln äusserst belebtes Alluvialterrain, dessen Miriaden
von Mücken und Schnacken zur Plage von Mensch und Vieh ge-
worden sind. Das ist die Fiebergegend La Marisma, wo ungeheure
Rinderherden grasen.
Bei Bonanza erblickt man die offene See. Der niedliche Ort,
welcher mit Jerez und Sanlucar de Barrameda durch eine Eisenbahn
verbunden ist, besitzt ein Zollamt und eine Lootsenstation für die
Schiffahrt auf dem Guadalquivir.
Die Mündung des Flusses ist zwar breit, aber, wie aus
unserem Plan zu ersehen, von zahlreichen Bänken und Sandbarren
sehr eingeengt, so dass beim Ein- und Auslaufen der Schiffe die
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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 517. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/537>, abgerufen am 23.11.2024.
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