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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Der antlantische Ocean.
geleitet, einer Reiter-Vereinigung, welche ehemals die Pflege der
Turniere und der Ritterlichkeit auf ihr Banner geschrieben hatte.

Sevilla ist aber nicht nur eine Stätte des Vergnügens, sondern
auch einer der bedeutendsten geistigen Vororte des lieblichen Spa-
niens. Die Universität, 1565--1579 von den Jesuiten gegründet, zählt
zu den angesehensten des Landes; in mehr als 40 prunkvollen Kirchen
zeigen Kunstschätze von unberechenbarem Werthe, welche Sevilla seit
Jahrhunderten geschaffen und gesammelt hatte, von der lebhaften
idealen Richtung der Bevölkerung. Murillo, ein Bürger von Sevilla,
beschenkte seine Vaterstadt mit unsterblichen Werken, von welchen.
obwohl General Soult viele nach Frankreich entführte, doch noch
zahlreiche in Kirchen und Gallerien vorhanden sind.

Die andalusische Malerschule prunkt mit ihren Meisterwerken
in der städtischen Gemäldegallerie, welche u. a. 24 Murillo, 19 Zuba-
ran, 12 Herrera, 7 Juan de Castillo (Lehrer Murillo's, Vos', Cano etc.),
die zu den Perlen dieser Meister zählen, enthält.

Der Triumph von Sevilla ist aber die imposante Kathedrale,
eines der grössten und schönsten religiösen Bauwerke von Spanien
und der zweitgrösste Dom der Erde, an Flächenmass zweimal so gross
als der Kölner Dom. Gleichwie die Eleganz des Domes von Leon, die
Kraft und Stärke der Kathedrale von Santiago und der Reichthum des
Domes von Toledo die Merkzeichen dieser berühmten Bauwerke sind,
so ist der herrlichen, in ihren Riesendimensionen so hehr harmonischen
Kathedrale von Sevilla der Ausdruck des würdevollen Ernstes, der
echten Grandezza eigen.

An der Stelle einer grossen, 1172 erbauten Moschee, welche
nach der Vertreibung der Mauren bis zum Jahre 1401 als Kathedrale
diente, sollte nach der Absicht des Capitels ein neues, im gothischen
Styl gehaltenes Gotteshaus erstehen, "von einer Grösse und Schön-
heit, wie ein solches niemals zuvor gesehen worden war".

Der Bau begann 1403 und währte bis 1519. Aussen und innen
überaus reich ornamentirt und geschmückt, stellt der mit Kunst-
schätzen erfüllte Dom ein förmliches Museum der schönen Künste dar;
prächtig ist der aus weissen und schwarzen Marmortafeln gebildete
Boden, dessen Herstellung im Jahre 1793 die damals enorme Summe
von 155.000 Dollars gekostet hat.

Berühmt ist die ungemein grosse Orgel mit ihren 5000 Pfeifen
und ihren bizarren Ornamenten.

In der Kathedrale hat Ferdinando Colon, der Sohn des grossen
Entdeckers, die letzte Ruhestätte gefunden.


Der antlantische Ocean.
geleitet, einer Reiter-Vereinigung, welche ehemals die Pflege der
Turniere und der Ritterlichkeit auf ihr Banner geschrieben hatte.

Sevilla ist aber nicht nur eine Stätte des Vergnügens, sondern
auch einer der bedeutendsten geistigen Vororte des lieblichen Spa-
niens. Die Universität, 1565—1579 von den Jesuiten gegründet, zählt
zu den angesehensten des Landes; in mehr als 40 prunkvollen Kirchen
zeigen Kunstschätze von unberechenbarem Werthe, welche Sevilla seit
Jahrhunderten geschaffen und gesammelt hatte, von der lebhaften
idealen Richtung der Bevölkerung. Murillo, ein Bürger von Sevilla,
beschenkte seine Vaterstadt mit unsterblichen Werken, von welchen.
obwohl General Soult viele nach Frankreich entführte, doch noch
zahlreiche in Kirchen und Gallerien vorhanden sind.

Die andalusische Malerschule prunkt mit ihren Meisterwerken
in der städtischen Gemäldegallerie, welche u. a. 24 Murillo, 19 Zuba-
ran, 12 Herrera, 7 Juan de Castillo (Lehrer Murillo’s, Vos’, Cano etc.),
die zu den Perlen dieser Meister zählen, enthält.

Der Triumph von Sevilla ist aber die imposante Kathedrale,
eines der grössten und schönsten religiösen Bauwerke von Spanien
und der zweitgrösste Dom der Erde, an Flächenmass zweimal so gross
als der Kölner Dom. Gleichwie die Eleganz des Domes von Leon, die
Kraft und Stärke der Kathedrale von Santiago und der Reichthum des
Domes von Toledo die Merkzeichen dieser berühmten Bauwerke sind,
so ist der herrlichen, in ihren Riesendimensionen so hehr harmonischen
Kathedrale von Sevilla der Ausdruck des würdevollen Ernstes, der
echten Grandezza eigen.

An der Stelle einer grossen, 1172 erbauten Moschee, welche
nach der Vertreibung der Mauren bis zum Jahre 1401 als Kathedrale
diente, sollte nach der Absicht des Capitels ein neues, im gothischen
Styl gehaltenes Gotteshaus erstehen, „von einer Grösse und Schön-
heit, wie ein solches niemals zuvor gesehen worden war“.

Der Bau begann 1403 und währte bis 1519. Aussen und innen
überaus reich ornamentirt und geschmückt, stellt der mit Kunst-
schätzen erfüllte Dom ein förmliches Museum der schönen Künste dar;
prächtig ist der aus weissen und schwarzen Marmortafeln gebildete
Boden, dessen Herstellung im Jahre 1793 die damals enorme Summe
von 155.000 Dollars gekostet hat.

Berühmt ist die ungemein grosse Orgel mit ihren 5000 Pfeifen
und ihren bizarren Ornamenten.

In der Kathedrale hat Ferdinando Colon, der Sohn des grossen
Entdeckers, die letzte Ruhestätte gefunden.


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[514/0534] Der antlantische Ocean. geleitet, einer Reiter-Vereinigung, welche ehemals die Pflege der Turniere und der Ritterlichkeit auf ihr Banner geschrieben hatte. Sevilla ist aber nicht nur eine Stätte des Vergnügens, sondern auch einer der bedeutendsten geistigen Vororte des lieblichen Spa- niens. Die Universität, 1565—1579 von den Jesuiten gegründet, zählt zu den angesehensten des Landes; in mehr als 40 prunkvollen Kirchen zeigen Kunstschätze von unberechenbarem Werthe, welche Sevilla seit Jahrhunderten geschaffen und gesammelt hatte, von der lebhaften idealen Richtung der Bevölkerung. Murillo, ein Bürger von Sevilla, beschenkte seine Vaterstadt mit unsterblichen Werken, von welchen. obwohl General Soult viele nach Frankreich entführte, doch noch zahlreiche in Kirchen und Gallerien vorhanden sind. Die andalusische Malerschule prunkt mit ihren Meisterwerken in der städtischen Gemäldegallerie, welche u. a. 24 Murillo, 19 Zuba- ran, 12 Herrera, 7 Juan de Castillo (Lehrer Murillo’s, Vos’, Cano etc.), die zu den Perlen dieser Meister zählen, enthält. Der Triumph von Sevilla ist aber die imposante Kathedrale, eines der grössten und schönsten religiösen Bauwerke von Spanien und der zweitgrösste Dom der Erde, an Flächenmass zweimal so gross als der Kölner Dom. Gleichwie die Eleganz des Domes von Leon, die Kraft und Stärke der Kathedrale von Santiago und der Reichthum des Domes von Toledo die Merkzeichen dieser berühmten Bauwerke sind, so ist der herrlichen, in ihren Riesendimensionen so hehr harmonischen Kathedrale von Sevilla der Ausdruck des würdevollen Ernstes, der echten Grandezza eigen. An der Stelle einer grossen, 1172 erbauten Moschee, welche nach der Vertreibung der Mauren bis zum Jahre 1401 als Kathedrale diente, sollte nach der Absicht des Capitels ein neues, im gothischen Styl gehaltenes Gotteshaus erstehen, „von einer Grösse und Schön- heit, wie ein solches niemals zuvor gesehen worden war“. Der Bau begann 1403 und währte bis 1519. Aussen und innen überaus reich ornamentirt und geschmückt, stellt der mit Kunst- schätzen erfüllte Dom ein förmliches Museum der schönen Künste dar; prächtig ist der aus weissen und schwarzen Marmortafeln gebildete Boden, dessen Herstellung im Jahre 1793 die damals enorme Summe von 155.000 Dollars gekostet hat. Berühmt ist die ungemein grosse Orgel mit ihren 5000 Pfeifen und ihren bizarren Ornamenten. In der Kathedrale hat Ferdinando Colon, der Sohn des grossen Entdeckers, die letzte Ruhestätte gefunden.

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 514. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/534>, abgerufen am 23.11.2024.