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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Der atlantische Ocean.
die Erinnerung an die maurische Cultur zu verwischen, ihre Merk-
male zu beseitigen und den Sieg des Kreuzes über den Halbmond
durch zahllose religiöse Bauwerke zur Ehre Gottes zu verkünden,
aber das orientalische Wesen hatte in der Seele der Andalusier, in
deren Adern nun einmal viel semitisches Blut, das durch die Taufe
der Verbannung oder dem Scheiterhaufen entging, fliesst, zu tiefe
Wurzeln geschlagen, war zu sehr in das Getriebe des Lebens einge-
treten, um noch unterliegen zu können.

Der erste Anblick der Stadt, wenn man am Guadalquivir der-
selben sich nähert, zeigt das reizvolle Bild der Verschmelzung der
beiden erwähnten Culturen.

Da lagert am linken Ufer die eigentliche Stadt und ihr gegen-
über die neuentstandene Vorstadt Triana. Ein dichter Wall üppig
gedeihender Bäume verdeckt uns die Hauptmasse der Gebäude. Wir
sehen indes über ihn ein förmliches Gewirre der verschiedenst ge-
formten Kirchthurmspitzen, aus welchem die imposante Giralda, der
mächtige Thurm der Kathedrale, ein maurisches Werk (Mueddin-
Thurm), auffallend hervortritt. Im Vordergrunde zieht der edelgeformte
Bau des Gold-Thurmes (Torre del Oro) die Aufmerksamkeit auf sich.
Er entstand unter der Maurenherrschaft und bildet das Schlussobject
des Stadtwalles, welches noch 1820 mit dem ehrwürdigen Alcazra,
der einstigen Residenz der maurischen Könige in Verbindung war.
La Torre del Oro (Borju-d-dahab) war damals der Aufbewahrungs-
ort des Staatsschatzes. Peter der Grausame verwendete den Thurm
als Gefängniss für seine Feinde und Maitresssen. Ein anderer näher
an der Münze gelegener Thurm, gleichfalls maurischen Ursprunges,
führt den Namen La torre de Plata (Silberthurm).

Nächst dem Torre del Oro ist der Anlegeplatz der Seedampfer,
längs welchem der liebliche Passo de Cristina zum Palais San
Telmo führt. In diesem 1682 erbauten ausgedehnten Gebäude wurde
jenes nautische Collegium, welches Ferdinando Colon, der Sohn des
grossen Entdeckers, zu Sevilla gegründet hatte, untergebracht. Das
mit einer herrlichen Facade im maurischen Styl gezierte Palais ge-
hörte dem Herzog von Montpensier, welcher dort u. a. eine kostbare
Gemäldegallerie und eine sehenswerthe Antikensammlung aufbewahrte.
Grossartig ist der Reichthum des Parkes an seltenen Pflanzen, Pal-
men und Orangen; die letzteren sollen einen Jahresertrag von 6000
bis 8000 fl. liefern.

An diese Anlagen schliessen sich die prachtvollen Promenaden
Las Delicias an, eine Folge poetisch angehauchter reizender Anlagen

Der atlantische Ocean.
die Erinnerung an die maurische Cultur zu verwischen, ihre Merk-
male zu beseitigen und den Sieg des Kreuzes über den Halbmond
durch zahllose religiöse Bauwerke zur Ehre Gottes zu verkünden,
aber das orientalische Wesen hatte in der Seele der Andalusier, in
deren Adern nun einmal viel semitisches Blut, das durch die Taufe
der Verbannung oder dem Scheiterhaufen entging, fliesst, zu tiefe
Wurzeln geschlagen, war zu sehr in das Getriebe des Lebens einge-
treten, um noch unterliegen zu können.

Der erste Anblick der Stadt, wenn man am Guadalquivir der-
selben sich nähert, zeigt das reizvolle Bild der Verschmelzung der
beiden erwähnten Culturen.

Da lagert am linken Ufer die eigentliche Stadt und ihr gegen-
über die neuentstandene Vorstadt Triana. Ein dichter Wall üppig
gedeihender Bäume verdeckt uns die Hauptmasse der Gebäude. Wir
sehen indes über ihn ein förmliches Gewirre der verschiedenst ge-
formten Kirchthurmspitzen, aus welchem die imposante Giralda, der
mächtige Thurm der Kathedrale, ein maurisches Werk (Mueddin-
Thurm), auffallend hervortritt. Im Vordergrunde zieht der edelgeformte
Bau des Gold-Thurmes (Torre del Oro) die Aufmerksamkeit auf sich.
Er entstand unter der Maurenherrschaft und bildet das Schlussobject
des Stadtwalles, welches noch 1820 mit dem ehrwürdigen Alcazra,
der einstigen Residenz der maurischen Könige in Verbindung war.
La Torre del Oro (Borju-d-dahab) war damals der Aufbewahrungs-
ort des Staatsschatzes. Peter der Grausame verwendete den Thurm
als Gefängniss für seine Feinde und Maitresssen. Ein anderer näher
an der Münze gelegener Thurm, gleichfalls maurischen Ursprunges,
führt den Namen La torre de Plata (Silberthurm).

Nächst dem Torre del Oro ist der Anlegeplatz der Seedampfer,
längs welchem der liebliche Passo de Cristina zum Palais San
Telmo führt. In diesem 1682 erbauten ausgedehnten Gebäude wurde
jenes nautische Collegium, welches Ferdinando Colon, der Sohn des
grossen Entdeckers, zu Sevilla gegründet hatte, untergebracht. Das
mit einer herrlichen Façade im maurischen Styl gezierte Palais ge-
hörte dem Herzog von Montpensier, welcher dort u. a. eine kostbare
Gemäldegallerie und eine sehenswerthe Antikensammlung aufbewahrte.
Grossartig ist der Reichthum des Parkes an seltenen Pflanzen, Pal-
men und Orangen; die letzteren sollen einen Jahresertrag von 6000
bis 8000 fl. liefern.

An diese Anlagen schliessen sich die prachtvollen Promenaden
Las Delicias an, eine Folge poetisch angehauchter reizender Anlagen

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[508/0528] Der atlantische Ocean. die Erinnerung an die maurische Cultur zu verwischen, ihre Merk- male zu beseitigen und den Sieg des Kreuzes über den Halbmond durch zahllose religiöse Bauwerke zur Ehre Gottes zu verkünden, aber das orientalische Wesen hatte in der Seele der Andalusier, in deren Adern nun einmal viel semitisches Blut, das durch die Taufe der Verbannung oder dem Scheiterhaufen entging, fliesst, zu tiefe Wurzeln geschlagen, war zu sehr in das Getriebe des Lebens einge- treten, um noch unterliegen zu können. Der erste Anblick der Stadt, wenn man am Guadalquivir der- selben sich nähert, zeigt das reizvolle Bild der Verschmelzung der beiden erwähnten Culturen. Da lagert am linken Ufer die eigentliche Stadt und ihr gegen- über die neuentstandene Vorstadt Triana. Ein dichter Wall üppig gedeihender Bäume verdeckt uns die Hauptmasse der Gebäude. Wir sehen indes über ihn ein förmliches Gewirre der verschiedenst ge- formten Kirchthurmspitzen, aus welchem die imposante Giralda, der mächtige Thurm der Kathedrale, ein maurisches Werk (Mueddin- Thurm), auffallend hervortritt. Im Vordergrunde zieht der edelgeformte Bau des Gold-Thurmes (Torre del Oro) die Aufmerksamkeit auf sich. Er entstand unter der Maurenherrschaft und bildet das Schlussobject des Stadtwalles, welches noch 1820 mit dem ehrwürdigen Alcazra, der einstigen Residenz der maurischen Könige in Verbindung war. La Torre del Oro (Borju-d-dahab) war damals der Aufbewahrungs- ort des Staatsschatzes. Peter der Grausame verwendete den Thurm als Gefängniss für seine Feinde und Maitresssen. Ein anderer näher an der Münze gelegener Thurm, gleichfalls maurischen Ursprunges, führt den Namen La torre de Plata (Silberthurm). Nächst dem Torre del Oro ist der Anlegeplatz der Seedampfer, längs welchem der liebliche Passo de Cristina zum Palais San Telmo führt. In diesem 1682 erbauten ausgedehnten Gebäude wurde jenes nautische Collegium, welches Ferdinando Colon, der Sohn des grossen Entdeckers, zu Sevilla gegründet hatte, untergebracht. Das mit einer herrlichen Façade im maurischen Styl gezierte Palais ge- hörte dem Herzog von Montpensier, welcher dort u. a. eine kostbare Gemäldegallerie und eine sehenswerthe Antikensammlung aufbewahrte. Grossartig ist der Reichthum des Parkes an seltenen Pflanzen, Pal- men und Orangen; die letzteren sollen einen Jahresertrag von 6000 bis 8000 fl. liefern. An diese Anlagen schliessen sich die prachtvollen Promenaden Las Delicias an, eine Folge poetisch angehauchter reizender Anlagen

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 508. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/528>, abgerufen am 23.11.2024.