die Specialschule der schönen Künste, das Istituto Provincial, in welchem die ehemalige Industrie- und Handelsschule mit einer nautischen Schule verbunden wurde, die neue Handelsschule u. a. Nicht minder erwähnens- werth sind die öffentlichen Sammlungen, von welchen die Gemälde- gallerie, das naturhistorische Museum, die Bibliothek erwähnt seien.
Auch auf dem Gebiete der Wohlthätigkeit nimmt Cadiz durch seine humanitären Anstalten und Gesellschaften einen ehrenvollen Rang ein, wie er der hervorragenden geschichtlichen Rolle entspricht, welche der Stadt in den wichtigsten Epochen der iberischen Halb- insel zugefallen war.
So weit in das Dunkel der Vergangenheit reicht die Gründung von Gadir zurück, dass diese merkwürdige Colonie der Phönikier bereits 700 Jahre vor der Entstehung Roms durch ihren Glanz und Reichthum in der alten Welt bekannt geworden war. Massilia, Carthago und andere mächtige Städte des Alterthums sind viel jüngeren Ursprungs als Gadeir, für dessen Begründer Hercules gehalten wird, eine Annahme, die indes sehr anfechtbar ist, da sie sich zumeist auf das vorne erwähnte Stadtwappen bezieht, dessen Motiv jedoch erst der Römerzeit ent- stammt zu sein scheint.
Gadeir (die "Festung") war der Markt für Zinn aus Britannien und für das baltische Ambra, Ausfuhrplatz für die Silberschätze der "Baetica". Die ihr Handelsmonopol eifersüchtig schützenden Phönikier gestatteten keinem Fremden, über Gadeir hinaus vorzudringen. Aber je mehr die Colonie aufblühte, desto mehr wuchs der Neid Carthagos und Roms, der beiden mächtigen Rivalen, die beide sich bekämpfend den Besitz des andalusischen Juwels anstrebten. Aus Handels eifersucht auf das jüngere Carthago trat Gades im zweiten punischen Kriege so- fort auf römische Seite. Carthago unterlag und die Macht Roms breitete sich in Hispanien aus. Cäsar, anfangs Quästor daselbst, erkannte die Wichtigkeit von Gades und befestigte die Stadt durch starke Werke; er gab ihr in der Folge den Namen "Julia Augusta gaditana". In der Stadt häuften sich enorme Reichthümer auf, da es den gewiegten Gaditanern unter anderem gelungen war, in Rom den Handel mit gesalzenen und geräucherten Fischen an sich zu reissen. Sie brachten nach Ostia auch Getreide, Wein, Oel, Honig und feine Wolle. Die Kaufleute von Gades waren Fürsten, ihre Stadt in der Kaiserzeit die vierte des römischen Weltreiches.
Balbus, der berühmte Gaditaner, der einzige Fremde, den Rom mit der Würde eines Consuls bekleidete, der Günstling Cäsar's und Freund und Ver- traute Cicero's, schmückte seine Vaterstadt mit kostbaren Marmorbauten, die selbst jene des Augustus in Rom übertrafen.
Aber neben manch Gutem bescherte Gades den Römern auch jene im- probae Gaditanae, deren lascive, dem Orient entstammende Tänze noch heute von den Romalis der andalusischen Zigeuner aufgeführt werden.
Die Blüthezeit von Gades sank mit jener von Rom; beiden versetzte die Erhebung Constantinopels zur Kaiserresidenz den ersten Stoss zum Niedergange. Nun kamen die Gothen und zerstörten die Stadt; im VIII. Jahrhunderte fiel sie nach der unglücklichen Schlacht am Rio Guadalete (Jerez) in die Hände der Mauren, welche sie Djecira Cades nannten und mehr als fünf Jahrhundert be- herrschten. Von den Normanen 844 geplündert, von den Skandinaviern 859 be-
Der atlantische Ocean.
die Specialschule der schönen Künste, das Istituto Provincial, in welchem die ehemalige Industrie- und Handelsschule mit einer nautischen Schule verbunden wurde, die neue Handelsschule u. a. Nicht minder erwähnens- werth sind die öffentlichen Sammlungen, von welchen die Gemälde- gallerie, das naturhistorische Museum, die Bibliothek erwähnt seien.
Auch auf dem Gebiete der Wohlthätigkeit nimmt Cádiz durch seine humanitären Anstalten und Gesellschaften einen ehrenvollen Rang ein, wie er der hervorragenden geschichtlichen Rolle entspricht, welche der Stadt in den wichtigsten Epochen der iberischen Halb- insel zugefallen war.
So weit in das Dunkel der Vergangenheit reicht die Gründung von Gadir zurück, dass diese merkwürdige Colonie der Phönikier bereits 700 Jahre vor der Entstehung Roms durch ihren Glanz und Reichthum in der alten Welt bekannt geworden war. Massilia, Carthago und andere mächtige Städte des Alterthums sind viel jüngeren Ursprungs als Gȧdîr, für dessen Begründer Hercules gehalten wird, eine Annahme, die indes sehr anfechtbar ist, da sie sich zumeist auf das vorne erwähnte Stadtwappen bezieht, dessen Motiv jedoch erst der Römerzeit ent- stammt zu sein scheint.
Gadîr (die „Festung“) war der Markt für Zinn aus Britannien und für das baltische Ambra, Ausfuhrplatz für die Silberschätze der „Baetica“. Die ihr Handelsmonopol eifersüchtig schützenden Phönikier gestatteten keinem Fremden, über Gadîr hinaus vorzudringen. Aber je mehr die Colonie aufblühte, desto mehr wuchs der Neid Carthagos und Roms, der beiden mächtigen Rivalen, die beide sich bekämpfend den Besitz des andalusischen Juwels anstrebten. Aus Handels eifersucht auf das jüngere Carthago trat Gades im zweiten punischen Kriege so- fort auf römische Seite. Carthago unterlag und die Macht Roms breitete sich in Hispanien aus. Cäsar, anfangs Quästor daselbst, erkannte die Wichtigkeit von Gades und befestigte die Stadt durch starke Werke; er gab ihr in der Folge den Namen „Julia Augusta gaditana“. In der Stadt häuften sich enorme Reichthümer auf, da es den gewiegten Gaditanern unter anderem gelungen war, in Rom den Handel mit gesalzenen und geräucherten Fischen an sich zu reissen. Sie brachten nach Ostia auch Getreide, Wein, Oel, Honig und feine Wolle. Die Kaufleute von Gades waren Fürsten, ihre Stadt in der Kaiserzeit die vierte des römischen Weltreiches.
Balbus, der berühmte Gaditaner, der einzige Fremde, den Rom mit der Würde eines Consuls bekleidete, der Günstling Cäsar’s und Freund und Ver- traute Cicero’s, schmückte seine Vaterstadt mit kostbaren Marmorbauten, die selbst jene des Augustus in Rom übertrafen.
Aber neben manch Gutem bescherte Gades den Römern auch jene im- probae Gaditanae, deren lascive, dem Orient entstammende Tänze noch heute von den Romalis der andalusischen Zigeuner aufgeführt werden.
Die Blüthezeit von Gades sank mit jener von Rom; beiden versetzte die Erhebung Constantinopels zur Kaiserresidenz den ersten Stoss zum Niedergange. Nun kamen die Gothen und zerstörten die Stadt; im VIII. Jahrhunderte fiel sie nach der unglücklichen Schlacht am Rio Guadalete (Jerez) in die Hände der Mauren, welche sie Djecira Cades nannten und mehr als fünf Jahrhundert be- herrschten. Von den Normanen 844 geplündert, von den Skandinaviern 859 be-
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Der atlantische Ocean.
die Specialschule der schönen Künste, das Istituto Provincial, in welchem
die ehemalige Industrie- und Handelsschule mit einer nautischen Schule
verbunden wurde, die neue Handelsschule u. a. Nicht minder erwähnens-
werth sind die öffentlichen Sammlungen, von welchen die Gemälde-
gallerie, das naturhistorische Museum, die Bibliothek erwähnt seien.
Auch auf dem Gebiete der Wohlthätigkeit nimmt Cádiz durch
seine humanitären Anstalten und Gesellschaften einen ehrenvollen
Rang ein, wie er der hervorragenden geschichtlichen Rolle entspricht,
welche der Stadt in den wichtigsten Epochen der iberischen Halb-
insel zugefallen war.
So weit in das Dunkel der Vergangenheit reicht die Gründung von Gadir
zurück, dass diese merkwürdige Colonie der Phönikier bereits 700 Jahre vor der
Entstehung Roms durch ihren Glanz und Reichthum in der alten Welt bekannt
geworden war. Massilia, Carthago und andere mächtige Städte des Alterthums
sind viel jüngeren Ursprungs als Gȧdîr, für dessen Begründer Hercules gehalten
wird, eine Annahme, die indes sehr anfechtbar ist, da sie sich zumeist auf das
vorne erwähnte Stadtwappen bezieht, dessen Motiv jedoch erst der Römerzeit ent-
stammt zu sein scheint.
Gadîr (die „Festung“) war der Markt für Zinn aus Britannien und für
das baltische Ambra, Ausfuhrplatz für die Silberschätze der „Baetica“. Die ihr
Handelsmonopol eifersüchtig schützenden Phönikier gestatteten keinem Fremden,
über Gadîr hinaus vorzudringen. Aber je mehr die Colonie aufblühte, desto mehr
wuchs der Neid Carthagos und Roms, der beiden mächtigen Rivalen, die beide
sich bekämpfend den Besitz des andalusischen Juwels anstrebten. Aus Handels
eifersucht auf das jüngere Carthago trat Gades im zweiten punischen Kriege so-
fort auf römische Seite. Carthago unterlag und die Macht Roms breitete sich in
Hispanien aus. Cäsar, anfangs Quästor daselbst, erkannte die Wichtigkeit von
Gades und befestigte die Stadt durch starke Werke; er gab ihr in der Folge den
Namen „Julia Augusta gaditana“. In der Stadt häuften sich enorme Reichthümer
auf, da es den gewiegten Gaditanern unter anderem gelungen war, in Rom den
Handel mit gesalzenen und geräucherten Fischen an sich zu reissen. Sie brachten
nach Ostia auch Getreide, Wein, Oel, Honig und feine Wolle. Die Kaufleute von Gades
waren Fürsten, ihre Stadt in der Kaiserzeit die vierte des römischen Weltreiches.
Balbus, der berühmte Gaditaner, der einzige Fremde, den Rom mit der
Würde eines Consuls bekleidete, der Günstling Cäsar’s und Freund und Ver-
traute Cicero’s, schmückte seine Vaterstadt mit kostbaren Marmorbauten, die
selbst jene des Augustus in Rom übertrafen.
Aber neben manch Gutem bescherte Gades den Römern auch jene im-
probae Gaditanae, deren lascive, dem Orient entstammende Tänze noch heute von
den Romalis der andalusischen Zigeuner aufgeführt werden.
Die Blüthezeit von Gades sank mit jener von Rom; beiden versetzte die
Erhebung Constantinopels zur Kaiserresidenz den ersten Stoss zum Niedergange.
Nun kamen die Gothen und zerstörten die Stadt; im VIII. Jahrhunderte fiel sie
nach der unglücklichen Schlacht am Rio Guadalete (Jerez) in die Hände der
Mauren, welche sie Djecira Cades nannten und mehr als fünf Jahrhundert be-
herrschten. Von den Normanen 844 geplündert, von den Skandinaviern 859 be-
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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 498. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/518>, abgerufen am 23.11.2024.
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