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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Das Mittelmeerbecken.
genug von der Mündung der Rhone, um der Gefahr der Verschlam-
mung durch den Fluss ausgesetzt zu sein, nahe genug, um sich
den ausgezeichneten Handelsweg nach dem Norden, welchen dieses
Flussthal darbietet, zu sichern.

Auf dem Nordwege durch Gallien erreichten die Massalioten
schon früh die oceanischen Küsten und die Quellen des britannischen
Zinnhandels als Concurrenten der Carthager, die zur See dahin ge-
langten; von dort aus haben sie die erste Kunde von den grossen
nach Norden zum Ocean fliessenden Strömen, namentlich dem Rheine,
mitgebracht. Die weite Ausdehnung ihres Handelsgebietes nach Osten
hin beweisen die zahlreichen Funde massaliotischer Münzen durch das
ganze Alpenland bis Tirol und in der oberitalischen Ebene. Die Ver-
bindungen zur See erstreckten sich im Osten bis Phönikien und im
Westen seit den denkwürdigen Fahrten des Pytheas und Enthymenes
(330 v. Chr.) über die Säulen des Herkules hinaus; der erstere er-
reichte Britannien, Thule (die Shetlandinseln) und die germanischen
Nordseeküsten, der letztere drang südwärts gegen den Senegal vor.

Der Sturz des Römerreiches drängte den ausgebreiteten Handel
unseres Hafens nur auf kurze Zeit zurück. Schon in der Zeit der
ersten Merovingerkönige besuchten seine Kaufleute die Messe von
St. Denis; die Gesandten, welche die Franken zum Kaiser nach
Byzanz schickten, schifften sich hier ein, und Papyrus aus Egypten
war ein bekannter Handelsartikel Marseilles in den dunklen Jahr-
hunderten des frühen Mittelalters.

Die tapferen und reichen Bürger Marseilles zogen auf ihnen
wohlbekannten Pfaden, als sie die zahlreichen Ritter und Pilger Süd-
frankreichs nach Palästina führten und im Vereine mit Genua, Pisa
und Venedig bei der Errichtung der Kreuzfahrerstaaten in Syrien mit-
halfen, und die kühnen Seefahrer Marseilles gingen nach Syrien nicht
nur den Weg entlang den Küsten Europas, sie liessen seit der Mitte
des XII. Jahrhunderts Sardinien, Sicilien, Candia und Cypern links
liegen und fuhren bei gutem Winde in 15 Tagen und 15 Nächten
nach Akkon (heute Akka).

Auch noch im späteren Mittelalter pflegte Marseille den Ver-
kehr mit Egypten. Die im XIV. Jahrhunderte gegründeten Messen von
Beaucaire an der unteren Rhone, auf der man Italiener, Deutsche,
Brabanter, Spanier, Portugiesen, Griechen, Barbaresken und Egypter
begegnete, stärkten seinen Handel, während Montpellier, Cette, Nar-
bonne, die bis dahin eine bedeutende Rolle im Levantehandel gespielt
hatten, zurückgingen.


Das Mittelmeerbecken.
genug von der Mündung der Rhône, um der Gefahr der Verschlam-
mung durch den Fluss ausgesetzt zu sein, nahe genug, um sich
den ausgezeichneten Handelsweg nach dem Norden, welchen dieses
Flussthal darbietet, zu sichern.

Auf dem Nordwege durch Gallien erreichten die Massalioten
schon früh die oceanischen Küsten und die Quellen des britannischen
Zinnhandels als Concurrenten der Carthager, die zur See dahin ge-
langten; von dort aus haben sie die erste Kunde von den grossen
nach Norden zum Ocean fliessenden Strömen, namentlich dem Rheine,
mitgebracht. Die weite Ausdehnung ihres Handelsgebietes nach Osten
hin beweisen die zahlreichen Funde massaliotischer Münzen durch das
ganze Alpenland bis Tirol und in der oberitalischen Ebene. Die Ver-
bindungen zur See erstreckten sich im Osten bis Phönikien und im
Westen seit den denkwürdigen Fahrten des Pytheas und Enthymenes
(330 v. Chr.) über die Säulen des Herkules hinaus; der erstere er-
reichte Britannien, Thule (die Shetlandinseln) und die germanischen
Nordseeküsten, der letztere drang südwärts gegen den Senegal vor.

Der Sturz des Römerreiches drängte den ausgebreiteten Handel
unseres Hafens nur auf kurze Zeit zurück. Schon in der Zeit der
ersten Merovingerkönige besuchten seine Kaufleute die Messe von
St. Denis; die Gesandten, welche die Franken zum Kaiser nach
Byzanz schickten, schifften sich hier ein, und Papyrus aus Egypten
war ein bekannter Handelsartikel Marseilles in den dunklen Jahr-
hunderten des frühen Mittelalters.

Die tapferen und reichen Bürger Marseilles zogen auf ihnen
wohlbekannten Pfaden, als sie die zahlreichen Ritter und Pilger Süd-
frankreichs nach Palästina führten und im Vereine mit Genua, Pisa
und Venedig bei der Errichtung der Kreuzfahrerstaaten in Syrien mit-
halfen, und die kühnen Seefahrer Marseilles gingen nach Syrien nicht
nur den Weg entlang den Küsten Europas, sie liessen seit der Mitte
des XII. Jahrhunderts Sardinien, Sicilien, Candia und Cypern links
liegen und fuhren bei gutem Winde in 15 Tagen und 15 Nächten
nach Akkon (heute Akka).

Auch noch im späteren Mittelalter pflegte Marseille den Ver-
kehr mit Egypten. Die im XIV. Jahrhunderte gegründeten Messen von
Beaucaire an der unteren Rhône, auf der man Italiener, Deutsche,
Brabanter, Spanier, Portugiesen, Griechen, Barbaresken und Egypter
begegnete, stärkten seinen Handel, während Montpellier, Cette, Nar-
bonne, die bis dahin eine bedeutende Rolle im Levantehandel gespielt
hatten, zurückgingen.


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[400/0420] Das Mittelmeerbecken. genug von der Mündung der Rhône, um der Gefahr der Verschlam- mung durch den Fluss ausgesetzt zu sein, nahe genug, um sich den ausgezeichneten Handelsweg nach dem Norden, welchen dieses Flussthal darbietet, zu sichern. Auf dem Nordwege durch Gallien erreichten die Massalioten schon früh die oceanischen Küsten und die Quellen des britannischen Zinnhandels als Concurrenten der Carthager, die zur See dahin ge- langten; von dort aus haben sie die erste Kunde von den grossen nach Norden zum Ocean fliessenden Strömen, namentlich dem Rheine, mitgebracht. Die weite Ausdehnung ihres Handelsgebietes nach Osten hin beweisen die zahlreichen Funde massaliotischer Münzen durch das ganze Alpenland bis Tirol und in der oberitalischen Ebene. Die Ver- bindungen zur See erstreckten sich im Osten bis Phönikien und im Westen seit den denkwürdigen Fahrten des Pytheas und Enthymenes (330 v. Chr.) über die Säulen des Herkules hinaus; der erstere er- reichte Britannien, Thule (die Shetlandinseln) und die germanischen Nordseeküsten, der letztere drang südwärts gegen den Senegal vor. Der Sturz des Römerreiches drängte den ausgebreiteten Handel unseres Hafens nur auf kurze Zeit zurück. Schon in der Zeit der ersten Merovingerkönige besuchten seine Kaufleute die Messe von St. Denis; die Gesandten, welche die Franken zum Kaiser nach Byzanz schickten, schifften sich hier ein, und Papyrus aus Egypten war ein bekannter Handelsartikel Marseilles in den dunklen Jahr- hunderten des frühen Mittelalters. Die tapferen und reichen Bürger Marseilles zogen auf ihnen wohlbekannten Pfaden, als sie die zahlreichen Ritter und Pilger Süd- frankreichs nach Palästina führten und im Vereine mit Genua, Pisa und Venedig bei der Errichtung der Kreuzfahrerstaaten in Syrien mit- halfen, und die kühnen Seefahrer Marseilles gingen nach Syrien nicht nur den Weg entlang den Küsten Europas, sie liessen seit der Mitte des XII. Jahrhunderts Sardinien, Sicilien, Candia und Cypern links liegen und fuhren bei gutem Winde in 15 Tagen und 15 Nächten nach Akkon (heute Akka). Auch noch im späteren Mittelalter pflegte Marseille den Ver- kehr mit Egypten. Die im XIV. Jahrhunderte gegründeten Messen von Beaucaire an der unteren Rhône, auf der man Italiener, Deutsche, Brabanter, Spanier, Portugiesen, Griechen, Barbaresken und Egypter begegnete, stärkten seinen Handel, während Montpellier, Cette, Nar- bonne, die bis dahin eine bedeutende Rolle im Levantehandel gespielt hatten, zurückgingen.

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 400. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/420>, abgerufen am 22.11.2024.