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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Das Mittelmeerbecken.
gute Fahrstrassen sind vorhanden. Die alte Hauptstadt Citta Vecchia
(La Notabile), seit der englischen Herrschaft stark befestigt, liegt
ungefähr 10 km von La Valetta entfernt, im Innern der Insel Malta.

Im Winter werden die Inseln der milden Temperatur wegen
(Mitteltemperatur im Jänner 16°C.) viel von Fremden besucht.
Allenthalben tritt dem Fremden der segensreiche Einfluss der englischen
Verwaltung entgegen, welche nicht nur die nackten Felsen in reiche
Fruchtgärten verwandelte, sondern Handel, Wandel und Verkehr
ganz ausserordentlich hob. Auch hier bewiesen die Briten, wie weit
sie als Colonisatoren allen Rivalen überlegen sind. Wie ganz anders
sah es in Malta zu Anfang unseres Jahrhundertes aus!

Seit uralten Zeiten war die Inselgruppe ein viel umstrittenes Gebiet.

Die Geschichte derselben reicht weit in die vorchristliche Zeit zurück, und
wird selbst mit einer der ehrwürdigsten Mythen, der Odyssee, in Verbindung ge-
bracht. Dort auf Homer's Nympheninsel Ogygia, in der man das heutige Malta
erkennen will, soll die Nymphe Kalypso, deren Namen eine Höhle noch heute
führt, den unternehmungsfreudigen Odysseus zurückgehalten haben.

Phönikier dürften die ersten Ansiedler daselbst gewesen sein, dann er-
schienen 736 v. Chr. die Griechen. Um das Jahr 400 fiel Malta in die Gewalt
der Carthager und erhielt den Namen Melite. Nun kamen 212 v. Chr. die Römer
auf den Eilanden zur Herrschaft und übten selbe bis zum Verfall ihres Welt-
reiches. Die Herbststürme des Jahres 61 n. Chr. bewirkten an der Nordküste von
Malta den Schiffbruch des Apostels Paulus, der dann einige Zeit dort zubrachte
und Bekehrungen zum Christenthum erzielte. Tempel des Apollo und der Proser-
pina und ein Theater entstanden unter den Römern, fielen aber unter der Zer-
störungswuth der 454 n. Chr. gelandeten Vandalen in Trümmer. Die Flut der
Völkerwanderung brachte auch die Gothen (464), die Schaaren Belisars (533), die
Araber (870), endlich auch die Normannen unter Roger (1090) auf die Inseln,
welche in den darauffolgenden Jahrhunderten an Sicilien gebunden die Schicksale
desselben theilten.

Nachdem der Johanniter-Orden im December 1522 die Feste Rhodus
räumen musste, verlieh Kaiser Karl V. dem Orden die Inseln Malta und Gozzo,
sowie die Festung Tripoli (Patent v. 23. März 1530); der Orden nahm von dieser
Zeit an den Namen Malteser-Ritterorden an und vertheidigte den Besitz gegen die
Ottomanen auf das Heldenmüthigste.

Eine der furchtbarsten Kampfperioden war die denkwürdige Belagerung der
Feste im Jahre 1565 durch die Land- und Seemacht Sultan Soliman II. unter
Mustapha und Piale.

Nach ungeheueren Verlusten mussten die Türken am 8. September 1565
ohne Erfolg von Malta abziehen. Der damalige Grossmeister Johann von La Va-
lette beschloss hierauf den Umbau des Forts St. Elmo, die Erweiterung der
Festungswerke und die Gründung einer neuen Stadt auf dem Bergrücken Sceberras.
Auf letzterem entstand nun das heutige La Valetta, in welchem der aus der ersten
Periode entstammende prunkvolle Palast des Grossmeisters (jetzt Gouverneur-
Palais) den höchsten Punkt einnahm.

Auf seinem abenteuerlichen Zug nach Egypten bemächtigte sich Bonaparte

Das Mittelmeerbecken.
gute Fahrstrassen sind vorhanden. Die alte Hauptstadt Città Vecchia
(La Notabile), seit der englischen Herrschaft stark befestigt, liegt
ungefähr 10 km von La Valetta entfernt, im Innern der Insel Malta.

Im Winter werden die Inseln der milden Temperatur wegen
(Mitteltemperatur im Jänner 16°C.) viel von Fremden besucht.
Allenthalben tritt dem Fremden der segensreiche Einfluss der englischen
Verwaltung entgegen, welche nicht nur die nackten Felsen in reiche
Fruchtgärten verwandelte, sondern Handel, Wandel und Verkehr
ganz ausserordentlich hob. Auch hier bewiesen die Briten, wie weit
sie als Colonisatoren allen Rivalen überlegen sind. Wie ganz anders
sah es in Malta zu Anfang unseres Jahrhundertes aus!

Seit uralten Zeiten war die Inselgruppe ein viel umstrittenes Gebiet.

Die Geschichte derselben reicht weit in die vorchristliche Zeit zurück, und
wird selbst mit einer der ehrwürdigsten Mythen, der Odyssee, in Verbindung ge-
bracht. Dort auf Homer’s Nympheninsel Ogygia, in der man das heutige Malta
erkennen will, soll die Nymphe Kalypso, deren Namen eine Höhle noch heute
führt, den unternehmungsfreudigen Odysseus zurückgehalten haben.

Phönikier dürften die ersten Ansiedler daselbst gewesen sein, dann er-
schienen 736 v. Chr. die Griechen. Um das Jahr 400 fiel Malta in die Gewalt
der Carthager und erhielt den Namen Melité. Nun kamen 212 v. Chr. die Römer
auf den Eilanden zur Herrschaft und übten selbe bis zum Verfall ihres Welt-
reiches. Die Herbststürme des Jahres 61 n. Chr. bewirkten an der Nordküste von
Malta den Schiffbruch des Apostels Paulus, der dann einige Zeit dort zubrachte
und Bekehrungen zum Christenthum erzielte. Tempel des Apollo und der Proser-
pina und ein Theater entstanden unter den Römern, fielen aber unter der Zer-
störungswuth der 454 n. Chr. gelandeten Vandalen in Trümmer. Die Flut der
Völkerwanderung brachte auch die Gothen (464), die Schaaren Belisars (533), die
Araber (870), endlich auch die Normannen unter Roger (1090) auf die Inseln,
welche in den darauffolgenden Jahrhunderten an Sicilien gebunden die Schicksale
desselben theilten.

Nachdem der Johanniter-Orden im December 1522 die Feste Rhodus
räumen musste, verlieh Kaiser Karl V. dem Orden die Inseln Malta und Gozzo,
sowie die Festung Tripoli (Patent v. 23. März 1530); der Orden nahm von dieser
Zeit an den Namen Malteser-Ritterorden an und vertheidigte den Besitz gegen die
Ottomanen auf das Heldenmüthigste.

Eine der furchtbarsten Kampfperioden war die denkwürdige Belagerung der
Feste im Jahre 1565 durch die Land- und Seemacht Sultan Soliman II. unter
Mustapha und Piale.

Nach ungeheueren Verlusten mussten die Türken am 8. September 1565
ohne Erfolg von Malta abziehen. Der damalige Grossmeister Johann von La Va-
lette beschloss hierauf den Umbau des Forts St. Elmo, die Erweiterung der
Festungswerke und die Gründung einer neuen Stadt auf dem Bergrücken Sceberras.
Auf letzterem entstand nun das heutige La Valetta, in welchem der aus der ersten
Periode entstammende prunkvolle Palast des Grossmeisters (jetzt Gouverneur-
Palais) den höchsten Punkt einnahm.

Auf seinem abenteuerlichen Zug nach Egypten bemächtigte sich Bonaparte

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[314/0334] Das Mittelmeerbecken. gute Fahrstrassen sind vorhanden. Die alte Hauptstadt Città Vecchia (La Notabile), seit der englischen Herrschaft stark befestigt, liegt ungefähr 10 km von La Valetta entfernt, im Innern der Insel Malta. Im Winter werden die Inseln der milden Temperatur wegen (Mitteltemperatur im Jänner 16°C.) viel von Fremden besucht. Allenthalben tritt dem Fremden der segensreiche Einfluss der englischen Verwaltung entgegen, welche nicht nur die nackten Felsen in reiche Fruchtgärten verwandelte, sondern Handel, Wandel und Verkehr ganz ausserordentlich hob. Auch hier bewiesen die Briten, wie weit sie als Colonisatoren allen Rivalen überlegen sind. Wie ganz anders sah es in Malta zu Anfang unseres Jahrhundertes aus! Seit uralten Zeiten war die Inselgruppe ein viel umstrittenes Gebiet. Die Geschichte derselben reicht weit in die vorchristliche Zeit zurück, und wird selbst mit einer der ehrwürdigsten Mythen, der Odyssee, in Verbindung ge- bracht. Dort auf Homer’s Nympheninsel Ogygia, in der man das heutige Malta erkennen will, soll die Nymphe Kalypso, deren Namen eine Höhle noch heute führt, den unternehmungsfreudigen Odysseus zurückgehalten haben. Phönikier dürften die ersten Ansiedler daselbst gewesen sein, dann er- schienen 736 v. Chr. die Griechen. Um das Jahr 400 fiel Malta in die Gewalt der Carthager und erhielt den Namen Melité. Nun kamen 212 v. Chr. die Römer auf den Eilanden zur Herrschaft und übten selbe bis zum Verfall ihres Welt- reiches. Die Herbststürme des Jahres 61 n. Chr. bewirkten an der Nordküste von Malta den Schiffbruch des Apostels Paulus, der dann einige Zeit dort zubrachte und Bekehrungen zum Christenthum erzielte. Tempel des Apollo und der Proser- pina und ein Theater entstanden unter den Römern, fielen aber unter der Zer- störungswuth der 454 n. Chr. gelandeten Vandalen in Trümmer. Die Flut der Völkerwanderung brachte auch die Gothen (464), die Schaaren Belisars (533), die Araber (870), endlich auch die Normannen unter Roger (1090) auf die Inseln, welche in den darauffolgenden Jahrhunderten an Sicilien gebunden die Schicksale desselben theilten. Nachdem der Johanniter-Orden im December 1522 die Feste Rhodus räumen musste, verlieh Kaiser Karl V. dem Orden die Inseln Malta und Gozzo, sowie die Festung Tripoli (Patent v. 23. März 1530); der Orden nahm von dieser Zeit an den Namen Malteser-Ritterorden an und vertheidigte den Besitz gegen die Ottomanen auf das Heldenmüthigste. Eine der furchtbarsten Kampfperioden war die denkwürdige Belagerung der Feste im Jahre 1565 durch die Land- und Seemacht Sultan Soliman II. unter Mustapha und Piale. Nach ungeheueren Verlusten mussten die Türken am 8. September 1565 ohne Erfolg von Malta abziehen. Der damalige Grossmeister Johann von La Va- lette beschloss hierauf den Umbau des Forts St. Elmo, die Erweiterung der Festungswerke und die Gründung einer neuen Stadt auf dem Bergrücken Sceberras. Auf letzterem entstand nun das heutige La Valetta, in welchem der aus der ersten Periode entstammende prunkvolle Palast des Grossmeisters (jetzt Gouverneur- Palais) den höchsten Punkt einnahm. Auf seinem abenteuerlichen Zug nach Egypten bemächtigte sich Bonaparte

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 314. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/334>, abgerufen am 24.11.2024.