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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Das Mittelmeerbecken.

Die Bevölkerung von Tripolis treibt keine Industrie, sie ist dar-
auf angewiesen, sich aus den Producten des Landes und dem Tausch-
handel mit den Völkern des Sudan, mit denen sie die uralte Kara-
wanenstrasse nach Murzuk in Fezzan verbindet, die Mittel zu ver-
schaffen, welche ihr die Möglichkeit eines behaglichen Daseins und
die Anschaffung europäischer Industrieerzeugnisse gestatten.

Mehrjährige Missernten infolge nicht ausreichender Winterregen und das
Darniederliegen des Handels mit dem Sudan machten das Land arm; um eine halbe
Million Francs Silberschmuck der Araberinnen und Berberinnen geht jährlich seit
1886/87 nach Frankreich, man deckt mit dem Erlöse die nothwendigsten Lebens-
bedürfnisse.

In früheren Jahren wurden in Tripolis für 10 Millionen Francs Waaren sehr
mittelmässiger Qualität aus Europa eingeführt, mit der Bestimmung nach dem
Sudan. Als Gegenwerth kamen von dort Straussfedern, ein höchst geeignetes Tausch-
object, weil sie bei geringem Gewichte hohen Werth besitzen. Das Capital, welches
in diesem Tauschhandel angelegt war, verzinste sich wenigstens mit 30--40 %,
in günstigen Fällen auch mit 100--150 % und mehr. Aber seit 1884 sind infolge
der Ueberführung des Marktes mit Federn aus den Zuchthöfen am Cap, in Algier,
Egypten, Californien etc. Straussfedern auf den europäischen Märkten entwerthet;
die Federnhändler hofften lange Zeit auf Besserung, verloren aber vielfach ihr
Vermögen.

Von den Artikeln Centralafrikas sind nun neben Straussfedern nur die aller-
dings kostbaren, aber schwer zu transportirenden Elfenbeinzähne begehrt, es fehlen
also auch dem Sudan die Mittel zur Deckung des Importes.

Die Verdrängung der österreichischen Maria-Theresia-Thaler, des bis dahin
beliebtesten Geldes dieses Theiles der Sahara, durch einheimische Münzen trug
ebenfalls ihren Theil dazu bei, den Sudanhandel von Tripolis, der seit dem
Mahdisten-Aufstande auch den Aussenverkehr der ehemals äquatorialen Provinzen
Egyptens umfasste, zu schwächen und diesen Verkehr noch weiter nach Westen,
nach Algier zu drängen.

Handel des Vilajets Tripolis:

[Tabelle]

Die Handelsbilanz von Tripolis ist jetzt passiv, die doppelte Höhe der Ein-
fuhr gegenüber der Ausfuhr im Jahre 1887 bedeutet den Höhepunkt der Handels-
krisis des Landes. Man hat 1888 die Einfuhr beschränkt, die Ausfuhr gefördert,
aber wir müssen sogleich hervorheben, dass die ganze Steigerung der Ausfuhr auf
einen einzigen Artikel, auf Halfa (stipa tenacissima), entfällt, also auf eine Pflanze,
die nicht gebaut wird, sondern wild wächst.

Von der Einfuhr des Jahres 1888 entfielen auf Frankreich ungefähr
21/2 Millionen, auf Grossbritannien und die Türkei je ca. 2·1 Millionen und der
Rest mit Summen zwischen 200.000--500.000 Francs auf Italien, Oesterreich-
Ungarn, Deutschland und Tunis. An Nahrungs- und Genussmitteln wurden
1888 um 6,598.000 Francs eingeführt, darunter besonders Getreide (3 Mil-

Das Mittelmeerbecken.

Die Bevölkerung von Tripolis treibt keine Industrie, sie ist dar-
auf angewiesen, sich aus den Producten des Landes und dem Tausch-
handel mit den Völkern des Sudan, mit denen sie die uralte Kara-
wanenstrasse nach Murzuk in Fezzan verbindet, die Mittel zu ver-
schaffen, welche ihr die Möglichkeit eines behaglichen Daseins und
die Anschaffung europäischer Industrieerzeugnisse gestatten.

Mehrjährige Missernten infolge nicht ausreichender Winterregen und das
Darniederliegen des Handels mit dem Sudan machten das Land arm; um eine halbe
Million Francs Silberschmuck der Araberinnen und Berberinnen geht jährlich seit
1886/87 nach Frankreich, man deckt mit dem Erlöse die nothwendigsten Lebens-
bedürfnisse.

In früheren Jahren wurden in Tripolis für 10 Millionen Francs Waaren sehr
mittelmässiger Qualität aus Europa eingeführt, mit der Bestimmung nach dem
Sudan. Als Gegenwerth kamen von dort Straussfedern, ein höchst geeignetes Tausch-
object, weil sie bei geringem Gewichte hohen Werth besitzen. Das Capital, welches
in diesem Tauschhandel angelegt war, verzinste sich wenigstens mit 30—40 %,
in günstigen Fällen auch mit 100—150 % und mehr. Aber seit 1884 sind infolge
der Ueberführung des Marktes mit Federn aus den Zuchthöfen am Cap, in Algier,
Egypten, Californien etc. Straussfedern auf den europäischen Märkten entwerthet;
die Federnhändler hofften lange Zeit auf Besserung, verloren aber vielfach ihr
Vermögen.

Von den Artikeln Centralafrikas sind nun neben Straussfedern nur die aller-
dings kostbaren, aber schwer zu transportirenden Elfenbeinzähne begehrt, es fehlen
also auch dem Sudan die Mittel zur Deckung des Importes.

Die Verdrängung der österreichischen Maria-Theresia-Thaler, des bis dahin
beliebtesten Geldes dieses Theiles der Sahara, durch einheimische Münzen trug
ebenfalls ihren Theil dazu bei, den Sudanhandel von Tripolis, der seit dem
Mahdisten-Aufstande auch den Aussenverkehr der ehemals äquatorialen Provinzen
Egyptens umfasste, zu schwächen und diesen Verkehr noch weiter nach Westen,
nach Algier zu drängen.

Handel des Vilajets Tripolis:

[Tabelle]

Die Handelsbilanz von Tripolis ist jetzt passiv, die doppelte Höhe der Ein-
fuhr gegenüber der Ausfuhr im Jahre 1887 bedeutet den Höhepunkt der Handels-
krisis des Landes. Man hat 1888 die Einfuhr beschränkt, die Ausfuhr gefördert,
aber wir müssen sogleich hervorheben, dass die ganze Steigerung der Ausfuhr auf
einen einzigen Artikel, auf Halfa (stipa tenacissima), entfällt, also auf eine Pflanze,
die nicht gebaut wird, sondern wild wächst.

Von der Einfuhr des Jahres 1888 entfielen auf Frankreich ungefähr
2½ Millionen, auf Grossbritannien und die Türkei je ca. 2·1 Millionen und der
Rest mit Summen zwischen 200.000—500.000 Francs auf Italien, Oesterreich-
Ungarn, Deutschland und Tunis. An Nahrungs- und Genussmitteln wurden
1888 um 6,598.000 Francs eingeführt, darunter besonders Getreide (3 Mil-

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[310/0330] Das Mittelmeerbecken. Die Bevölkerung von Tripolis treibt keine Industrie, sie ist dar- auf angewiesen, sich aus den Producten des Landes und dem Tausch- handel mit den Völkern des Sudan, mit denen sie die uralte Kara- wanenstrasse nach Murzuk in Fezzan verbindet, die Mittel zu ver- schaffen, welche ihr die Möglichkeit eines behaglichen Daseins und die Anschaffung europäischer Industrieerzeugnisse gestatten. Mehrjährige Missernten infolge nicht ausreichender Winterregen und das Darniederliegen des Handels mit dem Sudan machten das Land arm; um eine halbe Million Francs Silberschmuck der Araberinnen und Berberinnen geht jährlich seit 1886/87 nach Frankreich, man deckt mit dem Erlöse die nothwendigsten Lebens- bedürfnisse. In früheren Jahren wurden in Tripolis für 10 Millionen Francs Waaren sehr mittelmässiger Qualität aus Europa eingeführt, mit der Bestimmung nach dem Sudan. Als Gegenwerth kamen von dort Straussfedern, ein höchst geeignetes Tausch- object, weil sie bei geringem Gewichte hohen Werth besitzen. Das Capital, welches in diesem Tauschhandel angelegt war, verzinste sich wenigstens mit 30—40 %, in günstigen Fällen auch mit 100—150 % und mehr. Aber seit 1884 sind infolge der Ueberführung des Marktes mit Federn aus den Zuchthöfen am Cap, in Algier, Egypten, Californien etc. Straussfedern auf den europäischen Märkten entwerthet; die Federnhändler hofften lange Zeit auf Besserung, verloren aber vielfach ihr Vermögen. Von den Artikeln Centralafrikas sind nun neben Straussfedern nur die aller- dings kostbaren, aber schwer zu transportirenden Elfenbeinzähne begehrt, es fehlen also auch dem Sudan die Mittel zur Deckung des Importes. Die Verdrängung der österreichischen Maria-Theresia-Thaler, des bis dahin beliebtesten Geldes dieses Theiles der Sahara, durch einheimische Münzen trug ebenfalls ihren Theil dazu bei, den Sudanhandel von Tripolis, der seit dem Mahdisten-Aufstande auch den Aussenverkehr der ehemals äquatorialen Provinzen Egyptens umfasste, zu schwächen und diesen Verkehr noch weiter nach Westen, nach Algier zu drängen. Handel des Vilajets Tripolis: _ Die Handelsbilanz von Tripolis ist jetzt passiv, die doppelte Höhe der Ein- fuhr gegenüber der Ausfuhr im Jahre 1887 bedeutet den Höhepunkt der Handels- krisis des Landes. Man hat 1888 die Einfuhr beschränkt, die Ausfuhr gefördert, aber wir müssen sogleich hervorheben, dass die ganze Steigerung der Ausfuhr auf einen einzigen Artikel, auf Halfa (stipa tenacissima), entfällt, also auf eine Pflanze, die nicht gebaut wird, sondern wild wächst. Von der Einfuhr des Jahres 1888 entfielen auf Frankreich ungefähr 2½ Millionen, auf Grossbritannien und die Türkei je ca. 2·1 Millionen und der Rest mit Summen zwischen 200.000—500.000 Francs auf Italien, Oesterreich- Ungarn, Deutschland und Tunis. An Nahrungs- und Genussmitteln wurden 1888 um 6,598.000 Francs eingeführt, darunter besonders Getreide (3 Mil-

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 310. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/330>, abgerufen am 24.11.2024.