in anscheinend tollkühnem Unterfangen hinan bis zu den Castellmauern. Im Gegensatze zum Winkelwerke der Altstadt trägt die in regel- mässigen, senkrecht sich schneidenden Gassenzügen erbaute Neu- oder Theresienstadt ein durchaus vornehmes Gepräge, ohne indes auf eine besondere Charakteristik Anspruch erheben zu können.
Ueber der Stadt gegen Norden zu ragt auf der Höhe des Karstes der schlanke Obelisk von Opcina empor, und da er an den Ausbau der grossen Handelsstrasse erinnert, die seit Karl VI. berufen war, die Verbindung der Reichs-Haupt- und Residenzstadt Wien auf der Route über den Semmering, Graz und Laibach mit dem Meere zu verbinden, so verdient dieser Gedenkstein als Wahrzeichen der Verkehrsentwick- lung von Triest hier genannt zu werden. Von seinem Fusse aus, der, 354 m über der Meeresfläche gelegen, um Weniges höher über dem Pflaster von Triest sich befindet, als die Spitze des Eiffelthurmes über dem Pariser Marsfelde, geniesst man einen unvergleichlich schönen Rundblick über die Stadt und deren reizende Umgebung.
Eine Promenade längs der Quais des neuen Hafens zeigt uns die gewaltigen Verkehrsmittel und Anstalten der Gegenwart. Da liegen sie, die riesigen Dampfer, welche die kostbarsten Producte der uner- schöpflichen Tropenwelt in ihren mächtigen Stahlleibern bergen, um sie mittelst Dampfkraft direct auf die ihrer harrenden Lastzüge zu verladen. Wie schnell ist eine Ladung von einigen tausend Tonnen gelöscht und wie rasch füllen sich im lebhaften Handelsverkehr des Hafens die weiten Räume der Schiffe! Im alten Hafen, besonders in dem dort mündenden Canale grande, scheint hingegen das geflügelte Wort von Zeit und Geld noch nicht zur Geltung gekommen zu sein, denn er entbehrt durchwegs der modernen Einrichtungen und die Verlade- operationen vollziehen sich daher mit einer auffallenden Bedächtigkeit.
Selbstverständlich ist Triest der Hauptsitz aller maritimen Be- hörden und Anstalten der cisleithanischen Reichshälfte. Von grosser Wichtigkeit für die Heranbildung eines Nachwuchses für Schiffahrt und Handel ist die Handels- und nautische Akademie mit Sternwarte und einem reichen Museum. Ein gut ausgestattetes Aquarium in Verbindung mit einer zoologischen Versuchsstation ist berufen, das Studium der Fauna und Flora des Meeres zu fördern. An den Hafen gebunden ist gleich- falls die grosse Dampfschiffahrts-Gesellschaft des österreichisch-unga- rischen Lloyd, deren palastähnliches Directionsgebäude die Quaifront ziert. Die weitläufigen Werften, Docks und Etablissements dieser Gesell- schaft, die zu den grössten navalen Verkehrsunternehmungen der Erde zählt, wurden am nördlichen Strande der Bai von Muggia erbaut.
Das Mittelmeerbecken.
in anscheinend tollkühnem Unterfangen hinan bis zu den Castellmauern. Im Gegensatze zum Winkelwerke der Altstadt trägt die in regel- mässigen, senkrecht sich schneidenden Gassenzügen erbaute Neu- oder Theresienstadt ein durchaus vornehmes Gepräge, ohne indes auf eine besondere Charakteristik Anspruch erheben zu können.
Ueber der Stadt gegen Norden zu ragt auf der Höhe des Karstes der schlanke Obelisk von Opcina empor, und da er an den Ausbau der grossen Handelsstrasse erinnert, die seit Karl VI. berufen war, die Verbindung der Reichs-Haupt- und Residenzstadt Wien auf der Route über den Semmering, Graz und Laibach mit dem Meere zu verbinden, so verdient dieser Gedenkstein als Wahrzeichen der Verkehrsentwick- lung von Triest hier genannt zu werden. Von seinem Fusse aus, der, 354 m über der Meeresfläche gelegen, um Weniges höher über dem Pflaster von Triest sich befindet, als die Spitze des Eiffelthurmes über dem Pariser Marsfelde, geniesst man einen unvergleichlich schönen Rundblick über die Stadt und deren reizende Umgebung.
Eine Promenade längs der Quais des neuen Hafens zeigt uns die gewaltigen Verkehrsmittel und Anstalten der Gegenwart. Da liegen sie, die riesigen Dampfer, welche die kostbarsten Producte der uner- schöpflichen Tropenwelt in ihren mächtigen Stahlleibern bergen, um sie mittelst Dampfkraft direct auf die ihrer harrenden Lastzüge zu verladen. Wie schnell ist eine Ladung von einigen tausend Tonnen gelöscht und wie rasch füllen sich im lebhaften Handelsverkehr des Hafens die weiten Räume der Schiffe! Im alten Hafen, besonders in dem dort mündenden Canale grande, scheint hingegen das geflügelte Wort von Zeit und Geld noch nicht zur Geltung gekommen zu sein, denn er entbehrt durchwegs der modernen Einrichtungen und die Verlade- operationen vollziehen sich daher mit einer auffallenden Bedächtigkeit.
Selbstverständlich ist Triest der Hauptsitz aller maritimen Be- hörden und Anstalten der cisleithanischen Reichshälfte. Von grosser Wichtigkeit für die Heranbildung eines Nachwuchses für Schiffahrt und Handel ist die Handels- und nautische Akademie mit Sternwarte und einem reichen Museum. Ein gut ausgestattetes Aquarium in Verbindung mit einer zoologischen Versuchsstation ist berufen, das Studium der Fauna und Flora des Meeres zu fördern. An den Hafen gebunden ist gleich- falls die grosse Dampfschiffahrts-Gesellschaft des österreichisch-unga- rischen Lloyd, deren palastähnliches Directionsgebäude die Quaifront ziert. Die weitläufigen Werften, Docks und Etablissements dieser Gesell- schaft, die zu den grössten navalen Verkehrsunternehmungen der Erde zählt, wurden am nördlichen Strande der Bai von Muggia erbaut.
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[10/0030]
Das Mittelmeerbecken.
in anscheinend tollkühnem Unterfangen hinan bis zu den Castellmauern.
Im Gegensatze zum Winkelwerke der Altstadt trägt die in regel-
mässigen, senkrecht sich schneidenden Gassenzügen erbaute Neu- oder
Theresienstadt ein durchaus vornehmes Gepräge, ohne indes auf eine
besondere Charakteristik Anspruch erheben zu können.
Ueber der Stadt gegen Norden zu ragt auf der Höhe des Karstes
der schlanke Obelisk von Opcina empor, und da er an den Ausbau
der grossen Handelsstrasse erinnert, die seit Karl VI. berufen war, die
Verbindung der Reichs-Haupt- und Residenzstadt Wien auf der Route
über den Semmering, Graz und Laibach mit dem Meere zu verbinden,
so verdient dieser Gedenkstein als Wahrzeichen der Verkehrsentwick-
lung von Triest hier genannt zu werden. Von seinem Fusse aus, der,
354 m über der Meeresfläche gelegen, um Weniges höher über dem
Pflaster von Triest sich befindet, als die Spitze des Eiffelthurmes über
dem Pariser Marsfelde, geniesst man einen unvergleichlich schönen
Rundblick über die Stadt und deren reizende Umgebung.
Eine Promenade längs der Quais des neuen Hafens zeigt uns
die gewaltigen Verkehrsmittel und Anstalten der Gegenwart. Da liegen
sie, die riesigen Dampfer, welche die kostbarsten Producte der uner-
schöpflichen Tropenwelt in ihren mächtigen Stahlleibern bergen, um
sie mittelst Dampfkraft direct auf die ihrer harrenden Lastzüge zu
verladen. Wie schnell ist eine Ladung von einigen tausend Tonnen
gelöscht und wie rasch füllen sich im lebhaften Handelsverkehr des
Hafens die weiten Räume der Schiffe! Im alten Hafen, besonders in
dem dort mündenden Canale grande, scheint hingegen das geflügelte
Wort von Zeit und Geld noch nicht zur Geltung gekommen zu sein, denn
er entbehrt durchwegs der modernen Einrichtungen und die Verlade-
operationen vollziehen sich daher mit einer auffallenden Bedächtigkeit.
Selbstverständlich ist Triest der Hauptsitz aller maritimen Be-
hörden und Anstalten der cisleithanischen Reichshälfte. Von grosser
Wichtigkeit für die Heranbildung eines Nachwuchses für Schiffahrt
und Handel ist die Handels- und nautische Akademie mit Sternwarte und
einem reichen Museum. Ein gut ausgestattetes Aquarium in Verbindung
mit einer zoologischen Versuchsstation ist berufen, das Studium der Fauna
und Flora des Meeres zu fördern. An den Hafen gebunden ist gleich-
falls die grosse Dampfschiffahrts-Gesellschaft des österreichisch-unga-
rischen Lloyd, deren palastähnliches Directionsgebäude die Quaifront
ziert. Die weitläufigen Werften, Docks und Etablissements dieser Gesell-
schaft, die zu den grössten navalen Verkehrsunternehmungen der Erde
zählt, wurden am nördlichen Strande der Bai von Muggia erbaut.
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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 10. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/30>, abgerufen am 29.01.2025.
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