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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Das Mittelmeerbecken.
Bord und um 81/2 Uhr bestiegen wir unser Boot, um die Stadt zu
besuchen; bald hatten wir den Molo erreicht. Zwei verfallene Thürme,
auf vorspringende Felsen gebaut, erheben sich am Eingang des alten,
nur für Boote zugänglichen Hafens. Am Landungsplatz umringt uns
eine bunte Menschenmenge; türkische Truppen sind aufgestellt, der
Generalmarsch wird geblasen und ins Gewehr getreten. Nun gingen
wir einige steile Stufen hinauf, durch ein altes Thor in die erste Gasse
und befanden uns inmitten der Stadt, umgeben von dem anziehenden,
malerischen, echt orientalischen Leben und Treiben, welches Einige
von uns schon kannten, während die Anderen entzückt, aber doch
erstaunt die wunderbare Welt des Ostens betrachteten, besonders als
wir den Bazar durchschritten. Näselnde Derwische, feilschende Käufer
und Verkäufer in weiten Gewändern und bunten Turbanen, heulende
herrenlose Hunde, arabische Pferde, schwerbeladene Kameel- und
Maulthierkarawanen, Gesang, Geschrei, pechschwarze Neger, ver-
schleierte Frauen, viele Krüppel und Bettler, verschiedenartiges Völker-
gemisch, und das Alles übergossen von dem zauberhaft klaren Lichte
der Sonne des Südens, umgeben von der Vegetation des Ostens in
einem prächtigen Klima; das sind Bilder, wie sie nur der wahre Orient
in seiner malerischen Unordnung hervorbringen kann. Nach der Be-
sichtigung des Bazars unternahmen wir eine Fahrt zwischen Gärten
und dichten Hecken, Landhäusern und Feldern nach dem durch seine
Vegetation berühmten, am steilen Ufer eines Gebirgsflüsschens am
Fusse der Vorberge gelegenen Garten Rustem Pascha's.

"Mit einem Umweg durch einen hübschen Pinienwald, dessen
dunkles Grün herrlich absticht von den röthlich-gelben Sanddünen,
gelangten wir wieder in die Stadt und besuchten noch einen im
Christenviertel, nahe der amerikanischen Schule gelegenen Aussichts-
punkt.

"Der Nachmittag ward zu einem zweiten Ausfluge benützt. Auf
der kurzen Strecke vom Schiffe zum Lande hatten wir mit vielen
Schwierigkeiten zu kämpfen; die Fahrt war keine der ruhigsten. An
der syrischen Küste pflegt bei schönem Wetter der "imbatto" (Seebrise)
sich zu erheben, den wir auch kennen lernen sollten.

"Unsere Matrosen zeichneten sich durch unermüdliches Rudern,
grosse Ausdauer und Geschicklichkeit aus. Das Boot wurde von den
Wellen erfasst, welche es einen Moment hoch emporhoben, um es im
nächsten tief hinabzuschleudern. Nun hatten wir nach all dem Drang-
sal das Ufer erreicht, bestiegen die Wägen, und nochmals die Stadt

Das Mittelmeerbecken.
Bord und um 8½ Uhr bestiegen wir unser Boot, um die Stadt zu
besuchen; bald hatten wir den Molo erreicht. Zwei verfallene Thürme,
auf vorspringende Felsen gebaut, erheben sich am Eingang des alten,
nur für Boote zugänglichen Hafens. Am Landungsplatz umringt uns
eine bunte Menschenmenge; türkische Truppen sind aufgestellt, der
Generalmarsch wird geblasen und ins Gewehr getreten. Nun gingen
wir einige steile Stufen hinauf, durch ein altes Thor in die erste Gasse
und befanden uns inmitten der Stadt, umgeben von dem anziehenden,
malerischen, echt orientalischen Leben und Treiben, welches Einige
von uns schon kannten, während die Anderen entzückt, aber doch
erstaunt die wunderbare Welt des Ostens betrachteten, besonders als
wir den Bazar durchschritten. Näselnde Derwische, feilschende Käufer
und Verkäufer in weiten Gewändern und bunten Turbanen, heulende
herrenlose Hunde, arabische Pferde, schwerbeladene Kameel- und
Maulthierkarawanen, Gesang, Geschrei, pechschwarze Neger, ver-
schleierte Frauen, viele Krüppel und Bettler, verschiedenartiges Völker-
gemisch, und das Alles übergossen von dem zauberhaft klaren Lichte
der Sonne des Südens, umgeben von der Vegetation des Ostens in
einem prächtigen Klima; das sind Bilder, wie sie nur der wahre Orient
in seiner malerischen Unordnung hervorbringen kann. Nach der Be-
sichtigung des Bazars unternahmen wir eine Fahrt zwischen Gärten
und dichten Hecken, Landhäusern und Feldern nach dem durch seine
Vegetation berühmten, am steilen Ufer eines Gebirgsflüsschens am
Fusse der Vorberge gelegenen Garten Rustem Pascha’s.

„Mit einem Umweg durch einen hübschen Pinienwald, dessen
dunkles Grün herrlich absticht von den röthlich-gelben Sanddünen,
gelangten wir wieder in die Stadt und besuchten noch einen im
Christenviertel, nahe der amerikanischen Schule gelegenen Aussichts-
punkt.

„Der Nachmittag ward zu einem zweiten Ausfluge benützt. Auf
der kurzen Strecke vom Schiffe zum Lande hatten wir mit vielen
Schwierigkeiten zu kämpfen; die Fahrt war keine der ruhigsten. An
der syrischen Küste pflegt bei schönem Wetter der „imbatto“ (Seebrise)
sich zu erheben, den wir auch kennen lernen sollten.

„Unsere Matrosen zeichneten sich durch unermüdliches Rudern,
grosse Ausdauer und Geschicklichkeit aus. Das Boot wurde von den
Wellen erfasst, welche es einen Moment hoch emporhoben, um es im
nächsten tief hinabzuschleudern. Nun hatten wir nach all dem Drang-
sal das Ufer erreicht, bestiegen die Wägen, und nochmals die Stadt

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[234/0254] Das Mittelmeerbecken. Bord und um 8½ Uhr bestiegen wir unser Boot, um die Stadt zu besuchen; bald hatten wir den Molo erreicht. Zwei verfallene Thürme, auf vorspringende Felsen gebaut, erheben sich am Eingang des alten, nur für Boote zugänglichen Hafens. Am Landungsplatz umringt uns eine bunte Menschenmenge; türkische Truppen sind aufgestellt, der Generalmarsch wird geblasen und ins Gewehr getreten. Nun gingen wir einige steile Stufen hinauf, durch ein altes Thor in die erste Gasse und befanden uns inmitten der Stadt, umgeben von dem anziehenden, malerischen, echt orientalischen Leben und Treiben, welches Einige von uns schon kannten, während die Anderen entzückt, aber doch erstaunt die wunderbare Welt des Ostens betrachteten, besonders als wir den Bazar durchschritten. Näselnde Derwische, feilschende Käufer und Verkäufer in weiten Gewändern und bunten Turbanen, heulende herrenlose Hunde, arabische Pferde, schwerbeladene Kameel- und Maulthierkarawanen, Gesang, Geschrei, pechschwarze Neger, ver- schleierte Frauen, viele Krüppel und Bettler, verschiedenartiges Völker- gemisch, und das Alles übergossen von dem zauberhaft klaren Lichte der Sonne des Südens, umgeben von der Vegetation des Ostens in einem prächtigen Klima; das sind Bilder, wie sie nur der wahre Orient in seiner malerischen Unordnung hervorbringen kann. Nach der Be- sichtigung des Bazars unternahmen wir eine Fahrt zwischen Gärten und dichten Hecken, Landhäusern und Feldern nach dem durch seine Vegetation berühmten, am steilen Ufer eines Gebirgsflüsschens am Fusse der Vorberge gelegenen Garten Rustem Pascha’s. „Mit einem Umweg durch einen hübschen Pinienwald, dessen dunkles Grün herrlich absticht von den röthlich-gelben Sanddünen, gelangten wir wieder in die Stadt und besuchten noch einen im Christenviertel, nahe der amerikanischen Schule gelegenen Aussichts- punkt. „Der Nachmittag ward zu einem zweiten Ausfluge benützt. Auf der kurzen Strecke vom Schiffe zum Lande hatten wir mit vielen Schwierigkeiten zu kämpfen; die Fahrt war keine der ruhigsten. An der syrischen Küste pflegt bei schönem Wetter der „imbatto“ (Seebrise) sich zu erheben, den wir auch kennen lernen sollten. „Unsere Matrosen zeichneten sich durch unermüdliches Rudern, grosse Ausdauer und Geschicklichkeit aus. Das Boot wurde von den Wellen erfasst, welche es einen Moment hoch emporhoben, um es im nächsten tief hinabzuschleudern. Nun hatten wir nach all dem Drang- sal das Ufer erreicht, bestiegen die Wägen, und nochmals die Stadt

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 234. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/254>, abgerufen am 17.05.2024.