Alle Dampfer, welche von Süden her den Verkehr mit Smyrna vermitteln, laufen Chios (Scio) an, den gewerbefleissigen Hauptort der gleichnamigen gebirgigen Insel, deren 70.000 Einwohner Griechen sind.
Die Waldbestände sind bis auf einen kleinen Rest vernichtet, nur Strauchwerk, darunter namentlich Lentiscus, welcher Gummi-Mastik liefert, ist übrig geblieben.
Mastik, welcher für einen in der Levante sehr beliebten Branntwein ver- wendet wird, ist auch ein charakteristisches Product der Insel, welche daher im Türkischen den Namen Sakyz-Ada (Mastik-Insel) führt.
Mastik bildet natürlich einen wichtigen Ausfuhrartikel der Insel; ferner werden ausgeführt: Branntwein, Agrumen, Mandeln und Anis; Wein und getrock- nete Trauben kommen über Tschesme, das gegenüber Chios auf dem Festlande liegt, und über Smyrna zur Ausfuhr. Ueber drei Millionen Gulden der Ausfuhr, welche fast fünf Millionen Gulden erreicht, entfallen auf Leder.
Für die Zwecke der Leder-Industrie werden jährlich ebenfalls um 3 Millionen Gulden Felle und Häute eingeführt; ferner Getreide, Mehl, Reis, Bauholz und getrocknete Fische. Die Einfuhr bewegt sich zwischen 5 und 51/2 Millionen Gulden.
Der internationale Schiffsverkehr ist aus dem oben angeführten Grunde sehr bedeutend und übersteigt 1·3 Millionen t.
Von Chios gehen Kabel nach Tschesme, über Tenedos und Limni nach Salonich und ein drittes nach Syra.
Von Chios geht eine Linie des österreichisch-ungarischen Lloyd über das 468 km2 grosse Fürstenthum Samos, das der Pforte tributär ist, nach Candia, eine zweite über Rhodos nach Cypern. Von des waldreichen Samos rüstiger, arbeitsamer Bevölkerung kann die Hälfte lesen und schreiben, was im Oriente etwas sagen will. Die 44.000 Be- wohner der Insel sind Griechen, 14.000 Samier wohnen auf dem kleinasiatischen Festlande.
Die Insel des Polykrates war im Alterthume berühmt durch ihren Reichthum, die Samier waren die ersten, welche um 700 v. Chr. Trieren bauten. Auch in der Gegenwart ist die Insel vermögend, hat keine öffentliche Schuld und kann öffentliche Bauten unternehmen. So haben die Samier bei ihrem Haupthafen Vathy einen Molo er- richtet, welcher Schutz gegen die nördlichen Winde bietet.
Der Handel hat sich in den letzten sieben Jahren ziemlich stark entwickelt, weil der ganze Wein und die getrockneten Beeren nach Frankreich zur Wein- bereitung gingen. Das Jahr 1888 war für Samos ein Jahr des wirtschaftlichen Rückschrittes, wie für Patras, aber die schlechte Weinernte Frankreichs von 1889 dürfte wieder Erleichterungen bringen.
Die Ausfuhr wird für 1887 mit 5·5, für 1888 mit 3·5 Millionen Francs an- gegeben. Die Einfuhr 1887 4·4, 1888 4·3 Millionen Francs.
Den Abschluss des Aegäischen Meeres bildet das langgestreckte Kreta, von den Türken Kirid, von den Italienern Candia genannt. Eine 2400 m hohe, in vier Theile zertrümmerte Gebirgskette durch- zieht die Insel. Häufig fallen die Berge nach Süden wandartig ab,
Das Mittelmeerbecken.
Alle Dampfer, welche von Süden her den Verkehr mit Smyrna vermitteln, laufen Chios (Scio) an, den gewerbefleissigen Hauptort der gleichnamigen gebirgigen Insel, deren 70.000 Einwohner Griechen sind.
Die Waldbestände sind bis auf einen kleinen Rest vernichtet, nur Strauchwerk, darunter namentlich Lentiscus, welcher Gummi-Mastik liefert, ist übrig geblieben.
Mastik, welcher für einen in der Levante sehr beliebten Branntwein ver- wendet wird, ist auch ein charakteristisches Product der Insel, welche daher im Türkischen den Namen Sakyz-Ada (Mastik-Insel) führt.
Mastik bildet natürlich einen wichtigen Ausfuhrartikel der Insel; ferner werden ausgeführt: Branntwein, Agrumen, Mandeln und Anis; Wein und getrock- nete Trauben kommen über Tschesmé, das gegenüber Chios auf dem Festlande liegt, und über Smyrna zur Ausfuhr. Ueber drei Millionen Gulden der Ausfuhr, welche fast fünf Millionen Gulden erreicht, entfallen auf Leder.
Für die Zwecke der Leder-Industrie werden jährlich ebenfalls um 3 Millionen Gulden Felle und Häute eingeführt; ferner Getreide, Mehl, Reis, Bauholz und getrocknete Fische. Die Einfuhr bewegt sich zwischen 5 und 5½ Millionen Gulden.
Der internationale Schiffsverkehr ist aus dem oben angeführten Grunde sehr bedeutend und übersteigt 1·3 Millionen t.
Von Chios gehen Kabel nach Tschesmé, über Tenedos und Limni nach Salonich und ein drittes nach Syra.
Von Chios geht eine Linie des österreichisch-ungarischen Lloyd über das 468 km2 grosse Fürstenthum Samos, das der Pforte tributär ist, nach Candia, eine zweite über Rhodos nach Cypern. Von des waldreichen Samos rüstiger, arbeitsamer Bevölkerung kann die Hälfte lesen und schreiben, was im Oriente etwas sagen will. Die 44.000 Be- wohner der Insel sind Griechen, 14.000 Samier wohnen auf dem kleinasiatischen Festlande.
Die Insel des Polykrates war im Alterthume berühmt durch ihren Reichthum, die Samier waren die ersten, welche um 700 v. Chr. Trieren bauten. Auch in der Gegenwart ist die Insel vermögend, hat keine öffentliche Schuld und kann öffentliche Bauten unternehmen. So haben die Samier bei ihrem Haupthafen Vathy einen Molo er- richtet, welcher Schutz gegen die nördlichen Winde bietet.
Der Handel hat sich in den letzten sieben Jahren ziemlich stark entwickelt, weil der ganze Wein und die getrockneten Beeren nach Frankreich zur Wein- bereitung gingen. Das Jahr 1888 war für Samos ein Jahr des wirtschaftlichen Rückschrittes, wie für Patras, aber die schlechte Weinernte Frankreichs von 1889 dürfte wieder Erleichterungen bringen.
Die Ausfuhr wird für 1887 mit 5·5, für 1888 mit 3·5 Millionen Francs an- gegeben. Die Einfuhr 1887 4·4, 1888 4·3 Millionen Francs.
Den Abschluss des Aegäischen Meeres bildet das langgestreckte Kreta, von den Türken Kirid, von den Italienern Candia genannt. Eine 2400 m hohe, in vier Theile zertrümmerte Gebirgskette durch- zieht die Insel. Häufig fallen die Berge nach Süden wandartig ab,
<TEI><text><body><divn="1"><divn="2"><pbfacs="#f0234"n="214"/><fwplace="top"type="header">Das Mittelmeerbecken.</fw><lb/><p>Alle Dampfer, welche von Süden her den Verkehr mit Smyrna<lb/>
vermitteln, laufen <hirendition="#g">Chios</hi> (Scio) an, den gewerbefleissigen Hauptort der<lb/>
gleichnamigen gebirgigen Insel, deren 70.000 Einwohner Griechen sind.</p><lb/><p>Die Waldbestände sind bis auf einen kleinen Rest vernichtet, nur Strauchwerk,<lb/>
darunter namentlich Lentiscus, welcher Gummi-Mastik liefert, ist übrig geblieben.</p><lb/><p>Mastik, welcher für einen in der Levante sehr beliebten Branntwein ver-<lb/>
wendet wird, ist auch ein charakteristisches Product der Insel, welche daher im<lb/>
Türkischen den Namen Sakyz-Ada (Mastik-Insel) führt.</p><lb/><p>Mastik bildet natürlich einen wichtigen Ausfuhrartikel der Insel; ferner<lb/>
werden ausgeführt: Branntwein, Agrumen, Mandeln und Anis; Wein und getrock-<lb/>
nete Trauben kommen über Tschesmé, das gegenüber Chios auf dem Festlande<lb/>
liegt, und über Smyrna zur Ausfuhr. Ueber drei Millionen Gulden der Ausfuhr,<lb/>
welche fast fünf Millionen Gulden erreicht, entfallen auf <hirendition="#g">Leder</hi>.</p><lb/><p>Für die Zwecke der Leder-Industrie werden jährlich ebenfalls um 3 Millionen<lb/>
Gulden <hirendition="#g">Felle</hi> und <hirendition="#g">Häute eingeführt</hi>; ferner Getreide, Mehl, Reis, Bauholz und<lb/>
getrocknete Fische. Die Einfuhr bewegt sich zwischen 5 und 5½ Millionen Gulden.</p><lb/><p>Der internationale Schiffsverkehr ist aus dem oben angeführten Grunde sehr<lb/>
bedeutend und übersteigt 1·3 Millionen <hirendition="#i">t</hi>.</p><lb/><p>Von Chios gehen Kabel nach Tschesmé, über Tenedos und Limni nach<lb/>
Salonich und ein drittes nach Syra.</p><lb/><p>Von Chios geht eine Linie des österreichisch-ungarischen Lloyd<lb/>
über das 468 <hirendition="#i">km</hi><hirendition="#sup">2</hi> grosse Fürstenthum Samos, das der Pforte tributär<lb/>
ist, nach Candia, eine zweite über Rhodos nach Cypern. Von des<lb/>
waldreichen <hirendition="#g">Samos</hi> rüstiger, arbeitsamer Bevölkerung kann die Hälfte<lb/>
lesen und schreiben, was im Oriente etwas sagen will. Die 44.000 Be-<lb/>
wohner der Insel sind Griechen, 14.000 Samier wohnen auf dem<lb/>
kleinasiatischen Festlande.</p><lb/><p>Die Insel des Polykrates war im Alterthume berühmt durch<lb/>
ihren Reichthum, die Samier waren die ersten, welche um 700 v. Chr.<lb/>
Trieren bauten. Auch in der Gegenwart ist die Insel vermögend, hat<lb/>
keine öffentliche Schuld und kann öffentliche Bauten unternehmen.<lb/>
So haben die Samier bei ihrem Haupthafen <hirendition="#g">Vathy</hi> einen Molo er-<lb/>
richtet, welcher Schutz gegen die nördlichen Winde bietet.</p><lb/><p>Der Handel hat sich in den letzten sieben Jahren ziemlich stark entwickelt,<lb/>
weil der ganze Wein und die getrockneten Beeren nach Frankreich zur Wein-<lb/>
bereitung gingen. Das Jahr 1888 war für Samos ein Jahr des wirtschaftlichen<lb/>
Rückschrittes, wie für Patras, aber die schlechte Weinernte Frankreichs von 1889<lb/>
dürfte wieder Erleichterungen bringen.</p><lb/><p>Die Ausfuhr wird für 1887 mit 5·5, für 1888 mit 3·5 Millionen Francs an-<lb/>
gegeben. Die Einfuhr 1887 4·4, 1888 4·3 Millionen Francs.</p><lb/><p>Den Abschluss des Aegäischen Meeres bildet das langgestreckte<lb/><hirendition="#g">Kreta</hi>, von den Türken Kirid, von den Italienern Candia genannt.<lb/>
Eine 2400 <hirendition="#i">m</hi> hohe, in vier Theile zertrümmerte Gebirgskette durch-<lb/>
zieht die Insel. Häufig fallen die Berge nach Süden wandartig ab,<lb/></p></div></div></body></text></TEI>
[214/0234]
Das Mittelmeerbecken.
Alle Dampfer, welche von Süden her den Verkehr mit Smyrna
vermitteln, laufen Chios (Scio) an, den gewerbefleissigen Hauptort der
gleichnamigen gebirgigen Insel, deren 70.000 Einwohner Griechen sind.
Die Waldbestände sind bis auf einen kleinen Rest vernichtet, nur Strauchwerk,
darunter namentlich Lentiscus, welcher Gummi-Mastik liefert, ist übrig geblieben.
Mastik, welcher für einen in der Levante sehr beliebten Branntwein ver-
wendet wird, ist auch ein charakteristisches Product der Insel, welche daher im
Türkischen den Namen Sakyz-Ada (Mastik-Insel) führt.
Mastik bildet natürlich einen wichtigen Ausfuhrartikel der Insel; ferner
werden ausgeführt: Branntwein, Agrumen, Mandeln und Anis; Wein und getrock-
nete Trauben kommen über Tschesmé, das gegenüber Chios auf dem Festlande
liegt, und über Smyrna zur Ausfuhr. Ueber drei Millionen Gulden der Ausfuhr,
welche fast fünf Millionen Gulden erreicht, entfallen auf Leder.
Für die Zwecke der Leder-Industrie werden jährlich ebenfalls um 3 Millionen
Gulden Felle und Häute eingeführt; ferner Getreide, Mehl, Reis, Bauholz und
getrocknete Fische. Die Einfuhr bewegt sich zwischen 5 und 5½ Millionen Gulden.
Der internationale Schiffsverkehr ist aus dem oben angeführten Grunde sehr
bedeutend und übersteigt 1·3 Millionen t.
Von Chios gehen Kabel nach Tschesmé, über Tenedos und Limni nach
Salonich und ein drittes nach Syra.
Von Chios geht eine Linie des österreichisch-ungarischen Lloyd
über das 468 km2 grosse Fürstenthum Samos, das der Pforte tributär
ist, nach Candia, eine zweite über Rhodos nach Cypern. Von des
waldreichen Samos rüstiger, arbeitsamer Bevölkerung kann die Hälfte
lesen und schreiben, was im Oriente etwas sagen will. Die 44.000 Be-
wohner der Insel sind Griechen, 14.000 Samier wohnen auf dem
kleinasiatischen Festlande.
Die Insel des Polykrates war im Alterthume berühmt durch
ihren Reichthum, die Samier waren die ersten, welche um 700 v. Chr.
Trieren bauten. Auch in der Gegenwart ist die Insel vermögend, hat
keine öffentliche Schuld und kann öffentliche Bauten unternehmen.
So haben die Samier bei ihrem Haupthafen Vathy einen Molo er-
richtet, welcher Schutz gegen die nördlichen Winde bietet.
Der Handel hat sich in den letzten sieben Jahren ziemlich stark entwickelt,
weil der ganze Wein und die getrockneten Beeren nach Frankreich zur Wein-
bereitung gingen. Das Jahr 1888 war für Samos ein Jahr des wirtschaftlichen
Rückschrittes, wie für Patras, aber die schlechte Weinernte Frankreichs von 1889
dürfte wieder Erleichterungen bringen.
Die Ausfuhr wird für 1887 mit 5·5, für 1888 mit 3·5 Millionen Francs an-
gegeben. Die Einfuhr 1887 4·4, 1888 4·3 Millionen Francs.
Den Abschluss des Aegäischen Meeres bildet das langgestreckte
Kreta, von den Türken Kirid, von den Italienern Candia genannt.
Eine 2400 m hohe, in vier Theile zertrümmerte Gebirgskette durch-
zieht die Insel. Häufig fallen die Berge nach Süden wandartig ab,
Informationen zur CAB-Ansicht
Diese Ansicht bietet Ihnen die Darstellung des Textes in normalisierter Orthographie.
Diese Textvariante wird vollautomatisch erstellt und kann aufgrund dessen auch Fehler enthalten.
Alle veränderten Wortformen sind grau hinterlegt. Als fremdsprachliches Material erkannte
Textteile sind ausgegraut dargestellt.
Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 214. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/234>, abgerufen am 24.11.2024.
Alle Inhalte dieser Seite unterstehen, soweit nicht anders gekennzeichnet, einer
Creative-Commons-Lizenz.
Die Rechte an den angezeigten Bilddigitalisaten, soweit nicht anders gekennzeichnet, liegen bei den besitzenden Bibliotheken.
Weitere Informationen finden Sie in den DTA-Nutzungsbedingungen.
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf
diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken
dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder
nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der
Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden.
Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des
§ 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen
Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung
der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu
vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
Zitierempfehlung: Deutsches Textarchiv. Grundlage für ein Referenzkorpus der neuhochdeutschen Sprache. Herausgegeben von der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften, Berlin 2024. URL: https://www.deutschestextarchiv.de/.