Auf der die Stadt dominirenden Mythrashöhe (heute Bostepeh genannt), deren Name wohl an Mithridates erinnert, erhoben sich von mächtigen Festungs- werken umgeben die glanzvollen Marmorhallen des in Prachtgärten gelagerten Kaiserpalastes; dort stand auch die Kathedrale. Wohl sahen die gleissenden Säulen- hallen, durch welche würzige Lüfte strichen, viele blendende Festlichkeiten im Vereine mit der Poesie stillen Menschenglückes, allein sie wurden auch Zeugen des furchtbaren Unterganges, des entsetzlichen Endes der Kaiserpracht, als Mohammed II., der Eroberer von Constantinopel, mit brutaler Macht in das Schicksal der Komnenen eingriff. Trapezunt fiel 1462, nach 250jährigem Bestande des Kaiserthums, in die Gewalt des Sultans. Das Blutgericht war barbarisch. Der letzte Kaiser David und dessen ganze Familie wurden nach Stambul geschleppt und dort in den Kerkern hin- gerichtet. Das Griechenthum ward ausgerottet und die Kirchen wurden zu Moscheen umgewandelt. Von diesen bestehen noch die ehemalige Kathedrale und die Aja Sophia am Weststrande nächst der Stadt. Die rauchenden Trümmer der Kaiserstadt wurden bald durch die neuen Wohnstätten der Muselmanen verdeckt, aber das geborstene Gemäuer der gewaltigen Zinnen und Wälle, die, über tiefe Abgründe und Felsen setzend, dem Angreifer manche fortificatorische Ueberraschung bereitet haben mochten, krönt noch heute die Stadt.
Es wird berichtet, dass Mohammed II., von dem landschaftlichen Reize der Umgebung derselben bestrickt, den Winter nach der Katastrophe dort zubrachte. In der Folge wies er Trapezunt dem erstgeborenen Prinzen als Regierungssitz an. Die Stadt war den späteren Sultanen ein Stützpunkt bei deren Vordringen in den Kaukasus und von hier aus wussten die Herren des Bosporus den persisch-armenischen Handelsverkehr zu unterbinden.
Das heutige Trapezunt (Trebisonde, türkisch Tarabosan, vor- mals Tarabusun) ist die Hauptstadt des türkischen Vilajets gleichen Namens und erblühte wieder zu ihrer einstigen Bedeutung als wich- tiger Stapelplatz für den Handel zwischen Persien und Europa.
Die Stadt bedeckt die zu Füssen der Mythras-Höhe liegende Uferterrasse und bietet mit ihren luftig gebauten Häusern, zahlreichen Gärten, in welchen Lorbeer und Myrthe, Orangen und Citronen ge- deihen, mit ihren schlanken Minareten und dem idyllischen Sandufer des Hafens, an dem in ewigem Spiele die See sich bricht, ein an- muthiges Bild, dem die gewaltige pontische Gebirgswelt einen male- rischen Hintergrund geschaffen hat.
Vom Zollamt bei der Kalmekspitze (41° 1' nördl. Br. und 39° 46' östl. L. von Greenwich) führt die Hauptstrasse der Stadt zum Hauptplatze Meidan und weiter hinauf über eine die erste Schlucht übersetzende Brücke in die alte Festung der Komnenen, zu dem Gouvernements- gebäude und der Klissa Dschami, der alten griechischen Kathedrale. Innerhalb der Festungsruinen sind die Gefängnisse, eine Mittel- und eine Militärschule untergebracht. Ueber eine zweite Schlucht erreicht man die Militärbaraken am Kawak-Meidan und die Zufahrt zum Militärspitale. Vom Hauptplatze Meidan zweigt die Marktstrasse Tschar-
Das Mittelmeerbecken.
Auf der die Stadt dominirenden Mythrashöhe (heute Bostepeh genannt), deren Name wohl an Mithridates erinnert, erhoben sich von mächtigen Festungs- werken umgeben die glanzvollen Marmorhallen des in Prachtgärten gelagerten Kaiserpalastes; dort stand auch die Kathedrale. Wohl sahen die gleissenden Säulen- hallen, durch welche würzige Lüfte strichen, viele blendende Festlichkeiten im Vereine mit der Poesie stillen Menschenglückes, allein sie wurden auch Zeugen des furchtbaren Unterganges, des entsetzlichen Endes der Kaiserpracht, als Mohammed II., der Eroberer von Constantinopel, mit brutaler Macht in das Schicksal der Komnenen eingriff. Trapezunt fiel 1462, nach 250jährigem Bestande des Kaiserthums, in die Gewalt des Sultans. Das Blutgericht war barbarisch. Der letzte Kaiser David und dessen ganze Familie wurden nach Stambul geschleppt und dort in den Kerkern hin- gerichtet. Das Griechenthum ward ausgerottet und die Kirchen wurden zu Moscheen umgewandelt. Von diesen bestehen noch die ehemalige Kathedrale und die Aja Sophia am Weststrande nächst der Stadt. Die rauchenden Trümmer der Kaiserstadt wurden bald durch die neuen Wohnstätten der Muselmanen verdeckt, aber das geborstene Gemäuer der gewaltigen Zinnen und Wälle, die, über tiefe Abgründe und Felsen setzend, dem Angreifer manche fortificatorische Ueberraschung bereitet haben mochten, krönt noch heute die Stadt.
Es wird berichtet, dass Mohammed II., von dem landschaftlichen Reize der Umgebung derselben bestrickt, den Winter nach der Katastrophe dort zubrachte. In der Folge wies er Trapezunt dem erstgeborenen Prinzen als Regierungssitz an. Die Stadt war den späteren Sultanen ein Stützpunkt bei deren Vordringen in den Kaukasus und von hier aus wussten die Herren des Bosporus den persisch-armenischen Handelsverkehr zu unterbinden.
Das heutige Trapezunt (Trébisonde, türkisch Tarabosan, vor- mals Tarabusun) ist die Hauptstadt des türkischen Vilajets gleichen Namens und erblühte wieder zu ihrer einstigen Bedeutung als wich- tiger Stapelplatz für den Handel zwischen Persien und Europa.
Die Stadt bedeckt die zu Füssen der Mythras-Höhe liegende Uferterrasse und bietet mit ihren luftig gebauten Häusern, zahlreichen Gärten, in welchen Lorbeer und Myrthe, Orangen und Citronen ge- deihen, mit ihren schlanken Minareten und dem idyllischen Sandufer des Hafens, an dem in ewigem Spiele die See sich bricht, ein an- muthiges Bild, dem die gewaltige pontische Gebirgswelt einen male- rischen Hintergrund geschaffen hat.
Vom Zollamt bei der Kalmekspitze (41° 1′ nördl. Br. und 39° 46′ östl. L. von Greenwich) führt die Hauptstrasse der Stadt zum Hauptplatze Meidan und weiter hinauf über eine die erste Schlucht übersetzende Brücke in die alte Festung der Komnenen, zu dem Gouvernements- gebäude und der Klissa Dschami, der alten griechischen Kathedrale. Innerhalb der Festungsruinen sind die Gefängnisse, eine Mittel- und eine Militärschule untergebracht. Ueber eine zweite Schlucht erreicht man die Militärbaraken am Kawak-Meidan und die Zufahrt zum Militärspitale. Vom Hauptplatze Meidan zweigt die Marktstrasse Tschar-
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Das Mittelmeerbecken.
Auf der die Stadt dominirenden Mythrashöhe (heute Bostepeh genannt),
deren Name wohl an Mithridates erinnert, erhoben sich von mächtigen Festungs-
werken umgeben die glanzvollen Marmorhallen des in Prachtgärten gelagerten
Kaiserpalastes; dort stand auch die Kathedrale. Wohl sahen die gleissenden Säulen-
hallen, durch welche würzige Lüfte strichen, viele blendende Festlichkeiten im
Vereine mit der Poesie stillen Menschenglückes, allein sie wurden auch Zeugen des
furchtbaren Unterganges, des entsetzlichen Endes der Kaiserpracht, als Mohammed II.,
der Eroberer von Constantinopel, mit brutaler Macht in das Schicksal der Komnenen
eingriff. Trapezunt fiel 1462, nach 250jährigem Bestande des Kaiserthums, in die
Gewalt des Sultans. Das Blutgericht war barbarisch. Der letzte Kaiser David und
dessen ganze Familie wurden nach Stambul geschleppt und dort in den Kerkern hin-
gerichtet. Das Griechenthum ward ausgerottet und die Kirchen wurden zu Moscheen
umgewandelt. Von diesen bestehen noch die ehemalige Kathedrale und die Aja
Sophia am Weststrande nächst der Stadt. Die rauchenden Trümmer der Kaiserstadt
wurden bald durch die neuen Wohnstätten der Muselmanen verdeckt, aber das
geborstene Gemäuer der gewaltigen Zinnen und Wälle, die, über tiefe Abgründe und
Felsen setzend, dem Angreifer manche fortificatorische Ueberraschung bereitet haben
mochten, krönt noch heute die Stadt.
Es wird berichtet, dass Mohammed II., von dem landschaftlichen Reize der
Umgebung derselben bestrickt, den Winter nach der Katastrophe dort zubrachte.
In der Folge wies er Trapezunt dem erstgeborenen Prinzen als Regierungssitz an.
Die Stadt war den späteren Sultanen ein Stützpunkt bei deren Vordringen in den
Kaukasus und von hier aus wussten die Herren des Bosporus den persisch-armenischen
Handelsverkehr zu unterbinden.
Das heutige Trapezunt (Trébisonde, türkisch Tarabosan, vor-
mals Tarabusun) ist die Hauptstadt des türkischen Vilajets gleichen
Namens und erblühte wieder zu ihrer einstigen Bedeutung als wich-
tiger Stapelplatz für den Handel zwischen Persien und Europa.
Die Stadt bedeckt die zu Füssen der Mythras-Höhe liegende
Uferterrasse und bietet mit ihren luftig gebauten Häusern, zahlreichen
Gärten, in welchen Lorbeer und Myrthe, Orangen und Citronen ge-
deihen, mit ihren schlanken Minareten und dem idyllischen Sandufer
des Hafens, an dem in ewigem Spiele die See sich bricht, ein an-
muthiges Bild, dem die gewaltige pontische Gebirgswelt einen male-
rischen Hintergrund geschaffen hat.
Vom Zollamt bei der Kalmekspitze (41° 1′ nördl. Br. und 39° 46′
östl. L. von Greenwich) führt die Hauptstrasse der Stadt zum Hauptplatze
Meidan und weiter hinauf über eine die erste Schlucht übersetzende
Brücke in die alte Festung der Komnenen, zu dem Gouvernements-
gebäude und der Klissa Dschami, der alten griechischen Kathedrale.
Innerhalb der Festungsruinen sind die Gefängnisse, eine Mittel- und
eine Militärschule untergebracht. Ueber eine zweite Schlucht erreicht
man die Militärbaraken am Kawak-Meidan und die Zufahrt zum
Militärspitale. Vom Hauptplatze Meidan zweigt die Marktstrasse Tschar-
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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 192. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/212>, abgerufen am 26.11.2024.
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