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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Das Mittelmeerbecken.

Die NNO-Stürme brechen oft plötzlich ohne Anzeichen herein. Am unge-
stümsten und häufigsten sind die NO-Winde. Der Zeit nach wehen Winde zwischen
NW und NO reichlich viermal so oft als solche aus westlichen Quadranten. Die
Süd- und SO-Winde wälzen die längsten und schwersten Wogen heran, wohingegen
Winde aus Nord-Ost die kürzesten, aber bewegtesten und dadurch zerstörendsten
Wellen erzeugen. Dichte Nebel sind häufig.

An der Westküste besteht nur ein natürlicher, gegen alle Winde
geschützter Hafen in der Bucht von Burgas (das alte Pyrgos), dem
Hafenplatze Südbulgariens, der aber erst nach dem 1890 stattfindenden
Ausbau der Eisenbahnlinie von Jamboli an die Küste durch den
directen Verkehr mit Constantinopel und Sophia Bedeutung erlangen
wird. Allein wenn auch Burgas geschützter ist als Varna, so man-
geln demselben ebenso wie letzterem alle Einrichtungen, deren Vor-
handensein zur Prosperität der beiden Echellen erforderlich ist.

An einer mässigen Einbuchtung unter 43° 12' nördl. Breite
und 27° 57' östl. Länge von Greenwich (Evalar Tab.) gelegen, verdankt
Varna seine internationale Bedeutung nur dem Umstand, dass es
lange Zeit hindurch an der Postroute nach Constantinopel lag. Der
Ankerplatz ist bei äusseren Winden, die oft zu grosser Wuth sich
steigern und eine sehr hohe See heranwälzen, ein unhaltbarer.

Für den Verkehr vom Lande zum Schiffe wurden ein langer
Pfahldamm mit Eisenbahngeleise und drei kleinere Rostwerke in See
geführt, an welchen jedoch der geringen Wassertiefe wegen nur Boote
anzulegen vermögen. Indes besteht noch aus türkischer Zeit das Pro-
ject, den nahe zur Küste tretenden, genügend tiefen Devno-See durch
einen Canal mit dem Meere zu verbinden und dadurch einen Hafen
für Schiffe von mässigem Gehalte zu gewinnen. Die Kostspieligkeit
einer solchen Anlage und manche mit derselben verbundene Nach-
theile haben die Ausführung des Projectes verhindert. Im Sommer
1890 sollen indes die Vorstudien für Hafenbauten in Burgas und
Varna an Ort und Stelle vorgenommen werden.

Die Stadt lagert, wie unsere Illustration zeigt, anmuthig auf
einem hart zum Meere tretenden und steil abstürzenden Felsplateau.
Aus dem Gros der zwischen grünem Laub gebetteten weissblinkenden
kleinen Häuser erhebt sich hie und da die schlanke Säule eines
Minarets neben unscheinbaren Moscheen, darüber aber erscheinen als
dominirendes Object des ganzen Bildes die majestätischen Formen der
mit sechs Kuppeln geschmückten neuen bulgarischen Kathedrale,
welche unmittelbar nach der Erlangung der Unabhängigkeit Bulgariens
erbaut worden war.

Während der letzten Jahre verschwand durch die Anstrengungen

Das Mittelmeerbecken.

Die NNO-Stürme brechen oft plötzlich ohne Anzeichen herein. Am unge-
stümsten und häufigsten sind die NO-Winde. Der Zeit nach wehen Winde zwischen
NW und NO reichlich viermal so oft als solche aus westlichen Quadranten. Die
Süd- und SO-Winde wälzen die längsten und schwersten Wogen heran, wohingegen
Winde aus Nord-Ost die kürzesten, aber bewegtesten und dadurch zerstörendsten
Wellen erzeugen. Dichte Nebel sind häufig.

An der Westküste besteht nur ein natürlicher, gegen alle Winde
geschützter Hafen in der Bucht von Burgas (das alte Pyrgos), dem
Hafenplatze Südbulgariens, der aber erst nach dem 1890 stattfindenden
Ausbau der Eisenbahnlinie von Jamboli an die Küste durch den
directen Verkehr mit Constantinopel und Sophia Bedeutung erlangen
wird. Allein wenn auch Burgas geschützter ist als Varna, so man-
geln demselben ebenso wie letzterem alle Einrichtungen, deren Vor-
handensein zur Prosperität der beiden Echellen erforderlich ist.

An einer mässigen Einbuchtung unter 43° 12′ nördl. Breite
und 27° 57′ östl. Länge von Greenwich (Evalar Tab.) gelegen, verdankt
Varna seine internationale Bedeutung nur dem Umstand, dass es
lange Zeit hindurch an der Postroute nach Constantinopel lag. Der
Ankerplatz ist bei äusseren Winden, die oft zu grosser Wuth sich
steigern und eine sehr hohe See heranwälzen, ein unhaltbarer.

Für den Verkehr vom Lande zum Schiffe wurden ein langer
Pfahldamm mit Eisenbahngeleise und drei kleinere Rostwerke in See
geführt, an welchen jedoch der geringen Wassertiefe wegen nur Boote
anzulegen vermögen. Indes besteht noch aus türkischer Zeit das Pro-
ject, den nahe zur Küste tretenden, genügend tiefen Devno-See durch
einen Canal mit dem Meere zu verbinden und dadurch einen Hafen
für Schiffe von mässigem Gehalte zu gewinnen. Die Kostspieligkeit
einer solchen Anlage und manche mit derselben verbundene Nach-
theile haben die Ausführung des Projectes verhindert. Im Sommer
1890 sollen indes die Vorstudien für Hafenbauten in Burgas und
Varna an Ort und Stelle vorgenommen werden.

Die Stadt lagert, wie unsere Illustration zeigt, anmuthig auf
einem hart zum Meere tretenden und steil abstürzenden Felsplateau.
Aus dem Gros der zwischen grünem Laub gebetteten weissblinkenden
kleinen Häuser erhebt sich hie und da die schlanke Säule eines
Minarets neben unscheinbaren Moscheen, darüber aber erscheinen als
dominirendes Object des ganzen Bildes die majestätischen Formen der
mit sechs Kuppeln geschmückten neuen bulgarischen Kathedrale,
welche unmittelbar nach der Erlangung der Unabhängigkeit Bulgariens
erbaut worden war.

Während der letzten Jahre verschwand durch die Anstrengungen

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[138/0158] Das Mittelmeerbecken. Die NNO-Stürme brechen oft plötzlich ohne Anzeichen herein. Am unge- stümsten und häufigsten sind die NO-Winde. Der Zeit nach wehen Winde zwischen NW und NO reichlich viermal so oft als solche aus westlichen Quadranten. Die Süd- und SO-Winde wälzen die längsten und schwersten Wogen heran, wohingegen Winde aus Nord-Ost die kürzesten, aber bewegtesten und dadurch zerstörendsten Wellen erzeugen. Dichte Nebel sind häufig. An der Westküste besteht nur ein natürlicher, gegen alle Winde geschützter Hafen in der Bucht von Burgas (das alte Pyrgos), dem Hafenplatze Südbulgariens, der aber erst nach dem 1890 stattfindenden Ausbau der Eisenbahnlinie von Jamboli an die Küste durch den directen Verkehr mit Constantinopel und Sophia Bedeutung erlangen wird. Allein wenn auch Burgas geschützter ist als Varna, so man- geln demselben ebenso wie letzterem alle Einrichtungen, deren Vor- handensein zur Prosperität der beiden Echellen erforderlich ist. An einer mässigen Einbuchtung unter 43° 12′ nördl. Breite und 27° 57′ östl. Länge von Greenwich (Evalar Tab.) gelegen, verdankt Varna seine internationale Bedeutung nur dem Umstand, dass es lange Zeit hindurch an der Postroute nach Constantinopel lag. Der Ankerplatz ist bei äusseren Winden, die oft zu grosser Wuth sich steigern und eine sehr hohe See heranwälzen, ein unhaltbarer. Für den Verkehr vom Lande zum Schiffe wurden ein langer Pfahldamm mit Eisenbahngeleise und drei kleinere Rostwerke in See geführt, an welchen jedoch der geringen Wassertiefe wegen nur Boote anzulegen vermögen. Indes besteht noch aus türkischer Zeit das Pro- ject, den nahe zur Küste tretenden, genügend tiefen Devno-See durch einen Canal mit dem Meere zu verbinden und dadurch einen Hafen für Schiffe von mässigem Gehalte zu gewinnen. Die Kostspieligkeit einer solchen Anlage und manche mit derselben verbundene Nach- theile haben die Ausführung des Projectes verhindert. Im Sommer 1890 sollen indes die Vorstudien für Hafenbauten in Burgas und Varna an Ort und Stelle vorgenommen werden. Die Stadt lagert, wie unsere Illustration zeigt, anmuthig auf einem hart zum Meere tretenden und steil abstürzenden Felsplateau. Aus dem Gros der zwischen grünem Laub gebetteten weissblinkenden kleinen Häuser erhebt sich hie und da die schlanke Säule eines Minarets neben unscheinbaren Moscheen, darüber aber erscheinen als dominirendes Object des ganzen Bildes die majestätischen Formen der mit sechs Kuppeln geschmückten neuen bulgarischen Kathedrale, welche unmittelbar nach der Erlangung der Unabhängigkeit Bulgariens erbaut worden war. Während der letzten Jahre verschwand durch die Anstrengungen

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 138. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/158>, abgerufen am 22.11.2024.