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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Das Mittelmeerbecken.

Ueberraschend ist das Anwachsen der Bevölkerungszahl. Die
Ausbreitung der Stadt liess allerdings die Annahme zu, dass die Ein-
wohnerzahl von Salonich eine höhere sein müsse, als selbe bisher ge-
schätzt worden war. Da versetzte eine Nachricht der "Turquie" vom
4. Mai 1889 die Statistiker dennoch in helles Staunen, denn darin
war für Salonich eine Zahl von 195.000 Bewohnern nachgewiesen
worden, also ungefähr das Doppelte der bisherigen Schätzungen.

Von den Bewohnern sind:

Juden 75.000, Griechen 36.000, Türken 25.000, katholische
Albanesen 15.000, Makedonier und Serben 13.000, Bulgaren 11.000,
Italiener 5000, Albanesen 4000, Franzosen 1500, Deutsche 1200,
Engländer 800, Armenier 1000, Zinzaren 5000, Zigeuner 5000.

Die Juden, welche der Zahl nach dominiren, sind, wie die
meisten Israeliten auf der Balkanhalbinsel, von spanischer Abkunft,
welche sie durch Beibehalt der spanischen Sprache auch bekunden.
Ihre Vorfahren wurden zu Ende des XV. Jahrhunderts aus Spanien
in grossen Massen vertrieben und fanden in der Türkei eine zweite
Heimat. Wie überall, sind sie fleissig und betriebsam; sie besor-
gen alle Dienste des öffentlichen Verkehres, des Handels und Gewer-
bes und scheuen auch die schwere Lastarbeit nicht, wenn es gilt,
sich und die Familie zu erhalten. Sie bilden daher auch das Gros der
gewerbetreibenden Bevölkerung der Stadt. Einige Familien sind zu
Wohlstand und Reichthum gelangt und entfalten viel Luxus. Berühmt
wegen ihrer classischen Schönheit ist die jüdische Frauenwelt von
Salonich. Mit ihren Traditionen sind die Juden das interessanteste
Element der dortigen Bevölkerung.

Abseits des Aussenhandels, auf den wir zurückkommen werden,
dominiren unter den Seeleuten des Handelsplatzes die Griechen, und
die Bulgaren stehen als Landwirte und Pferdezüchter in Ansehen.

Die malerische Tracht der Bulgarinnen mit ihrem Münzenschmuck
im Haare und der weissen, färbig umsäumten Tunica tritt sehr wirksam
in den bunten Strassenbildern der völlig kosmopolitischen Stadt hervor
und findet ein anmuthiges Pendant im Costume der Walachinnen, das
an die Tracht der Bäuerinnen in der Umgebung von Neapel lebhaft
erinnert.

In Salonich residirt der Generalgouverneur, Vali, des gleich-
namigen Vilajets; hier ist der Sitz eines griechischen Metropoliten und
des Gross-Chacham (Grossrabbiner) der Juden.

Die Stadt hat 41 Moscheen, 16 dem christlichen Cultus ge-
weihte Kirchen, worunter die Kathedrale St. Theodoro, 4 Syna-

Das Mittelmeerbecken.

Ueberraschend ist das Anwachsen der Bevölkerungszahl. Die
Ausbreitung der Stadt liess allerdings die Annahme zu, dass die Ein-
wohnerzahl von Salonich eine höhere sein müsse, als selbe bisher ge-
schätzt worden war. Da versetzte eine Nachricht der „Turquie“ vom
4. Mai 1889 die Statistiker dennoch in helles Staunen, denn darin
war für Salonich eine Zahl von 195.000 Bewohnern nachgewiesen
worden, also ungefähr das Doppelte der bisherigen Schätzungen.

Von den Bewohnern sind:

Juden 75.000, Griechen 36.000, Türken 25.000, katholische
Albanesen 15.000, Makedonier und Serben 13.000, Bulgaren 11.000,
Italiener 5000, Albanesen 4000, Franzosen 1500, Deutsche 1200,
Engländer 800, Armenier 1000, Zinzaren 5000, Zigeuner 5000.

Die Juden, welche der Zahl nach dominiren, sind, wie die
meisten Israeliten auf der Balkanhalbinsel, von spanischer Abkunft,
welche sie durch Beibehalt der spanischen Sprache auch bekunden.
Ihre Vorfahren wurden zu Ende des XV. Jahrhunderts aus Spanien
in grossen Massen vertrieben und fanden in der Türkei eine zweite
Heimat. Wie überall, sind sie fleissig und betriebsam; sie besor-
gen alle Dienste des öffentlichen Verkehres, des Handels und Gewer-
bes und scheuen auch die schwere Lastarbeit nicht, wenn es gilt,
sich und die Familie zu erhalten. Sie bilden daher auch das Gros der
gewerbetreibenden Bevölkerung der Stadt. Einige Familien sind zu
Wohlstand und Reichthum gelangt und entfalten viel Luxus. Berühmt
wegen ihrer classischen Schönheit ist die jüdische Frauenwelt von
Salonich. Mit ihren Traditionen sind die Juden das interessanteste
Element der dortigen Bevölkerung.

Abseits des Aussenhandels, auf den wir zurückkommen werden,
dominiren unter den Seeleuten des Handelsplatzes die Griechen, und
die Bulgaren stehen als Landwirte und Pferdezüchter in Ansehen.

Die malerische Tracht der Bulgarinnen mit ihrem Münzenschmuck
im Haare und der weissen, färbig umsäumten Tunica tritt sehr wirksam
in den bunten Strassenbildern der völlig kosmopolitischen Stadt hervor
und findet ein anmuthiges Pendant im Costume der Walachinnen, das
an die Tracht der Bäuerinnen in der Umgebung von Neapel lebhaft
erinnert.

In Salonich residirt der Generalgouverneur, Vali, des gleich-
namigen Vilajets; hier ist der Sitz eines griechischen Metropoliten und
des Gross-Chacham (Grossrabbiner) der Juden.

Die Stadt hat 41 Moscheen, 16 dem christlichen Cultus ge-
weihte Kirchen, worunter die Kathedrale St. Theodoro, 4 Syna-

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[96/0116] Das Mittelmeerbecken. Ueberraschend ist das Anwachsen der Bevölkerungszahl. Die Ausbreitung der Stadt liess allerdings die Annahme zu, dass die Ein- wohnerzahl von Salonich eine höhere sein müsse, als selbe bisher ge- schätzt worden war. Da versetzte eine Nachricht der „Turquie“ vom 4. Mai 1889 die Statistiker dennoch in helles Staunen, denn darin war für Salonich eine Zahl von 195.000 Bewohnern nachgewiesen worden, also ungefähr das Doppelte der bisherigen Schätzungen. Von den Bewohnern sind: Juden 75.000, Griechen 36.000, Türken 25.000, katholische Albanesen 15.000, Makedonier und Serben 13.000, Bulgaren 11.000, Italiener 5000, Albanesen 4000, Franzosen 1500, Deutsche 1200, Engländer 800, Armenier 1000, Zinzaren 5000, Zigeuner 5000. Die Juden, welche der Zahl nach dominiren, sind, wie die meisten Israeliten auf der Balkanhalbinsel, von spanischer Abkunft, welche sie durch Beibehalt der spanischen Sprache auch bekunden. Ihre Vorfahren wurden zu Ende des XV. Jahrhunderts aus Spanien in grossen Massen vertrieben und fanden in der Türkei eine zweite Heimat. Wie überall, sind sie fleissig und betriebsam; sie besor- gen alle Dienste des öffentlichen Verkehres, des Handels und Gewer- bes und scheuen auch die schwere Lastarbeit nicht, wenn es gilt, sich und die Familie zu erhalten. Sie bilden daher auch das Gros der gewerbetreibenden Bevölkerung der Stadt. Einige Familien sind zu Wohlstand und Reichthum gelangt und entfalten viel Luxus. Berühmt wegen ihrer classischen Schönheit ist die jüdische Frauenwelt von Salonich. Mit ihren Traditionen sind die Juden das interessanteste Element der dortigen Bevölkerung. Abseits des Aussenhandels, auf den wir zurückkommen werden, dominiren unter den Seeleuten des Handelsplatzes die Griechen, und die Bulgaren stehen als Landwirte und Pferdezüchter in Ansehen. Die malerische Tracht der Bulgarinnen mit ihrem Münzenschmuck im Haare und der weissen, färbig umsäumten Tunica tritt sehr wirksam in den bunten Strassenbildern der völlig kosmopolitischen Stadt hervor und findet ein anmuthiges Pendant im Costume der Walachinnen, das an die Tracht der Bäuerinnen in der Umgebung von Neapel lebhaft erinnert. In Salonich residirt der Generalgouverneur, Vali, des gleich- namigen Vilajets; hier ist der Sitz eines griechischen Metropoliten und des Gross-Chacham (Grossrabbiner) der Juden. Die Stadt hat 41 Moscheen, 16 dem christlichen Cultus ge- weihte Kirchen, worunter die Kathedrale St. Theodoro, 4 Syna-

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 96. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/116>, abgerufen am 26.11.2024.