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Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891.

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Der atlantische Ocean.

Die Hauptartikel der Einfuhr sind Roggenmehl, Roggen, Tabak, Kaffee,
Salz und Spirituosen, die billigsten Sorten Bretter und Steinkohlen; alles gelangt
über Kopenhagen und Leith hieher.

Der wichtigste Theil der Ausfuhr Islands, auf welche sich die folgenden
Ziffern beziehen, sind Klippfische, in kleinerem Masse Stockfische, zusammen jähr-
lich etwa 60--70.000 q, die nach Dänemark, Grossbritannien und Spanien gehen.

Häringe werden meist nach Dänemark versendet, der ausgeführte Thran
ist zum grössten Theile Haileberthran, zu einem kleineren Theile Dorschleberthran.

Schafwolle wird nach Dänemark und Grossbritannien ausgeführt, im
Ganzen etwa 6--7000 kg, gesalzene Schaffelle, gesalzenes Lammfleisch und Talg
gelangen fast nur nach Kopenhagen, wohin auch beinahe alle Eiderdunen gelangen
(1888 5000 kg). Dagegen ist die Ausfuhr lebender Pferde und Schafe nicht nach
Dänemark gerichtet. Gewiss höchst bemerkenswerth ist, dass dieser ärmste Fleck
Landes im Verkehrsorganismus von Europa und Island in seiner Handelsbilanz
activ ist.

In Reykjavik unterhält nur Grossbritannien ein Consulat.

Wenn dort jene Zeit herangebrochen ist, in welcher die
Sonne nicht vom Horizonte verschwindet und da es zur nächtlichen
Stunde auch hell bleibt, wenn man die armselige Vegetation und die
eigenthümlichen Gletschergebilde betrachtet und ringsumher das ge-
waltige Nordmeer erbraust, dann wähnt man kaum mehr auf Europas
Boden zu stehen. Und doch erinnern wieder die Sprache, die Zeichen
einer alten und hochentwickelten Cultur, die Beziehungen des Landes
an den europäischen Charakter seines Daseins. Aber ist es auch
Europa, so fühlt man doch in dessen Ultima Thule zu sein.

Vom hellen, sonnigen, lebenswarmen Süden bis hinauf nach dem
strengeren, ernsteren, aber in Thätigkeit hochangespannten Norden,
von den gefürchteten Küsten des Euxinus bis zu den Gestaden der
Atlantis sind wir gewandert und haben gesehen, wie in einer Reihe
grosser Häfen der Antheil am Weltverkehr in den verschiedensten Ge-
staltungen und Formen sich bemerkbar macht, und nach der Fülle von
gewonnenen Eindrücken halten wir einen Augenblick Rast an Islands
Strand, einer zur Sammlung geeigneten Stätte. Einst fuhren dessen
Söhne schon nach dem Westen. So wollen wir auch, das alte Europa
verlassend, nunmehr eine andere Welt suchen und betrachten, wie
die neuen Schöpfungen dieser Welt sich zu jenen verhalten, von denen
wir bei Island jetzt Abschied nehmen.



Der atlantische Ocean.

Die Hauptartikel der Einfuhr sind Roggenmehl, Roggen, Tabak, Kaffee,
Salz und Spirituosen, die billigsten Sorten Bretter und Steinkohlen; alles gelangt
über Kopenhagen und Leith hieher.

Der wichtigste Theil der Ausfuhr Islands, auf welche sich die folgenden
Ziffern beziehen, sind Klippfische, in kleinerem Masse Stockfische, zusammen jähr-
lich etwa 60—70.000 q, die nach Dänemark, Grossbritannien und Spanien gehen.

Häringe werden meist nach Dänemark versendet, der ausgeführte Thran
ist zum grössten Theile Haileberthran, zu einem kleineren Theile Dorschleberthran.

Schafwolle wird nach Dänemark und Grossbritannien ausgeführt, im
Ganzen etwa 6—7000 kg, gesalzene Schaffelle, gesalzenes Lammfleisch und Talg
gelangen fast nur nach Kopenhagen, wohin auch beinahe alle Eiderdunen gelangen
(1888 5000 kg). Dagegen ist die Ausfuhr lebender Pferde und Schafe nicht nach
Dänemark gerichtet. Gewiss höchst bemerkenswerth ist, dass dieser ärmste Fleck
Landes im Verkehrsorganismus von Europa und Island in seiner Handelsbilanz
activ ist.

In Reykjavik unterhält nur Grossbritannien ein Consulat.

Wenn dort jene Zeit herangebrochen ist, in welcher die
Sonne nicht vom Horizonte verschwindet und da es zur nächtlichen
Stunde auch hell bleibt, wenn man die armselige Vegetation und die
eigenthümlichen Gletschergebilde betrachtet und ringsumher das ge-
waltige Nordmeer erbraust, dann wähnt man kaum mehr auf Europas
Boden zu stehen. Und doch erinnern wieder die Sprache, die Zeichen
einer alten und hochentwickelten Cultur, die Beziehungen des Landes
an den europäischen Charakter seines Daseins. Aber ist es auch
Europa, so fühlt man doch in dessen Ultima Thule zu sein.

Vom hellen, sonnigen, lebenswarmen Süden bis hinauf nach dem
strengeren, ernsteren, aber in Thätigkeit hochangespannten Norden,
von den gefürchteten Küsten des Euxinus bis zu den Gestaden der
Atlantis sind wir gewandert und haben gesehen, wie in einer Reihe
grosser Häfen der Antheil am Weltverkehr in den verschiedensten Ge-
staltungen und Formen sich bemerkbar macht, und nach der Fülle von
gewonnenen Eindrücken halten wir einen Augenblick Rast an Islands
Strand, einer zur Sammlung geeigneten Stätte. Einst fuhren dessen
Söhne schon nach dem Westen. So wollen wir auch, das alte Europa
verlassend, nunmehr eine andere Welt suchen und betrachten, wie
die neuen Schöpfungen dieser Welt sich zu jenen verhalten, von denen
wir bei Island jetzt Abschied nehmen.



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[1100/1120] Der atlantische Ocean. Die Hauptartikel der Einfuhr sind Roggenmehl, Roggen, Tabak, Kaffee, Salz und Spirituosen, die billigsten Sorten Bretter und Steinkohlen; alles gelangt über Kopenhagen und Leith hieher. Der wichtigste Theil der Ausfuhr Islands, auf welche sich die folgenden Ziffern beziehen, sind Klippfische, in kleinerem Masse Stockfische, zusammen jähr- lich etwa 60—70.000 q, die nach Dänemark, Grossbritannien und Spanien gehen. Häringe werden meist nach Dänemark versendet, der ausgeführte Thran ist zum grössten Theile Haileberthran, zu einem kleineren Theile Dorschleberthran. Schafwolle wird nach Dänemark und Grossbritannien ausgeführt, im Ganzen etwa 6—7000 kg, gesalzene Schaffelle, gesalzenes Lammfleisch und Talg gelangen fast nur nach Kopenhagen, wohin auch beinahe alle Eiderdunen gelangen (1888 5000 kg). Dagegen ist die Ausfuhr lebender Pferde und Schafe nicht nach Dänemark gerichtet. Gewiss höchst bemerkenswerth ist, dass dieser ärmste Fleck Landes im Verkehrsorganismus von Europa und Island in seiner Handelsbilanz activ ist. In Reykjavik unterhält nur Grossbritannien ein Consulat. Wenn dort jene Zeit herangebrochen ist, in welcher die Sonne nicht vom Horizonte verschwindet und da es zur nächtlichen Stunde auch hell bleibt, wenn man die armselige Vegetation und die eigenthümlichen Gletschergebilde betrachtet und ringsumher das ge- waltige Nordmeer erbraust, dann wähnt man kaum mehr auf Europas Boden zu stehen. Und doch erinnern wieder die Sprache, die Zeichen einer alten und hochentwickelten Cultur, die Beziehungen des Landes an den europäischen Charakter seines Daseins. Aber ist es auch Europa, so fühlt man doch in dessen Ultima Thule zu sein. Vom hellen, sonnigen, lebenswarmen Süden bis hinauf nach dem strengeren, ernsteren, aber in Thätigkeit hochangespannten Norden, von den gefürchteten Küsten des Euxinus bis zu den Gestaden der Atlantis sind wir gewandert und haben gesehen, wie in einer Reihe grosser Häfen der Antheil am Weltverkehr in den verschiedensten Ge- staltungen und Formen sich bemerkbar macht, und nach der Fülle von gewonnenen Eindrücken halten wir einen Augenblick Rast an Islands Strand, einer zur Sammlung geeigneten Stätte. Einst fuhren dessen Söhne schon nach dem Westen. So wollen wir auch, das alte Europa verlassend, nunmehr eine andere Welt suchen und betrachten, wie die neuen Schöpfungen dieser Welt sich zu jenen verhalten, von denen wir bei Island jetzt Abschied nehmen.

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Zitationshilfe: Lehnert, Josef von u. a.: Die Seehäfen des Weltverkehrs. Bd. 1. Wien, 1891, S. 1100. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehnert_seehaefen01_1891/1120>, abgerufen am 04.05.2024.