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Lehmann, Johann Gottlob: Versuch einer Geschichte von Flötz-Gebürgen. Berlin, 1756.

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Jn diesen Zustande blieb der Erdboden einige
Zeit allen Vermuthen nach, unverändert.
Jch sage mit Bedacht allen Vermuthen nach,
denn mit Gewißheit kan man es nicht be-
haupten, aus Mangel zuverläßiger Nach-
richten von denen damaligen Zeiten. Es ist
aber möglich, daß schon von Anfang an klei-
ne Veränderungen sich zugetragen. Wenn
wir besonders die Schrift hören, welche uns
Wie der
Fluch
nach dem
Sünden-
Falle zu
verste-
hen.
saget, daß nach den Fall des Adams der
Schöpfer die Erde verflucht habe, so solte
man nach gerade auf die Meinung verfallen,
daß durch diesen Fluch sogleich eine allgemei-
ne Veränderung auf einmahl auf den Erd-
boden vorgegangen sey. Allein wenn wir
die Worte des Fluchs recht besehen, so fin-
den wir, meines unvergreiflichen Erachtens
nicht, daß der gantze Erdboden dadurch ei-
ner besonders grossen und allgemeinen Ver-
änderung habe leiden dürfen, denn es heisset,
verflucht sey der Acker um Deinet willen, mit
Kummer solt Du Dich darauf nehren, Dein
Lebelang, Dorn und Disteln soll er Dir tra-
gen etc. Hier erhellet es daraus, daß diese an-
gekündigte Strafe, bloß den Adam und sein
Weib betreffen, so wie in den 4ten Cap. des
ersten Buches Mosis und dessen 12ten Ver-
se von Cain auch wieder besonders heisset.
Wenn Du den Acker bauen wirst, soll er Dir
fort sein Vermögen nicht geben. Wolte
man sagen, daß durch den Fluch, so zu sa-

gen,

Jn dieſen Zuſtande blieb der Erdboden einige
Zeit allen Vermuthen nach, unveraͤndert.
Jch ſage mit Bedacht allen Vermuthen nach,
denn mit Gewißheit kan man es nicht be-
haupten, aus Mangel zuverlaͤßiger Nach-
richten von denen damaligen Zeiten. Es iſt
aber moͤglich, daß ſchon von Anfang an klei-
ne Veraͤnderungen ſich zugetragen. Wenn
wir beſonders die Schrift hoͤren, welche uns
Wie der
Fluch
nach dem
Suͤnden-
Falle zu
verſte-
hen.
ſaget, daß nach den Fall des Adams der
Schoͤpfer die Erde verflucht habe, ſo ſolte
man nach gerade auf die Meinung verfallen,
daß durch dieſen Fluch ſogleich eine allgemei-
ne Veraͤnderung auf einmahl auf den Erd-
boden vorgegangen ſey. Allein wenn wir
die Worte des Fluchs recht beſehen, ſo fin-
den wir, meines unvergreiflichen Erachtens
nicht, daß der gantze Erdboden dadurch ei-
ner beſonders groſſen und allgemeinen Ver-
aͤnderung habe leiden duͤrfen, denn es heiſſet,
verflucht ſey der Acker um Deinet willen, mit
Kummer ſolt Du Dich darauf nehren, Dein
Lebelang, Dorn und Diſteln ſoll er Dir tra-
gen ꝛc. Hier erhellet es daraus, daß dieſe an-
gekuͤndigte Strafe, bloß den Adam und ſein
Weib betreffen, ſo wie in den 4ten Cap. des
erſten Buches Moſis und deſſen 12ten Ver-
ſe von Cain auch wieder beſonders heiſſet.
Wenn Du den Acker bauen wirſt, ſoll er Dir
fort ſein Vermoͤgen nicht geben. Wolte
man ſagen, daß durch den Fluch, ſo zu ſa-

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[16/0094] Jn dieſen Zuſtande blieb der Erdboden einige Zeit allen Vermuthen nach, unveraͤndert. Jch ſage mit Bedacht allen Vermuthen nach, denn mit Gewißheit kan man es nicht be- haupten, aus Mangel zuverlaͤßiger Nach- richten von denen damaligen Zeiten. Es iſt aber moͤglich, daß ſchon von Anfang an klei- ne Veraͤnderungen ſich zugetragen. Wenn wir beſonders die Schrift hoͤren, welche uns ſaget, daß nach den Fall des Adams der Schoͤpfer die Erde verflucht habe, ſo ſolte man nach gerade auf die Meinung verfallen, daß durch dieſen Fluch ſogleich eine allgemei- ne Veraͤnderung auf einmahl auf den Erd- boden vorgegangen ſey. Allein wenn wir die Worte des Fluchs recht beſehen, ſo fin- den wir, meines unvergreiflichen Erachtens nicht, daß der gantze Erdboden dadurch ei- ner beſonders groſſen und allgemeinen Ver- aͤnderung habe leiden duͤrfen, denn es heiſſet, verflucht ſey der Acker um Deinet willen, mit Kummer ſolt Du Dich darauf nehren, Dein Lebelang, Dorn und Diſteln ſoll er Dir tra- gen ꝛc. Hier erhellet es daraus, daß dieſe an- gekuͤndigte Strafe, bloß den Adam und ſein Weib betreffen, ſo wie in den 4ten Cap. des erſten Buches Moſis und deſſen 12ten Ver- ſe von Cain auch wieder beſonders heiſſet. Wenn Du den Acker bauen wirſt, ſoll er Dir fort ſein Vermoͤgen nicht geben. Wolte man ſagen, daß durch den Fluch, ſo zu ſa- gen, Wie der Fluch nach dem Suͤnden- Falle zu verſte- hen.

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Zitationshilfe: Lehmann, Johann Gottlob: Versuch einer Geschichte von Flötz-Gebürgen. Berlin, 1756, S. 16. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehmann_versuch_1756/94>, abgerufen am 02.05.2024.