Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Lehmann, Henni: Das Kunst-Studium der Frauen. Darmstadt, 1914.

Bild:
<< vorherige Seite

Einzelfall der beiden Akademien angewandt, enthalten doch allgemeine
Gesichtspunkte, und es wurden recht anfechtbare Behauptungen dabei
mit Aplomb als gültige Wahrheiten vorgetragen. Das Bedürfnis nach
Öffnung der Akademien wurde von dem Berichterstatter verneint und
der Petition vorgeworfen, daß sie dies Bedürfnis nicht genügend be-
gründe. Nach genauer Prüfung der Petition und der Tatsachen stehe
ich diesem Vorwurf etwas verlegen und ziemlich hilflos gegenüber,
denn mir scheint, daß dies Bedürfnis einerseits gar nicht begründet zu
werden braucht, weil es gar so offenkundig ist, andererseits gar nicht
begründet werden kann, wenigstens ziffernmäßig, denn darum handelt
es sich doch wohl, weil eben in dem Kunststudium der Frauen alles
ungeregelt ist und sich Ziffern gar nicht greifen lassen. Offenkundig ist,
daß sich alljährlich eine große Zahl von Frauen dem Künstlerberuf
zuwendet, dies wurde auch in der Kommission des Abgeordnetenhauses
hervorgehoben, aber gerade merkwürdigerweise als Grund für die Ab-
lehnung geltend gemacht. Es sollte den Frauen das Kunststudium
nicht erleichtert werden, damit sich nicht noch mehr Frauen ihm zu-
wendeten - "aus Mangel an anderen geeigneten Berufen für gebildete
Frauen" - wie gesagt wurde. Letzteres trifft, wenn es je zutraf,
nach Öffnung der Universitäten nicht mehr zu. Die Frauen, die sich
jetzt der Kunst zuwenden, tun es fast ausnahmslos aus innerer Neigung,
ihnen das Studium zu erschweren, ist ein Unrecht. Wenn aber nicht
die große Zahl der Künstlerinnen das Bedürfnis begründet, sondern
vielmehr dagegen spricht, so weiß ich eben nicht, wie man ein Bedürfnis
begründen soll, denn wenn es sich statt der großen Zahl um vereinzelte
Erscheinungen handeln würde, wäre doch sicher ein Bedürfnis noch
weniger vorhanden. Mir scheint, daß da die Logik des Redners
im Abgeordnetenhaus einen seltsamen Sprung gemacht hat. Übrigens
ist der Überandrang auch bei den Männern vorhanden, und nach
obiger Beweisführung müßte auch ihnen die Akademie gesperrt
werden.

Einzelfall der beiden Akademien angewandt, enthalten doch allgemeine
Gesichtspunkte, und es wurden recht anfechtbare Behauptungen dabei
mit Aplomb als gültige Wahrheiten vorgetragen. Das Bedürfnis nach
Öffnung der Akademien wurde von dem Berichterstatter verneint und
der Petition vorgeworfen, daß sie dies Bedürfnis nicht genügend be-
gründe. Nach genauer Prüfung der Petition und der Tatsachen stehe
ich diesem Vorwurf etwas verlegen und ziemlich hilflos gegenüber,
denn mir scheint, daß dies Bedürfnis einerseits gar nicht begründet zu
werden braucht, weil es gar so offenkundig ist, andererseits gar nicht
begründet werden kann, wenigstens ziffernmäßig, denn darum handelt
es sich doch wohl, weil eben in dem Kunststudium der Frauen alles
ungeregelt ist und sich Ziffern gar nicht greifen lassen. Offenkundig ist,
daß sich alljährlich eine große Zahl von Frauen dem Künstlerberuf
zuwendet, dies wurde auch in der Kommission des Abgeordnetenhauses
hervorgehoben, aber gerade merkwürdigerweise als Grund für die Ab-
lehnung geltend gemacht. Es sollte den Frauen das Kunststudium
nicht erleichtert werden, damit sich nicht noch mehr Frauen ihm zu-
wendeten – „aus Mangel an anderen geeigneten Berufen für gebildete
Frauen“ – wie gesagt wurde. Letzteres trifft, wenn es je zutraf,
nach Öffnung der Universitäten nicht mehr zu. Die Frauen, die sich
jetzt der Kunst zuwenden, tun es fast ausnahmslos aus innerer Neigung,
ihnen das Studium zu erschweren, ist ein Unrecht. Wenn aber nicht
die große Zahl der Künstlerinnen das Bedürfnis begründet, sondern
vielmehr dagegen spricht, so weiß ich eben nicht, wie man ein Bedürfnis
begründen soll, denn wenn es sich statt der großen Zahl um vereinzelte
Erscheinungen handeln würde, wäre doch sicher ein Bedürfnis noch
weniger vorhanden. Mir scheint, daß da die Logik des Redners
im Abgeordnetenhaus einen seltsamen Sprung gemacht hat. Übrigens
ist der Überandrang auch bei den Männern vorhanden, und nach
obiger Beweisführung müßte auch ihnen die Akademie gesperrt
werden.

<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <p><pb facs="#f0024" n="18"/>
Einzelfall der beiden Akademien angewandt, enthalten doch allgemeine<lb/>
Gesichtspunkte, und es wurden recht anfechtbare Behauptungen dabei<lb/>
mit Aplomb als gültige Wahrheiten vorgetragen. Das Bedürfnis nach<lb/>
Öffnung der Akademien wurde von dem Berichterstatter verneint und<lb/>
der Petition vorgeworfen, daß sie dies Bedürfnis nicht genügend be-<lb/>
gründe. Nach genauer Prüfung der Petition und der Tatsachen stehe<lb/>
ich diesem Vorwurf etwas verlegen und ziemlich hilflos gegenüber,<lb/>
denn mir scheint, daß dies Bedürfnis einerseits gar nicht begründet zu<lb/>
werden braucht, weil es gar so offenkundig ist, andererseits gar nicht<lb/>
begründet werden kann, wenigstens ziffernmäßig, denn darum handelt<lb/>
es sich doch wohl, weil eben in dem Kunststudium der Frauen alles<lb/>
ungeregelt ist und sich Ziffern gar nicht greifen lassen. Offenkundig ist,<lb/>
daß sich alljährlich eine große Zahl von Frauen dem Künstlerberuf<lb/>
zuwendet, dies wurde auch in der Kommission des Abgeordnetenhauses<lb/>
hervorgehoben, aber gerade merkwürdigerweise als Grund für die Ab-<lb/>
lehnung geltend gemacht. Es <hi rendition="#g">sollte</hi> den Frauen das Kunststudium<lb/>
nicht erleichtert werden, damit sich nicht noch mehr Frauen ihm zu-<lb/>
wendeten &#x2013; &#x201E;aus Mangel an anderen geeigneten Berufen für gebildete<lb/>
Frauen&#x201C; &#x2013; wie gesagt wurde. Letzteres trifft, wenn es je zutraf,<lb/>
nach Öffnung der Universitäten nicht mehr zu. Die Frauen, die sich<lb/>
jetzt der Kunst zuwenden, tun es fast ausnahmslos aus innerer Neigung,<lb/>
ihnen das Studium zu erschweren, ist ein Unrecht. Wenn aber nicht<lb/>
die <hi rendition="#g">große</hi> Zahl der Künstlerinnen das Bedürfnis begründet, sondern<lb/>
vielmehr dagegen spricht, so weiß ich eben nicht, wie man ein Bedürfnis<lb/>
begründen soll, denn wenn es sich statt der großen Zahl um vereinzelte<lb/>
Erscheinungen handeln würde, wäre doch sicher ein Bedürfnis noch<lb/>
weniger vorhanden. Mir scheint, daß da die Logik des Redners<lb/>
im Abgeordnetenhaus einen seltsamen Sprung gemacht hat. Übrigens<lb/>
ist der Überandrang auch bei den Männern vorhanden, und nach<lb/>
obiger Beweisführung müßte auch ihnen die Akademie gesperrt<lb/>
werden.</p><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[18/0024] Einzelfall der beiden Akademien angewandt, enthalten doch allgemeine Gesichtspunkte, und es wurden recht anfechtbare Behauptungen dabei mit Aplomb als gültige Wahrheiten vorgetragen. Das Bedürfnis nach Öffnung der Akademien wurde von dem Berichterstatter verneint und der Petition vorgeworfen, daß sie dies Bedürfnis nicht genügend be- gründe. Nach genauer Prüfung der Petition und der Tatsachen stehe ich diesem Vorwurf etwas verlegen und ziemlich hilflos gegenüber, denn mir scheint, daß dies Bedürfnis einerseits gar nicht begründet zu werden braucht, weil es gar so offenkundig ist, andererseits gar nicht begründet werden kann, wenigstens ziffernmäßig, denn darum handelt es sich doch wohl, weil eben in dem Kunststudium der Frauen alles ungeregelt ist und sich Ziffern gar nicht greifen lassen. Offenkundig ist, daß sich alljährlich eine große Zahl von Frauen dem Künstlerberuf zuwendet, dies wurde auch in der Kommission des Abgeordnetenhauses hervorgehoben, aber gerade merkwürdigerweise als Grund für die Ab- lehnung geltend gemacht. Es sollte den Frauen das Kunststudium nicht erleichtert werden, damit sich nicht noch mehr Frauen ihm zu- wendeten – „aus Mangel an anderen geeigneten Berufen für gebildete Frauen“ – wie gesagt wurde. Letzteres trifft, wenn es je zutraf, nach Öffnung der Universitäten nicht mehr zu. Die Frauen, die sich jetzt der Kunst zuwenden, tun es fast ausnahmslos aus innerer Neigung, ihnen das Studium zu erschweren, ist ein Unrecht. Wenn aber nicht die große Zahl der Künstlerinnen das Bedürfnis begründet, sondern vielmehr dagegen spricht, so weiß ich eben nicht, wie man ein Bedürfnis begründen soll, denn wenn es sich statt der großen Zahl um vereinzelte Erscheinungen handeln würde, wäre doch sicher ein Bedürfnis noch weniger vorhanden. Mir scheint, daß da die Logik des Redners im Abgeordnetenhaus einen seltsamen Sprung gemacht hat. Übrigens ist der Überandrang auch bei den Männern vorhanden, und nach obiger Beweisführung müßte auch ihnen die Akademie gesperrt werden.

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Frauenstudium, betreut von Andreas Neumann und Anna Pfundt, FSU Jena und JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2022-07-11T15:25:44Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2022-07-11T15:25:44Z)

Weitere Informationen:

Bogensignaturen: gekennzeichnet; Druckfehler: gekennzeichnet; fremdsprachliches Material: keine Angabe; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): wie Vorlage; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: wie Vorlage; Kolumnentitel: keine Angabe; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine Angabe; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: ja; Silbentrennung: wie Vorlage; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: ja;




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/lehmann_kunststudium_1913
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/lehmann_kunststudium_1913/24
Zitationshilfe: Lehmann, Henni: Das Kunst-Studium der Frauen. Darmstadt, 1914, S. 18. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/lehmann_kunststudium_1913/24>, abgerufen am 17.06.2024.