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Ledermann, Frieda: Zur Geschichte der Frauenstimmrechtsbewegung. Berlin, 1918.

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mus anbetrifft, so entspricht die Anerkennung poli-
tischer Gleichberechtigung der Frauen unbedingt der
liberalen Weltanschauung. Die Fortschrittliche Volks-
partei, welche im übrigen die Vertretung liberaler
Ideen und Ziele propagiert, hat in ihrem Programm
diese Folgerung noch nicht vollständig gezogen. Nach
der Reform des Vereinsgesetzes traten viele Frauen,
darunter bekannte Führerinnen der Frauenbewegung,
in die liberalen Parteien ein. Als 1910 eine Fusion
der drei liberalen Parteien erfolgte, gelang es den
weiblichen Mitgliedern nicht, das Frauenwahlrecht
als Gegenwartsforderung dem Programm einzufügen.
Die Frauen entschieden, in der Partei auszuharren,
die ihrer Weltanschauung entsprach, trotzdem auch
1912 die Programmforderung noch nicht erfüllt war.
Aber die Abstimmung über 13 Anträge aus männ-
lichen und weiblichen Parteikreisen zeigte einen völ-
ligen Umschwung der Auffassung. Man nahm eine
Resolution an und verpflichtete darin die Partei-
mitglieder, "die Frauen im Kampf um ihre politischen
Rechte bis zur vollen staatsbürgerlichen Gleichberech-
tigung zu unterstützen". Die Aufnahme der Frauen-
wahlrechtsforderung in das Parteiprogramm darf für
den nächsten Parteitag als gesichert gelten. Der
Einfluß nationalliberaler Frauen in ihrer Partei nimmt
stetig zu, wenngleich ein Teil der Männer noch
ihrer politischen Betätigung zögernd gegenübersteht.
Die nationalliberalen Frauen sind in besonderen
Frauengruppen im Rahmen der Partei zu gemeinsamer
politischer Arbeit organisiert, was sich durch Zu-
gehörigkeit des männlichen Ortsvorsitzenden im Vor-
stand der Frauengruppen und Wahl von drei Frauen
in den Hauptvorstand der Partei erweist. Das Zen-
trum hat mit Ausnahme der Windhorst-Bunde bis-
her keine weiblichen Mitglieder in die Männervereine
aufgenommen, jedoch bestehende politisch inter-

mus anbetrifft, so entspricht die Anerkennung poli-
tischer Gleichberechtigung der Frauen unbedingt der
liberalen Weltanschauung. Die Fortschrittliche Volks-
partei, welche im übrigen die Vertretung liberaler
Ideen und Ziele propagiert, hat in ihrem Programm
diese Folgerung noch nicht vollständig gezogen. Nach
der Reform des Vereinsgesetzes traten viele Frauen,
darunter bekannte Führerinnen der Frauenbewegung,
in die liberalen Parteien ein. Als 1910 eine Fusion
der drei liberalen Parteien erfolgte, gelang es den
weiblichen Mitgliedern nicht, das Frauenwahlrecht
als Gegenwartsforderung dem Programm einzufügen.
Die Frauen entschieden, in der Partei auszuharren,
die ihrer Weltanschauung entsprach, trotzdem auch
1912 die Programmforderung noch nicht erfüllt war.
Aber die Abstimmung über 13 Anträge aus männ-
lichen und weiblichen Parteikreisen zeigte einen völ-
ligen Umschwung der Auffassung. Man nahm eine
Resolution an und verpflichtete darin die Partei-
mitglieder, „die Frauen im Kampf um ihre politischen
Rechte bis zur vollen staatsbürgerlichen Gleichberech-
tigung zu unterstützen‟. Die Aufnahme der Frauen-
wahlrechtsforderung in das Parteiprogramm darf für
den nächsten Parteitag als gesichert gelten. Der
Einfluß nationalliberaler Frauen in ihrer Partei nimmt
stetig zu, wenngleich ein Teil der Männer noch
ihrer politischen Betätigung zögernd gegenübersteht.
Die nationalliberalen Frauen sind in besonderen
Frauengruppen im Rahmen der Partei zu gemeinsamer
politischer Arbeit organisiert, was sich durch Zu-
gehörigkeit des männlichen Ortsvorsitzenden im Vor-
stand der Frauengruppen und Wahl von drei Frauen
in den Hauptvorstand der Partei erweist. Das Zen-
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her keine weiblichen Mitglieder in die Männervereine
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[41/0041] mus anbetrifft, so entspricht die Anerkennung poli- tischer Gleichberechtigung der Frauen unbedingt der liberalen Weltanschauung. Die Fortschrittliche Volks- partei, welche im übrigen die Vertretung liberaler Ideen und Ziele propagiert, hat in ihrem Programm diese Folgerung noch nicht vollständig gezogen. Nach der Reform des Vereinsgesetzes traten viele Frauen, darunter bekannte Führerinnen der Frauenbewegung, in die liberalen Parteien ein. Als 1910 eine Fusion der drei liberalen Parteien erfolgte, gelang es den weiblichen Mitgliedern nicht, das Frauenwahlrecht als Gegenwartsforderung dem Programm einzufügen. Die Frauen entschieden, in der Partei auszuharren, die ihrer Weltanschauung entsprach, trotzdem auch 1912 die Programmforderung noch nicht erfüllt war. Aber die Abstimmung über 13 Anträge aus männ- lichen und weiblichen Parteikreisen zeigte einen völ- ligen Umschwung der Auffassung. Man nahm eine Resolution an und verpflichtete darin die Partei- mitglieder, „die Frauen im Kampf um ihre politischen Rechte bis zur vollen staatsbürgerlichen Gleichberech- tigung zu unterstützen‟. Die Aufnahme der Frauen- wahlrechtsforderung in das Parteiprogramm darf für den nächsten Parteitag als gesichert gelten. Der Einfluß nationalliberaler Frauen in ihrer Partei nimmt stetig zu, wenngleich ein Teil der Männer noch ihrer politischen Betätigung zögernd gegenübersteht. Die nationalliberalen Frauen sind in besonderen Frauengruppen im Rahmen der Partei zu gemeinsamer politischer Arbeit organisiert, was sich durch Zu- gehörigkeit des männlichen Ortsvorsitzenden im Vor- stand der Frauengruppen und Wahl von drei Frauen in den Hauptvorstand der Partei erweist. Das Zen- trum hat mit Ausnahme der Windhorst-Bunde bis- her keine weiblichen Mitglieder in die Männervereine aufgenommen, jedoch bestehende politisch inter-  

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Zitationshilfe: Ledermann, Frieda: Zur Geschichte der Frauenstimmrechtsbewegung. Berlin, 1918, S. 41. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledermann_frauenstimmrechtsbewegung_1918/41>, abgerufen am 29.03.2024.