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Ledermann, Frieda: Zur Geschichte der Frauenstimmrechtsbewegung. Berlin, 1918.

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2. Viele Manner sind so selten abends zu Hause,
daß ihre Frauen sich ruhig um die Politik küm-
mern könnten, ohne vermißt zu werden. Und
solche Männer schreien, von den Junggesellen
unterstützt, am meisten über die "Auflösung der
Familie" durch die Politik.
3. Die Kinder bleiben nicht immer klein, sie wachsen
heran und verlassen die Mutter. Es mag ja sein,
daß diese, statt sich politisch zu betätigen, es
vorzieht, Flanellhemden für die Heiden zu nähen
oder Romane zu lesen, aber man soll ihr doch
die Freiheit der Wahl lassen.
4. Das Wahlrecht wird die Natur der Frau nicht
ändern. Wollte sie ihr Haus verlassen, so hätte
sie schon andere Gelegenheiten dazu gefunden."

Der in Deutschland volkstümliche Einwurf, man
wolle die Frauen nicht in die Arena des politischen
Kampfes ziehen, um ihre Würde und Empfindsam-
keit zu schonen, verliert bei Zubilligung einer ehr-
lichen Ueberzeugung seine Eindrucksfähigkeit im Hin-
blick auf die harten Realitäten des Lebens, vor
denen auch auf anderen Gebieten unsere Frauen nicht
von deutschen Männern geschützt und verteidigt wer-
den können. Ein deutscher demokratischer Abgeord-
neter und warmer Verfechter des Frauenstimmrechts
hat den Widerstand deutscher Männer außerdem noch
damit zu erklären versucht, daß sie nach altherge-
brachtem Familienideal nicht vermögen, das Erinne-
rungsbild der Mutter früherer Generationen mit der
Vorstellung der politisch fortgeschrittenen Frau der
Gegenwart zu verbinden.

Immerhin hat der Krieg so wandelnd gewirkt,
daß sie sich der Erkenntnis nicht länger verschließen
können, daß infolge der Einbeziehung der Frauen
in die Kriegswirtschaft, des gemeinsamen seelischen

2. Viele Manner sind so selten abends zu Hause,
daß ihre Frauen sich ruhig um die Politik küm-
mern könnten, ohne vermißt zu werden. Und
solche Männer schreien, von den Junggesellen
unterstützt, am meisten über die „Auflösung der
Familie‟ durch die Politik.
3. Die Kinder bleiben nicht immer klein, sie wachsen
heran und verlassen die Mutter. Es mag ja sein,
daß diese, statt sich politisch zu betätigen, es
vorzieht, Flanellhemden für die Heiden zu nähen
oder Romane zu lesen, aber man soll ihr doch
die Freiheit der Wahl lassen.
4. Das Wahlrecht wird die Natur der Frau nicht
ändern. Wollte sie ihr Haus verlassen, so hätte
sie schon andere Gelegenheiten dazu gefunden.‟

Der in Deutschland volkstümliche Einwurf, man
wolle die Frauen nicht in die Arena des politischen
Kampfes ziehen, um ihre Würde und Empfindsam-
keit zu schonen, verliert bei Zubilligung einer ehr-
lichen Ueberzeugung seine Eindrucksfähigkeit im Hin-
blick auf die harten Realitäten des Lebens, vor
denen auch auf anderen Gebieten unsere Frauen nicht
von deutschen Männern geschützt und verteidigt wer-
den können. Ein deutscher demokratischer Abgeord-
neter und warmer Verfechter des Frauenstimmrechts
hat den Widerstand deutscher Männer außerdem noch
damit zu erklären versucht, daß sie nach altherge-
brachtem Familienideal nicht vermögen, das Erinne-
rungsbild der Mutter früherer Generationen mit der
Vorstellung der politisch fortgeschrittenen Frau der
Gegenwart zu verbinden.

Immerhin hat der Krieg so wandelnd gewirkt,
daß sie sich der Erkenntnis nicht länger verschließen
können, daß infolge der Einbeziehung der Frauen
in die Kriegswirtschaft, des gemeinsamen seelischen

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[39/0039] 2. Viele Manner sind so selten abends zu Hause, daß ihre Frauen sich ruhig um die Politik küm- mern könnten, ohne vermißt zu werden. Und solche Männer schreien, von den Junggesellen unterstützt, am meisten über die „Auflösung der Familie‟ durch die Politik. 3. Die Kinder bleiben nicht immer klein, sie wachsen heran und verlassen die Mutter. Es mag ja sein, daß diese, statt sich politisch zu betätigen, es vorzieht, Flanellhemden für die Heiden zu nähen oder Romane zu lesen, aber man soll ihr doch die Freiheit der Wahl lassen. 4. Das Wahlrecht wird die Natur der Frau nicht ändern. Wollte sie ihr Haus verlassen, so hätte sie schon andere Gelegenheiten dazu gefunden.‟ Der in Deutschland volkstümliche Einwurf, man wolle die Frauen nicht in die Arena des politischen Kampfes ziehen, um ihre Würde und Empfindsam- keit zu schonen, verliert bei Zubilligung einer ehr- lichen Ueberzeugung seine Eindrucksfähigkeit im Hin- blick auf die harten Realitäten des Lebens, vor denen auch auf anderen Gebieten unsere Frauen nicht von deutschen Männern geschützt und verteidigt wer- den können. Ein deutscher demokratischer Abgeord- neter und warmer Verfechter des Frauenstimmrechts hat den Widerstand deutscher Männer außerdem noch damit zu erklären versucht, daß sie nach altherge- brachtem Familienideal nicht vermögen, das Erinne- rungsbild der Mutter früherer Generationen mit der Vorstellung der politisch fortgeschrittenen Frau der Gegenwart zu verbinden. Immerhin hat der Krieg so wandelnd gewirkt, daß sie sich der Erkenntnis nicht länger verschließen können, daß infolge der Einbeziehung der Frauen in die Kriegswirtschaft, des gemeinsamen seelischen  

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Zitationshilfe: Ledermann, Frieda: Zur Geschichte der Frauenstimmrechtsbewegung. Berlin, 1918, S. 39. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/ledermann_frauenstimmrechtsbewegung_1918/39>, abgerufen am 29.03.2024.